Bestimmende-kontrollierende Persönlichkeiten

Von der Kontrolle bis zum Kontrollzwang und anderen gefährlichen Auswüchsen

Bestimmende-kontrollierende Persönlichkeiten. Wesen, Charakter, Probleme, Psychologie: Von der Kontrolle bis zum Kontrollzwang, vom Bestimmen bis hin zu psychotischen und totalitären Auswüchsen

Einführung

Wie der sogenannte "Kontrollzwang" als spezielle Ausprägung einer Zwangsstörung, so geht auch die Persönlichkeit des Kontrollierenden-Bestimmenden mit einem starken bzw. überaus hohem Bedürfnis nach Kontrolle einher. 

 

Der bei einem Kontrollzwang entstehende Leidensdruck ist jedoch nicht vorhanden, weil die Zwanghaftigkeit hier zumeist nicht bewusst ist - und der Zwang an sich nicht im Vordergrund steht. Vielmehr handelt es sich hier um die spezielle Persönlichkeit der Betroffenen bzw. um eine Persönlichkeitsstörung.

 

Der Hang nach Organisation und Kontrolle wird bei bestimmenden-kontrollierenden Persönlichkeiten durch ein bestimmendes Wesen mit hoher Dominanz ergänzt.

Differenzierung

Während sich eine klassische Zwangsstörung auf die Kontrolle von Gegenständen bezieht, bezieht sich das zwanghafte Verhalten bestimmender-kontrollierender Persönlichkeiten auf die Kontrolle anderer Menschen (z.B. der Kinder).  Hinzu kommt der Drang, das Leben und Verhalten anderer zu bestimmen.

 

Für die Differenzierung entscheidend, ist auch die konkrete Kommunikation der Betroffenen sowie die Unterscheidung zwischen dem vorhandenen Bewusstsein bzw. der "Einsicht" der Betroffenen mit einer Kontrollstörung, die unter ihrem Denken und Verhalten letztendlich leiden  - und dem grundlegenden Denken und Verhalten kontrollierender-bestimmender Persönlichkeiten, das erst dann ggf. zum Thema wird, wenn persönlichkeits- und verhaltensbedingte Konflikte in der sozialen Interaktion und / oder andere (unvermeidbare) Probleme im zwischenmenschlichen Miteinander offenbar werden.

 

Wesen / Persönlichkeit

Bestimmende-kontrollierende Persönlichkeiten sind bestrebt, ihre Umwelt inklusive der Mitmenschen zu lenken und zu kontrollieren. In Anpassung an gesellschaftliche Normen stellen sie Regeln auf und fordern von ihren Interaktionspartnern, diese einzuhalten, um sich vor unvorhergesehenen Überraschungen, Chaos und Kontrollverlust zu schützen. Sofern bestimmende-kontrollierende Persönlichkeiten ggf. unter einem Kontrollzwang leiden, sind sie bestrebt, diese Zwanghaftigkeit quasi als "normale" Pflicht auf ihr Umfeld zu übertragen. Insofern übertragen sie damit ihren eigenen "Kontrollzwang" auf andere.

 

Das Wesen bestimmender-kontrollierender Persönlichkeiten kann auch mit einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung bzw. einer anankastischen Persönlichkeitsstörung, auch Zwangspersönlichkeitsstörung genannt, einhergehen. Menschen mit dieser Störung fallen insbesondere durch ihre Rigidität und ihren Perfektionismus aus, ebenso durch ständige Kontrollen, Gefühle von Zweifel sowie ängstliche Vorsicht, keine Fehler zu machen.

 

Zwanghafte oder anankastische Persönlichkeiten sind übertrieben genau, perfektionistisch, ordentlich, planend, kontrollierend und/oder stur nach eigenen strengen Regeln richtend. Es besteht ein Hang zur übertriebenen Vorsicht und zur Pedanterie. Sie sind unflexibel im Verhalten, haben Angst, Fehler zu begehen und haben starke Zweifel. Zudem besteht eine Schwäche, eigene Gefühle zu äußern.

