Wissen: Selbsterfüllende Prophezeiung

(Self-fulfilling-prophecy) / Rosenthal Effekt / Erwartungsfehler

Einleitung: Erwartungen / Erwartungsfehler

Die Selbsterfüllende Prophezeiung (Self-fulfilling-prophecy), in der Pädagogik auch als Rosenthal Effekt bekannt, basiert auf bestimmten Erwartungen, die zu sogenannten Erwartungsfehlern führen. Erwartungsfehler zählen zu den klassischen Wahrnehmungsfehlern, denen Menschen unterliegen. 

 

Sowohl eine bestimmte allgemeine Erwartungshaltung als auch bestimmte konkrete Erwartungen sowie das Maß dieser Erwartungen prägen die Tendenz und Ausprägung der Wahrnehmung sowie die entsprechende Einschätzung und Wertung.

 

Erwartung bezeichnet in der Psychologie die Annahme, was jemand (ein anderer oder mehrere andere) in Zukunft tun würde oder sollte. Erwartung ist zugleich die vorausgenommene prognostizierte Annahme eines Ereignisses oder Zustandes. Selbst sachliche Prognosen sind, sofern durch Menschen erfolgen, stets mit einer unbewussten Erwartung (Erwartungsfehler) verbunden.

 

Konkrete Erwartungen stehen in einer Verbindung mit einer bestimmten (bewussten oder unbewussten) Erwartungshaltung. die sich auf das Erwartete und die Wertung des Erwarteten übertragen. Die Übertragung bezieht sich auf das Eintreffen der Erwartung sowie die Wertung des Erwarteten. Individuelle Erfahrungen, Wünsche, Bedürfnisse und Wertvorstellungen der Person, die etwas erwartet, spielen eine ebenso große Rolle wie die konkrete Ausprägung der jeweiligen Erwartung sowie der Glaube an die Erfüllung oder das eigene (sachliche oder naive) Weltbild in Sachen Erwartungs-Erfüllung an sich.

 

Der sogenannte Erwartungsfehler tritt in der allgemeinen Wahrnehmung und in der Selbst- und Fremdwahrnehmung (Personenwahrnehmung) auf. Sowohl eine bestimmte allgemeine Erwartungshaltung als auch bestimmte konkrete Erwartungen sowie das Maß dieser Erwartungen prägen die Tendenz und Ausprägung der Wahrnehmung sowie die entsprechende Einschätzung und Wertung. Unsere Erwartungen beeinflussen nicht nur die kognitive Informationsverarbeitung, sondern bereits die Güte der Informationsaufnahme bei der Beobachtung.

 

So wird z.B. die Einschätzung der Leistung einer Person von Erfahrungen mit vorangegangen Leistungen dieser Person beeinflusst. Ebenso wird das Gefühl von Glück und Zufriedenheit von der jeweiligen Erwartungshaltung und dem konkreten Maß der Erwartung beeinflusst. Auch das Selbstwertgefühl und die Bewertung von Leistungen und Erfolgen hängt von Erwartungen ab u.a. davon, a) welche Ansprüche (Erwartungen) man selbst an sich stellt, b) welche Erwartungen andere an einen stellen und diese äußern, c) welche Erwartungen anderen Anwesenden (die sich nicht äußern) zugeschrieben bzw. unterstellt werden und d) welche Erwartungen Menschen haben, die Leistungen messen und Erfolge bewerten.

 

Menschen gehen mit einer bestimmten Erwartungs- und Anspruchshaltungen an eine Sache, einen Zustand, ein anstehendes Ereignis oder an Personen heran. Diese Erwartungshaltung bezieht sich zumeist auf vorausgegangene Erfahrungen und die Übertragung dieser Erfahrung auf die Zukunft (Prognose).

 

Erwartungsfehler treten auch in der sozialen Wahrnehmung auf. Siehe dazu u.a.: Hypothesentheorie der sozialen Wahrnehmung, Stereotypisierte Kopplung, Kleber-Effekt usw.  Weitere Infos siehe Wahrnehmungsfehler. Bei der Selbsterfüllenden Prophezeiung geht es aber nicht um die Erwartung als Wahrnehmungsfehler - konkret als Erwartungsfehler -, sondern vielmehr um die Folgen und Auswirkungen bestimmter Erwartungen und Erwartungshaltung in Bezug auf Personen, an die bestimmte Erwartungen gerichtet werden z.B. in der Erziehung.

Was ist eine Selbsterfüllende Prophezeiung?
Die selbsterfüllende Prophezeiung (Self-fulfilling-prophecy), in der Pädagogik auch als Rosenthal Effekt bekannt, beschreibt das Phänomen, dass Erwartungen, die an andere Personen gerichtet sind, sich selbst erfüllen, indem erwartetes Verhalten einer anderen Person letztendlich durch das eigene Verhalten (des Erwartungsträgers, Beurteilers, Feedback-Gebers bzw. Kritikers oder Erziehers) letztendlich erzwungen wird.

 

Es handelt sich um eine Vorhersage, die ihre Erfüllung selbst bewirkt. Eine solche Prognose über eine mögliche Zukunft hat einen entscheidenden Einfluss auf die Erfüllung - und ist die wesentliche Ursache dafür, dass die prognostizierte Zukunft auch tatsächlich eintritt.

 

Wie kommt das?

Erwartet jemand ein bestimmtes Verhalten von seinem Gegenüber, erzwingt er allein durch sein eigenes Verhalten genau jenes Verhalten, das er oder sie von dem anderen erwartet bzw. der anderen Person unterstellt und letztendlich suggeriert.

 

Die Suggestion bzw. Programmierung einer Prognose ist das Eine; auf der anderen Seite basiert der Mechanismus des Eintretens der Vorhersage bzw. der Erwartungserfüllung aber auch darauf, dass Menschen an die Vorhersage glauben, weshalb sie so agieren, dass sie sich erfüllt. Es kommt folglich zu einer positiven Rückkopplung zwischen Erwartung und Verhalten.  „Wenn die Menschen Situationen als real definieren, sind sie in ihren Konsequenzen real.".

 

Negative und positive Prognosen

Das Phänomen bezieht sich auf negative wie positive Prognosen gleichermaßen. Wenn Eltern ihrem Kind einreden, es würde demnächst eine "6" schreiben, weil es angeblich zu "faul" oder zu "dumm" sei - und "nicht genug" übe, steigt bei den meisten Kindern die Gefahr, dass diese dann tatsächlich eine "6" oder eine "5" - oder zumindest eine schlechtere Not als sonst - bekommen. 

 

Menschen, die Angst haben zu stürzen, weil man sie zuvor generell davor gewarnt hat, unterliegen nach dieser Warnung einem höheren Risiko, nun tatsächlich zu stürzen, als vorher. Alternativ verhalten bzw. bewegen sie sich plötzlich derart achtsam und vorsichtig, dass ihnen bei einem konkret prognostiziertem Sturz genau das eben nicht passiert.  

 

Wie auch immer: Vorhersagen wie „Du wirst in dieser Woche eine Frau kennenlernen“ oder „Dir droht diese Woche ein Verkehrsunfall“ führen automatisch zu einer Änderung des Verhaltens derer, die daran glauben: Sie sind plötzlich aufmerksamer und achtsamer, sprechen z.B. mutiger und positiver eingestellt als sonst jemanden an oder fahren ängstlicher und vorsichtiger. Entscheid ist, wie eine Prognose vorgetragen wird, z.B. destruktiv oder positiv aufbauend. 

 

Ängste spielen eine entscheidende Rolle, ebenso wie das Nachahmungsverhalten. Während der sogenannten "COVID-19-Pandemie" kauften Einzelpersonen aus Angst vor einer möglichen Lebensmittel- und Versorgungsgüterknappheit große Mengen an Hygieneartikeln - insbesondere Toilettenpapier - und unverderbliche Lebensmittel (wie z.B. Nudeln) auf, wodurch sich ein Dominoeffekt abspielte: Die Nachfrage überstieg die Leistungsfähigkeit der Lieferketten, was den Eindruck einer tatsächlichen Knappheit erzeugte. Dies wiederum bestärkte die Auslöser in ihrer ursprünglichen Annahme.

 

Menschen, denen man etwas von bestimmten Symptomen und angeblich "meterhohen Leichenbergen" erzählte, fühlten sich nachfolgend tatsächlich krank oder verhielten sich übervorsichtig. Auch konnte man während der sogenannten "COVID-19-Pandemie" beobachten, dass Menschen, die trotz einer angeblich "schützenden", wirkungsvollen" entsprechenden Impfung trotzdem an Covid erkrankten, ihre Überzeugung bekundeten, dass es ihnen ohne die (faktisch wirkungslose / nicht schützende) Impfung sonst angeblich "noch viel schlechter" gegangen wäre.