 

Die zwanghafte Persönlichkeitsstörung ist - trotz mancher Ähnlichkeiten in der sichtbaren Symptomatik - eine von der Zwangsstörung völlig verschiedene psychische Störung. Sofern diese Störung mit einem bestimmenden-kontrollierenden Kommunikationsstil einhergeht, spricht man auch von einer bestimmenden-kontrollierenden  Persönlichkeiten, ebenfalls wenn solch ein derartiger Kommunikationsstil vorliegt, die Hintergründe dazu aber weniger auffallen bzw. bekannt sind. Zumeist geht aber beides direkt oder indirekt miteinander einher. So ist eine bestimmende-kontrollierende Persönlichkeit gleichzeitig eine Unterart einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung, wobei der Zwang selbst weniger bewusst ist.

 

Während die Stärken bestimmender-kontrollierender Persönlichkeiten Verantwortungsbewusstsein, Gewissenhaftigkeit und Ordnung sowie Struktur, Planung, Selbstkontrolle und Klarheit sind, zählt das in dieser Hinsicht übertriebene Verhalten, das mit einem Hang zur Bestimmung über das entsprechende Verhalten anderer (bis hin zur Nötigung), das sich nach Auffassung der bestimmenden-kontrollierenden Persönlichkeit an dieser auszurichten, anzupassen, zu fügen und zu "funktionieren" hat und nicht selten mit wehleidiger und / oder vorwurfsvoller Kommunikation einhergeht und eine negative Wirkung bis hin zum "Gaslighting" hat, zu den Schwächen dieser Persönlichkeiten im sozialen Kontext.  Hinzu kommt die Möglichkeit der eigenen Überforderung bis hin zum Burnout sowie die Überforderung anderer.

 

Das Verhalten bestimmender-kontrollierender Persönlichkeiten basiert häufig auf negativen Denkmustern und Zwanghaftigkeit, die sie (bis hin zur Wahn-Symbiose) und Anpassung Anderer, die sich nicht wehren und den Konflikt suchen, um sich nicht stetig bevormunden zu lassen, auf ihr Umfeld übertragen.

 

Ebenso geht ihr Verhalten  mit einem bestimmenden-kontrollierenden bis vorwurfsvollen kommunikativen Gesprächsstil (siehe Kommunikationsstile nach F. Schulz von Thun) einher, was für eigenständig denkende und individualistische Persönlichkeiten extrem anstrengend bis schier unerträglich - und krank machend - sein kann.

Beispiel: "Schon wieder alles voller Krümel und / oder meterhohe Schuppen-Berge! Das ist rücksichtslos! Ich habe den ganzen Tag geschuftet und alles sauber gemacht, während du hier alles vollkrümelst und Deine Schuppenberge hinterlässt". "Du könntest auch mal die Hauaufgaben deiner Tochter kontrollieren! Weil Du dich nicht darum kümmerst und Dir ihre Zukunft egal ist, bekommt sie in der Schule dann eben eine 6!", "Ich habe immer alles für die getan und mich aufgeopfert. Undank ist der Weltenlohn!". "Du machst wieder diese Geräusche. Wegen Dir und deinem Geschnarche kann ich nicht schlafen und habe Kopfschmerzen".   

 

In einigen Fällen kann das Verhalten bestimmender-kontrollierender Persönlichkeiten mit Eifersucht und / oder Redseligkeit in Form von lautem Denken oder mit Wehklagen, Vorwürfen und Erzeugen von Schuldgefühlen bei anderen einhergehen, welches für das soziale Umfeld über entsprechendes Priming ebenso extrem anstrengend, stressig und krank machend sein kann wie das Vorleben bestimmter Ideologen oder Glaubensaspekte, die bei bestimmenden-kontrollierenden Persönlichkeiten ebenso eine Rolle spielen können. Beispiel: "Wie Du Deine arme Mutter behandelst. Gott wird dich strafen!"

 

Bestimmende-kontrollierende Persönlichkeiten im gesellschaftlichen Kontext

In Bezug auf kollektivistisch orientierte Persönlichkeiten vereinigen bestimmende-kontrollierende Persönlichkeiten Eigenschaften des "Vernünftigen" und des "Beflissenen" und bilden einen Gegenpart zum "Mitläufer" und "Opportunisten".
Wenn es um die Einhaltung von Regeln und das diesbezügliche Ansprechen vermeintlicher "Regelverstöße" geht, stehen bestimmende-kontrollierende Persönlichkeiten ganz vorne, wobei sie bezüglich ihres diesbezüglichen Auftretens dann "selbstbewusst" bzw. selbstsicher bis nötigend auftreten. Sie sind dann quasi das "Gesetz" und das Maß aller Dinge. Jene Anpassung, die ihre Eltern früher von ihnen forderten, fordern sie nun von anderen.