 

Menschen, die aufgrund der Impfung gesundheitliche Schäden erlitten, führten ihren Schaden (z.B. Herzinfarkt, Schlafanfall, Trombose, Behinderung etc) ursächlich nicht auf die besagte Impfung zurück, sofern sie an die Aussagen der Pharma-Industrie sowie von Politik und Medien glaubten, dass diese in Bezug auf Nebenwirkungen damals noch unerforschte Impfung angeblich nicht schädlich, sondern sogar "hilfreich" sei. Selbstwertdienlich verzerrend hielten viele der Geschädigten oder der Angehörigen von Verstorbenen auch viel später noch an diesem Glauben als ihre feste Überzeugung fest. Denn sowohl der Glaube als auch der soziale Einfluss spielen diesbezüglich eine bedeutende Rolle.  

 

Ausrichtung des Vorhersagenden und des Erfüllenden

Die selbsterfüllende Prophezeiung bezieht sich nicht nur auf die Erfüllung durch die Person, der eine Prognose suggeriert wird - und die an diese Vorhersage glaubt, sondern auch auf das Verhalten des Prognostizierenden oder Beurteilers selbst:

Dies beginnt bereits bei der Verhaltensbeobachtung, umfasst die Interpretation des beobachteten bzw. unterstellten Verhaltens sowie verbal oder nonverbal geäußertes oder unterlassenes Feedback und reicht bis hin zu direkten oder indirekten Prognosen, die eben auf einer bestimmten Erwartungshaltung basieren, die den Beurteiler selbst beeinflussen, aber eben auch die beobachtete bzw. beurteilte Person, die ihr Verhalten dann entsprechend der Verhaltenserwartung der anderen ausrichtet.

 

Das Verhalten kann bewusst oder unbewusst erfolgen, im Tun oder Unterlassen liegen. Allein die Erwartungshaltung einer anderen Person ist entscheidend, sofern sie irgendwie (über entsprechendes Verhalten) von der betreffenden Person wahrgenommen wird. Dazu reicht allein die soziale Interaktion: In der sozialen Interaktion teilen wir anderen bewusst oder unbewusst mit, welches Bild wir von ihnen haben. Damit beeinflussen wir in erheblichem Maße ihr Selbstbild. 

 

Fazit:

Wird jemandem mehr oder weniger offen eine gewisse Erwartungshaltung entgegengebracht, steigt automatisch die Wahrscheinlichkeit, dass dich der andere entsprechend dieser Erwartungshaltung verhält.

 

Selbsterfüllende Prophezeiung in der Erziehung

Insbesondere Kinder sind besonders beeinflussbar durch das Urteil anderer Personen, denn das Selbstbild des Kindes hängt entscheidend von der Meinung seiner Bezugspersonen ab und richtet sein Verhalten weitgehend nach dem aus, was von ihm erwartet wird.

 

So hat zum Beispiel ein Erzieher eine gewisse Erwartung an das Verhalten eines Kindes, an die das Kind sich mehr oder weniger anpasst. Wird z.B. ein Heimkind einmal bei einem Diebstahl ertappt, wird es bei jedem weiteren Diebstahl immer als erstes gefragt und verdächtigt. Das Kind lernt, dass das Thema Diebstahl in einem direkten Zusammenhang mit ihm selbst steht und fügt sich diesem Zusammenhang. Schließlich wird das Kind irgendwann nicht mehr anders können als die Erzieher ohnehin erwarten. 

  

Gegenteil ebenso möglich: Die selbstzerstörende Prophezeiung (self-defeating prophecy)
Das Gegenteil der selbsterfüllenden Prophezeiung ist die selbstzerstörende Prophezeiung (englisch self-defeating prophecy). Diese löst Reaktionen aus, die zur Folge haben, dass die Prognose gerade nicht in Erfüllung geht. Sie ändert das menschliche Verhalten im Vergleich zu dem Weg, den es ohne die Prophezeiung genommen hätte, auf eine Weise, dass sie sich nicht erfüllt. Die Prophezeiung zerstört sich quasi selbst. 

 

Begriffs- und Konzeptentstehung und - verwendung

Bereits im Jahr 1911 verwendete Otto Neurath den Begriff der selbsterfüllenden Prophezeiung. Das entsprechende Konzept wurde von dem Soziologen Robert K. Merton im Jahr 1948 zur Erklärung der Auswirkungen bestimmter Einstellungen und Handlungsweisen analysiert ausgearbeitet. In einem wegweisenden Artikel beschrieb Merton den Mechanismus der selbsterfüllenden Prophezeiung wie folgt:

 

„Die selbsterfüllende Prophezeiung ist anfänglich eine falsche Bestimmung der Situation, sie verursacht [aber] ein neues Verhalten, das bewirkt, dass die ursprünglich falsche Auffassung richtig wird. Die vordergründige Gültigkeit der selbsterfüllenden Prophezeiung führt eine Herrschaft des Irrtums fort. Denn der Prophet wird den tatsächlichen Gang der Dinge als Beweis dafür anführen, dass er von Anfang an recht hatte.“

 

Anhand von exemplarischen Fällen demonstrierte Merton wie das soziale In-Erscheinung-Treten einer Prognose die ausschlaggebende Ursache dafür wird, dass diese Prognose wahr wird. So kann unter geeigneten Umständen das Auftauchen des Gerüchts (z.B. über Finanznot einer Bank) zu deren tatsächlichem Zusammenbruch führen, weil aus Angst vor Verlust ihres Geldes nachfolgend die Banken stürmen, um vermeintlich zu "retten", was zu retten ist. 

 

Das Verhalten verläuft völlig unabhängig davon, ob das besagte Gerücht anfangs objektiv begründet ist oder nicht. Jede öffentliche Verbreitung von Vorhersagen oder auch von Warnhinweisen vor möglichen Ereignissen kann zu erwünschten oder unerwünschten Änderungen in den Verhaltensweisen der Empfänger dieser Informationen führen, die selber den prognostischen Gehalt dieser Informationen verstärken oder reduzieren. Gut bekannt ist dies auch bei Wahlprognosen.

Weitere Zusammenhänge

Angst

Befürchtungen und Ängste spielen hier auch eine Rolle. So führt z.B. allein die Angst vor Stürzen bei Senioren zu einer höheren Zahl von Stürzen. Ebenso ist dies bei Versagensangst: Der Glaube an die Vorhersage „Bei diesem Leistungstest werde ich versagen“ führt zu so verschlechterten Leistungen, dass das Vorhergesagte eintritt. Zu dieser Interpretation kann es auch kommen, selbst wenn die Person objektiv in der Lage ist, mit der Herausforderung angemessen umzugehen.

 

Rosenthal Effekt & Pygmalion-Effekt /
Versuchsleiter(erwartungs)effekt / Versuchsleiter-Artefakt 

Ein klassisches Experiment zur selbst erfüllenden Prophezeiung in der Erziehung wurde 1968 von Robert Rosenthal an US-amerikanischen Grundschulen durchgeführt: Zunächst überzeugte Rosenthal das Lehrer-Kollegium mit einem Scheintest davon, dass bestimmte, von ihm zufällig ausgewählte Schüler angeblich hochintelligente "Überflieger" -  sogenannte „Aufblüher“ seien, die - so die Prognose - in Zukunft hervorragende Leistungen zeigen würden.

Was war das Ergebnis dieser Täuschung? Bei einer Intelligenzmessung am Schuljahresende hatten sich die meisten dieser Schüler im Vergleich zu ihrem - am Anfang des Schuljahres erfassten - Intelligenzniveau tatsächlich stark verbessert. Die Prognose hatte sich erfüllt. 45 Prozent der als „Überflieger“ bzw.  „Aufblüher“ ausgewählten Kinder konnten ihren IQ um 20 oder mehr Punkte steigern und 20 Prozent konnten ihn gar um 30 oder mehr Punkte steigern.

 

Seitdem spricht man vom sogenannten Rosenthal-Effekt, der auch als "Pygmalion-Effekt" bezeichnet wird. Der Begriff "Pygmalioneffekt" stammt aus der griechischen Mythologie. In der Psychologie ist damit gemeint, dass Menschen z.B. Schüler, die der Lehrer – egal aus welchen Gründen - für (sehr oder besonders) intelligent hält, besonders oder besser gefördert werden und daher (gerade deshalb) größere Fortschritte machen als die anderen Schüler, die der Lehrer als normal oder weniger intelligent einstuft.

 

Dieser Effekt spielt auch in Bewerbungsverfahren und Personalauswahlprozessen eine Rolle. Ob es nun um eine bessere Förderung von Schülern zum Wohle einer Prognose geht oder um sonstigen Selbstbetrug, damit sich eine bestimmte Erwartung erfüllt z.B. durch Veränderung einer Bewertungs-Skalierung. Wichtig ist der Glaube.