 

Bestimmende-kontrollierende Persönlichkeiten im sozialen Kontext

Während Persönlichkeiten mit bedürftig-abhängigen oder selbstlosen Tendenzen die Bestimmtheit und Kontrolle sowie die klaren Aussagen des Bestimmenden-Kontrollierenden begrüßen, weil ihnen die Bestimmtheit und Verlässlichkeit von bestimmenden-kontrollierenden Persönlichkeiten Sicherheit gibt, stoßen Bestimmtheit und Kontrolle bei anderen Persönlichkeiten eher auf Unmut: Wünscht sich der Interaktionspartner des Bestimmenden-Kontrollierenden z.B. eher Freiheit und Eigenverantwortung, wird er gegen die strengen Regeln des Bestimmenden-Kontrollierenden rebellieren und bestrebt sein, sie zu brechen. Dies kann sich zu einem regelrechten Teufelskreis entwickeln, da der Bestimmende-Kontrollierende auf diesen Regelbruch mit noch strengeren Regeln und Verboten reagieren wird (siehe z.B. „strenge“ Eltern versus „rebellische“ Kinder). 

 

Bestimmende-kontrollierende Persönlichkeiten im Beziehungsleben

Persönlichkeiten mit bedürftig-abhängigen oder selbstlosen Tendenzen sowie sogenannte Mitläufer und Opportunisten begrüßen die Bestimmtheit und Kontrolle sowie die klaren Aussagen des Bestimmenden-Kontrollierenden, egal in welche Richtung dies geht. Die Bestimmtheit und Verlässlichkeit von bestimmenden-kontrollierenden Persönlichkeiten gibt ihnen Sicherheit. Allerdings werden sie auch immer abhängiger. Sie passen sich, bilden eine Symbiose und leben in einer Art reiner Zweckgemeinschaft ohne zwischenmenschliche Emotionalität.

 

Im Ehe- und Beziehungseben, kann es durch die Konditionierung des jeweiligen Opfer-Partners dann zu Paarproblemen kommen, weil der jeweilige Partner, der sich anpasst und sich um Harmonie bemüht, nur noch "funktioniert": Während sich das angepasste "Opfer" dem Bestimmenden-kontrollierenden weiter zweckdienlich fügt, beklagt der Täter dann ggf. irgendwann das Vorliegen einer reinen Zweckgemeinschaft, das Fehlen von Nähe und Romantik, fehlender Sex usw,  jedoch ohne die logischen Zusammenhänge, das eigentliche Handeln und die entsprechenden Zusammenhänge selbst zu durchschauen. Die Wirkung in Partnerschaften ist ähnlich wie beim Riemann-Thomann-Modell und beim Nähe-Distanz-Partner-Modell nach Schulz von Thun.

 

Anders geartete (z.B. freiheitsliebende) Partner spielen bei auferlegten und / oder beobachteten Zwängen und dem bestimmenden-kontrollierenden Verhalten bestimmender-kontrollierender Persönlichkeiten nicht mit. Es kommt zu Gegenverhalten und Konflikten oder zur Trennung, weil das Verhalten schlichtweg zu dominant und / oder nervig bzw. auf Dauer sehr anstrengend bis unerträglich ist.

 

Während der eine Partner-Typus sich prinzipiell nicht dominieren und bevormunden lassen möchte, möchte ein Anderer lieber schlichtweg eine natürliche, zwangslose Beziehung und eben keine bevormundende und kontrollierende Art "Erzieher-Kind-Beziehung" oder das Gefühl eines "Therapeuten-Patienten-Verhältnisses", bei dem man (bei geistiger Überlegenheit) entweder das Gefühl hat, dass man sich selbst in der Rolle des Therapeuten sieht, der gegenüber seinem Psycho-"Patienten" hoch sensibel agieren muss, um Konflikte tunlichst zu vermeiden - oder sich aber selbst wie ein "Patient" fühlt, dessen Partner bzw. Partnerin ihn unerlässlich zwangstherapieren bzw. umerziehen will. 

Der Einfluss bestimmender-kontrollierender Persönlichkeiten auf ihre Kinder

Der Einfluss bestimmender-kontrollierender Persönlichkeiten führt insbesondere bei (kindlichen) Abhängigkeitsverhältnissen zur Herausbildung bedürftig-abhängiger Persönlichkeiten, was bei den entsprechend beeinflussten bzw. sozialisierten Persönlichkeiten im Erwachsenenalter zu Problemen führen kann.

 

Im Elternhaus verstärkt sich die Wirkung des Einflusses bestimmender-kontrollierender Persönlichkeiten auf die Kinder insbesondere dann, wenn sich ein Elternteil den Eigenarten des bestimmenden-kontrollierenden Elternteils Art unterwirft bzw. entsprechend anpasst, ggf. selbst eine bedürftig-abhängige Persönlichkeit ist oder sich aus der Erziehungsverantwortung eher heraushält und diese der bestimmenden-kontrollierenden Persönlichkeit weitestgehend überlässt.

 

Bestimmender-kontrollierende Persönlichkeiten bei Angst vor Kontrollverlust

Um die Kontrolle über andere nicht zu verlieren, können bestimmende-kontrollierende Persönlichkeiten neben moralischen Appellen, Vorwürfen und Schuldzuweisungen auch zu Lügen bis hin zu Pseudologia phantastica-Verhalten greifen. Dabei können Lügengebilde entstehen, welche die Betroffenen selbst gar nicht mehr realisieren, da der Zweck die Mittel heiligt, um die Kontrolle über Andere zu behalten. Daraus kann sich eine regelrechte pseudologische Störung entwickeln, die sich auf die Kinder übertragen kann.

 

Um die Kontrolle über ein ggf. rebellierendes Umfeld zu behalten und an dem "sich widersetzen" des Umfelds nicht zu verzweifeln, können die Betroffenen sich z.B. selbst krank stellen oder ihr Umfeld für krank erklären: Eine besondere Form der Pseudologia phantastica ist das Münchhausen-Syndrom, bei dem körperliche Beschwerden erfunden und durch Lügen untermauert werden, um die entsprechende Aufmerksamkeit zu erheischen und das eigene Umfeld zumindest über Mitleid bestimmen und kontrollieren zu können. Von einem Münchhausen-by-proxy-Syndrom spricht man, wenn der Bestimmende-Kontrollierende anderen die Krankheit einredet oder anderen Schaden zufügt, um so die Kontrolle über diese tunlichst zu behalten. 

 

Das Wirkungsprinzip der kognitiven Dissonanz-Reduktion besteht bei bestimmenden-kontrollierenden Persönlichkeiten darin, Menschen, die sich der Kontrolle entziehen oder sich widersetzen zu wollen, für abnorm zu erachten und zu erklären (oder als "böse" zu bezeichnen), um von der eigenen Abnormität der Persönlichkeit abzulenken und / oder an der möglichen Erfolglosigkeit des eigenen Bestimmungs- und Kontrollbestrebens nicht zu verzweifeln.

 

Rebellierende Kinder werden z.B. zum Psychiater geschickt, während "unkontrollierbar" erscheinende oder "sich widersetzende" Artgenossen früher z.B. der Inquisition gemeldet oder in (Umerziehungs)-Lager gesteckt wurden, um die Kontrolle über das was vermeintlich "richtig" bzw. "korrekt" (auch "politisch korrekt") erscheint, nicht zu verlieren und die für die eigene Persönlichkeit selbst unerträglich erscheinenden kognitive Dissonanzen für sich selbst tunlichst zu verringern. 

 

Unbewusstes Gaslighting durch bestimmende-kontrollierende Persönlichkeiten
Das Verhalten bestimmender-kontrollierender Persönlichkeiten kann bis zum sogenannten Gaslighting gehen, das hier zumeist aber unbewusst erfolgt. Dies wirkt sich auf ein abhängiges Umfeld (die Kinder) sehr stark aus, so dass nachfolgend mit Störungen (wie z.B. Spaltung / Abspaltung oder Selbstwertproblemen und starkem Anpassungsverhalten (ggf. mit falschen Versprechungen / Lügen) zu rechnen ist, was wiederum zu Beziehungsstörungen führen kann.

 

Gaslighting dient den Tätern dazu, bei anderen Selbstzweifel zu schüren, um sie schwach und gefügig zu machen. Es geht darum, Macht über das Opfer gewinnen oder die eigene Macht bzw. Kontrolle bei Widerstand zu behalten. Durch Gaslighting das Selbstvertrauen des Opfers derart zerstört, dass es nachfolgend zutiefst verunsichert ist.