 

In einem Laborexperiment (Klassisches Experiment von Robert Rosenthal und K. L. Fode wurden zwölf Studenten jeweils fünf Laborratten gegeben. Der einen Hälfte der Studenten wurde mitgeteilt, dass ihre Ratten darauf hin gezüchtet wurden, einen Irrgarten besonders schnell zu durchlaufen, während der anderen Hälfte der Studenten mitgeteilt wurde, dass ihre Ratten auf besondere Dummheit hin gezüchtet wurden.

 

Obwohl die Ratten in Wirklichkeit alle vom gleichen Stamm kamen, zeigten jene Ratten, zu denen mitgeteilt wurde, dass sie intelligent seien, deutlich bessere Leistungen als die Ratten in der Kontrollgruppe. Die jeweiligen Projektionen (siehe Projektionsfehler) hatten die Leistung der Ratten beeinflusst.

 

Aber natürlich auch die Wahrnehmung, Einschätzung und Messung der Beobachter und der Versuchsleiter. Daher spricht man hier auch vom sogenannten "Versuchsleiter(erwartungs)effekt" oder "Versuchsleiter-Artefakt". Der Effekt besagt, dass sich Erwartungen, Einstellungen, Überzeugungen sowie Stereotype eines Versuchsleiters (oder eines Vorgesetzten oder Erziehers) im Rahmen einer selbsterfüllenden Prophezeiung (siehe oben) auf das Ergebnis (des Experiments, der wahrgenommenen Leistung) auswirken.

 

Dieser Mechanismus spielt auch in Bewerbungsverfahren und Personalauswahlprozessen eine Rolle: Glaubt ein Personalentscheider nämlich, dass ein bestimmter Bewerber bzw. eine bestimmte Eigenschaft eines Bewerbers (z.B. eine konkrete Ausbildung, ein bestimmtes Alter etc.) in jedem Falle besser für die Stelle geeignet sei als die Mitbewerber, wird er ihm während des Interviews bewusst oder unbewusst Steine aus dem Weg räumen, ihm leichtere Fragen stellen oder sonst wie auch immer automatisch protegieren. So schneidet der Bewerber tatsächlich besser ab und bekommt den Job, ganz der Erwartung entsprechend.

 

Insofern realisiert sich hier eine Art der Selbsterfüllenden Prophezeiung, nur mit dem Unterschied, dass nicht der Beobachtete sich in Richtung der jeweiligen Erwartung verändert, sondern die beobachtende Person. In diesem Kontext könnte man hier auch von einem Beobachtungsfehler sprechen.

 

 

Placebo-Effekt
Unter Placebos versteht man Tabletten ohne Wirkstoff. Sie werden in der Medizin eingesetzt, um eine erwartete Wirkung auf psychologischem Wege beim Patienten zu erzielen. Analog zum Placebo-Effekt gibt es den Nocebo-Effekt: Durch die Erwartung, ein (vermeintliches) Arzneimittel werde schädliche Wirkungen haben, kann diese Wirkung eintreten – eine schädliche Nebenwirkung wird durch die negative Erwartung ausgelöst oder verstärkt. Pessimistische Grundeinstellungen, schlechte Erfahrungen oder Ängstlichkeit können dazu führen, dass Patienten eine negative Wirkung erwarten.

 

Andorra-Effekt

Der Andorra-Effekt besagt, dass sich Menschen oft an die Beurteilungen und Einschätzungen durch die Gesellschaft anpassen.

 

Baskerville-Effekt

Studien zeigen, dass Amerikaner chinesischer und japanischer Abstammung besonders häufig am 4. Tag eines Monats einem Herztod erliegen. Dies wird auf die 4 als Unglückszahl in entsprechenden Kulturen zurückgeführt, was in chinesischen Kreisen daher rührt, dass sich die Aussprache von „4“ und „Tod“ im Chinesischen sehr ähnlich sind.

 

Skalierungsfehler

Bei der Einschätzung einer Person oder einer Sache nutzt die einschätzende Person zwar die gleiche Bewertungs-Skala, jedoch nicht faktisch, sondern durch den persönlichen Eindruck getönt. Alternativ verändert er die Skalierung oder die Bewertung der Skalierung entsprechend seiner Erwartungshaltung. Diese Veränderung muss nicht bewusst erfolgen. Sie erfolgt zumeist unbewusst. Zumeist wird die Skalierung so verschoben, dass sich die eigene Erwartung schließlich erfüllt.