 

In der Regel erfolgt Gaslighting bewusst und mit Vorsatz: Der Begriff "Gaslighting" bezieht sich auf das "bewusste" Verhalten eines "Täters". Gaslighting kann aber auch unbewusst betrieben werden z.B. durch den Umgangs- und Kommunikations--Stil kontrollierender-bestimmender Persönlichkeiten, die durch ihr Verhalten und ihre Kommunikation über ein ständiges Dauer-Priming eine regelrechte Gehirn-Programmierung betreiben und damit ihr Umfeld regelrecht in den Wahnsinn treiben, zur Resignation  und Selbstaufgabe zwingen oder entmutigen können.

 

Letztendlich geht es darum, dass die unbewussten Gaslighter ihre jeweiligen Störungsbilder an anderen ausleben und die Opfer in ihr Störungsbild mit hineinziehen, wenn auch - wie in den vorgenannten Fällen - unbewusst. Dazu folgendes Beispiel-Szenario:

 

Sarah, die Tochter, beginnt ihre Unabhängigkeit zu entwickeln und möchte ihre eigenen Entscheidungen treffen. Die Mutter, Emma, ist von Natur aus kontrollierend und möchte, dass Sarah ihre Vorstellungen und Erwartungen erfüllt. Das unbewusstes Gaslighting der Mutter könnte wie folgt erfolgen:

 

Emma sagt: "Sarah, du machst wieder ein Drama aus allem. Ich sage dir nur, was das Beste für dich ist. Du solltest wirklich lernen, nicht so rebellisch zu sein. Deine Entscheidungen sind immer so impulsiv." Hier versucht Emma unbewusst, Sarahs Wahrnehmung ihrer eigenen Fähigkeiten und Entscheidungen zu manipulieren. Indem sie Sarah als rebellisch und impulsiv darstellt, versucht sie, ihre Tochter zu beeinflussen, ihre eigenen Entscheidungen infrage zu stellen und sich mehr nach den Wünschen der Mutter zu richten. Dies kann dazu führen, dass Sarah ihre Selbstständigkeit zurücknimmt und die Kontrolle von Emma weiterhin akzeptiert.

 

Auch ein solches unbewusstes Gaslighting kann systematisch erfolgen, selbst wenn dieses System seitens des Täters bzw. der Täterin selbst gar nicht bewusst ist. Systemisch wäre insbesondere die unbewusste Suggestion von Glaubenssätzen und Leitgedanken. Diese können seitens der Eltern oder durch einen Partner / eine Partnerin, aber auch durch den Arbeitgeber, die Kollegen oder (vermeintlichen) Freunde bzw. den Bekanntenkreis bzw. ein spezifisches soziales Umfeld erfolgen.

 

Auswirkungen des (unbewussten) Gaslightings

durch einen kontrollierenden-bestimmten Kommunikations-Stil

Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, die unter dem Einfluss kontrollierender-bestimmender Persönlichkeiten stehen, kann das Selbstvertrauen derart zerstört werden, dass sie zutiefst verunsichert werden, ein schlechtes Gewissen bekommen, sich "schuldig" fühlen und irgendwann sogar "Stimmen" hören, wobei die besagte "Stimme" letztendlich durch den Gaslighter (z.B. die Bezugspersonen bzw. den verantwortlichen Erzieher) verursacht bzw. programmiert wurde.

 

Auch ein solches Gaslighting kann zur Verwirrung, Schwächung und Schädigung des Selbstbewusstseins, der Persönlichkeit und der Widerstandskraft des Opfers bis hin zu Angstzuständen, Wahnvorstellungen, Panikattacken und psychotischen Zuständen führen. Hier besteht de Gefahr, dass sich die Betroffenen (seelisch / psychisch) krank fühlen bzw. dass ihnen eine (psychische) Krankheit entsprechend eingeredet wird oder allein durch die Umstände suggeriert wird. ggf. erfolgt dann eine Behandlung, die den Betroffenen selbst nichts bringt, sondern das vermeintliche Krankheitsbild festigt bzw. erst entstehen lässt.  

 

Bei Kindern liegt dann eine regelrechte Kindeswohlgefährdung vor, die aber nur schwer nachzuweisen ist, da sich der Gaslighter zumeist als liebevoller "Kümmerer" zeigt, dem das Wohl des Kindes (oder des Partners) an höchster Stelle steht. Zudem ist das eigene Verhalten dem besagten Gaslighter in Form einer kontrollierenden-bestimmenden Persönlichkeiten ja zumeist auch gar nicht bewusst.

 

Alternativ kommt es zu selbstwertdienlichen Verzerrungen, zur Uminterpretation oder gar zu Formen  der Pseudologia phantastica. Dabei können Selbstbelügungsstrategien und Lügengebilde entstehen, welche die Gaslighter und ihr Umfeld selbst gar nicht mehr realisieren, da der Zweck die Mittel heiligt, um die Kontrolle über Andere zu behalten. Daraus kann sich eine regelrechte pseudologische Störung entwickeln. Eines dieser Gaslighting-Phänomene, das auf Selbstbelügungs- bzw. Lügenkonstrukten basiert, ist das Münchhausen-by-proxy-Syndrom bei dem der Gaslighter Anderen (z.B. Schutzbefohlenen) Krankheiten einredet, um so die Kontrolle über diesen tunlichst zu behalten. 

 

Die Bestimmtheit und Verlässlichkeit von bestimmenden-kontrollierenden Persönlichkeiten scheint Sicherheit zu geben. Doch die Opfer werden durch diese "Sicherheit" immer abhängiger und schließlich krank. Die ständige Lenkung und Kontrolle sowie das durchgehende Dauer-Priming wird derart stark auf das Opfer, dass es irgendwann zur Flucht, zu inneren Stimmen oder zur Persönlichkeitsspaltung kommt, um diese "Folter" irgendwie zu ertragen.

 

„Gaslighting“ ist nicht nur eine Methode, um andere Menschen gezielt zu verunsichern, um sie "gezielt" "fertig zu machen", sondern auch eine Strategie von Tätern zur kognitiven Dissonanz-Reduktion. Es geht dabei darum, die eigene Schuld abzustreiten und etwaige Schuldgefühle selbstwertdienlich zu reduzieren (siehe Konzept der Selbstwertdienlichen Verzerrung zur Aufrechterhaltung des eigenen Selbstwertes  und zur Reduktion kognitiver Dissonanzen.

 

Wenn wir z.B. feststellen, dass wir jemandem Unrecht taten oder uns vielleicht im Ton vergriffen haben - und uns dies danach bewusst wird - auch da solch ein eigenes Verhalten ja vielleicht gar nicht mit unseren eigenen Überzeugungen, Gefühlen und Wertvorstellungen übereinstimmt - und wir daran im Nachhinein nur schwerlich etwas ändern können, interpretieren wir unsere Taten oder die Motive hinter unseren Taten einfach um, damit wir uns dann wohler fühlen.

 

Dieser nützliche automatische psychologische Mechanismus, der uns selbst die widersprüchlichsten, schlechtesten und schadhaftesten Dinge durch die rosarote Brille sehen lässt und Negatives schön färbt, wurde 1957 von dem US-amerikanischen Psychologen Leon Festinger entdeckt. Seine "Theorie der kognitiven Dissonanz" besagt, dass Gedanken, Meinungen und Wünsche, die einen inneren Konflikt erzeugen auftreten, wenn unsere Gedanken unserer logischen Auffassung bzw. bisherigen Meinung widersprechen. 

 

Passt unser Verhalten und unser Denken (auch Ansichten, Wert- und Moralvorstellungen etc.) nicht zusammen, erscheint unser Selbstkonzept gefährdet bzw. unser Selbstwert bedroht. Zur Erhaltung dieses unseres Selbstwertes setzt unser Denken oft starke Erklärungs- bzw. Selbstentschuldigungs-Mechanismen in Gang, welche die Realität und ursächliche Zusammenhänge stark verzerren. Da wir einem inneren Streben nach gedanklicher Harmonie folgen, missachten wir die Feststellung unangenehmer Wahrheiten, interpretieren sie einfach um und entwickeln andere neue Gedanken, welche die unangenehme Realität dann wieder in ein erträgliches, angenehmes oder günstiges Licht rückt.

 

Mit anderen Worten: Hat man z.B. eine im Nachhinein ungünstige Entscheidung getroffen, wertet man die Entscheidung bzw. die Gründe für diese Entscheidung nachträglich um und auf - oder schreibt sie irrationalen Gründen und Zusammenhängen zu. Möglich gewesene Alternativen wertet man hingegen ab oder negiert sie im Nachhinein völlig. Dabei gilt das Prinzip: Je wichtiger und unumkehrbarer die Entscheidung war, desto stärker wirkt der Effekt. 

 

Beim selbstwertdienlichen Gaslighting gegenüber Kindern passiert z.B. folgendes: Der besagte Elternteil greift zur Abwehr-Strategie der "Umkehr" und dreht den Spieß zum Zweck der Reduzierung seiner kognitiven Dissonanzen, zur Tilgung bzw. Verdrängung des eigenen Schuldgefühls und zur Aufrechterhaltung des eigenen Selbstwertes nun einfach herum - und wirft dem eigentlichen Opfer mehr oder weniger direkt oder mehr subtil (z.B. durch Weinen unter Tränen) vor:

"Immer musst Du mich provozieren! oder "Immer musst Du mich wütend machen", "Immer gibt es Probleme mit Dir" oder "Wie Du mit Deinen Eltern umgehst, ist nicht korrekt (oder böse)" oder "Wir wissen nicht mehr wie wir uns (anders) mit Dir helfen sollten. Du bist ein so schwieriges Kind." oder "Wie du mich behandelst... Dabei habe ich dich unter Schmerzen geboren" usw.

 

Beim Gaslighting erfolgen Priming und / oder Umkehr-Rhetorik stetig, so dass das Kind irgendwann an seinen vermeintlich "schlechten und schwierigen Charakter" glaubt. Verstärkt wird das Gaslighting auch hier durch die Einbindung Dritter zur Nutzung der massiven Wirkung des sozialen Einflusses und / oder des Einflusses von Autoritäten.

 

Sonderformen

Eine Sonderform bestimmender-kontrollierender Persönlichkeiten sind sogenannte Wohlstands-Psychopathen: Hier kommen Starrsinn, übertriebene Außenwahrnehmung bzw. übertriebenes Verhalten nach außen hinzu. Eigene Probleme werden auf die Umwelt projiziert, eigene Gefühle, Wünsche, Begehrlichkeiten und Vorurteile werden anderen unterstellt und fälschlicherweise als real angenommen. Es kommt zur Verdrehung von Tatsachen: Andere werden für die Umstände eigener Probleme verantwortlich gemacht (siehe "Umkehr"). Innere Spannungen werden offen an anderen abreagiert. Alternativ gibt es eine stille bzw. "stumme" Vorwurfshaltung. 

 

Andere werden für die Umstände eigener Probleme verantwortlich gemacht, ebenso für die Schwächen und Fehler der eigenen Person. Hinzu kommt die völlige Ausblendung und / oder Umdeutung der Realität in Bezug auf unangenehme Tatsachen, die zu kognitiven Dissonanzen führen könnten. Die sonst üblichen selbstwertdienlichen Verzerrungen im Rahmen des Wirkungsprinzips der Kognitiven Dissonanz Reduktion wirken bei Wohlstands-Psychopathen derart stark, dass es zu einer regelrechten 1:1 Umkehrung von Fakten und Tatsachen (Umkehr)  - und damit der Realität kommen kann. Siehe dazu auch Defensive Attribution und Verleugnung der Realität. Auch hier kann das Verhalten bis zum sogenannten Gaslighting gehen - mit schlimmen Folgen für die betroffenen Opfer.

 

Ursachen / Hintergrund

Menschen mit einer bestimmenden-kontrollierenden Persönlichkeit sind als Kind oft mit strengen Regeln erzogen und diszipliniert worden. Sie haben gelernt, alle inneren Impulse streng unter Kontrolle zu behalten, um nicht bestraft zu werden. Sie sind zur Überzeugung gelangt, dass nur durch Selbstdisziplin und strikte Regelüberwachung das innere und äußere Chaos vermieden werden kann. Dies übertragen sie dann später auf andere, da sie sich selbst sonst nicht sicher fühlen.

 

Tipps
Damit der Bestimmende-Kontrollierende sein Umfeld nicht einengt und von ihm abhängig macht und - und dessen Einstellung und Verhalten nicht zu einem Kontrollzwang und anderen abstrusen Folgen führt, sollte er versuchen, Mut zu Flexibilität, Offenheit und Vertrauen in andere zu entwickeln. Alternativ können sich eine Kontrollstörung oder andere Störungsbilder entwickeln, die sowohl für den Bestimmenden-Kontrollierenden als auch für dessen soziales Umfeld sehr anstrengend, stressig und krank machend sein kann.