 

YAVIS-Prinzip / Yavis-Syndrom

Der Begriff wurde als Akronym von Professor William Schofield (University of Minnesota) geprägt, wobei das "Y" steht für "jung", das "A" für "attractive", das "V" für "verbal", das "I" für "intelligent" und das "S" für "successful" steht.

 

Untersuchungen zeigten auf, dass Menschen, die o.g. YAVIS-Eigenschaften aufweisen bzw. Personen, denen diese Eigenschaften unterstellt werden, sowohl begünstigt, als auch bevorzugt behandelt und beurteilt werden. Personen, die nach dem Yavis-Prinzip wahrgenommen werden, unterstellt man unbewusst, dass sie automatisch motivierter, engagierter, genauer und besser arbeiten.

 

Ärzte und Therapeuten verbinden bei Patienten, die das Yavis-Prinzip erfüllen, zugleich die Hoffnung bzw. Erwartung,  sie seien gesünder und eine Behandlung, so sie denn überhaupt erforderlich ist - wirksamer bzw. erfolgversprechender. Zusätzlich wird eine bessere Zusammenarbeit unterstellt, was zugleich den Erfolg mit beeinflusst.

 

Ursächlich ist das Bedürfnis unseres Gehirns nach schnellen ökonomischen Entscheidungen. Aus dem YAVIS-Prinzip leitet sich umgekehrt das HOUND-Prinzip ab, wobei "H" für "homely", "O" für "unsuccessful", "N" für "nonverbal" und "D" für "dumb" steht. Beide Prinzipien bzw. Syndrome basieren auf stereotypen Annahmen und Kopplungen sowie auf den daraus resultierenden Erwartungen.

 

Beim Yavis-Syndrom geht es folglich darum, dass auf Basis bestimmter (erster) subjektiver Eindrücke bei der Personenbeobachtung - ähnlich wie bei der "stereotypisierten Kopplung" - automatisch bestimmte Erwartungen abgeleitet (und nicht hinterfragt) werden, die einen Wahrnehmungsfehler darstellen. Bei der stereotypisierten Kopplung werden Charaktereigenschaften, die in keinem real abhängigen Zusammenhang stehen, mit einer entsprechend logisch scheinenden unterstellten Annahme und Erwartung automatisch miteinander verknüpft:

 

Wer z.B. sauber und gepflegt ist, ist im Rahmen des Wahrnehmungsfehlers der "stereotypisierten Kopplung" der allgemeinen Auffassung nach zugleich auch höflich. Wer höflich ist, ist dann auch gebildet. Wer eine Brille trägt, ist intelligent. Wer intelligent ist usw. Da die Stereotypisierte Kopplung, die auf Stereotypen basiert (und daher auch dem Bereich Social Cognition zugeordnet werden kann) auf einer unterstellten Erwartung basiert, wird der Effekt hier ebenfalls der Rubrik Erwartungsfehler zugeordnet.

 

Zur Abgrenzung: Beim "Yavis-Prinzip" geht es allerdings weniger um die Verknüpfung bestimmter Charaktereigenschaften, sondern auf optisch wahrgenommene bzw. subjektiv unterstelle Zustände und Eigenschaften einer Person, konkret um ein "junge" Alter", eine hohe "Attraktivität", eine gute Kommunikationsfähigkeit sowie um "Intelligenz" und "Erfolg" - Zustände und Eigenschaften, die generell bereits sehr subjektiv wahrgenommen werden.

 

Tatsächlich geht es hier nicht um die Objektivität dieser angenommenen Zustände und Eigenschaften, sondern um den nach außen wahrgenommenen (ersten) Eindruck, den Personen bei Beobachtern hinterlassen, folglich um das Image. 

 

Image bezeichnet das Vorstellungsbild, das Menschen von einer Person (oder auch einer Organisation oder einer Sache) haben. Mit Hilfe unserer Vorstellungskraft (= Phantasie) formen wir in unserem Gehirn aufgrund bereits weniger Informationen und/oder Annahmen ein ganz bestimmtes Bild, mit dem zugleich eine bestimmte Bedeutung verbunden ist. Dabei handelt es sich nicht etwa um ein realistisches Abbild z.B. von einer Person, so wie die Person wirklich ist, sondern um eine subjektive Unterstellung. Auf dieser Unterstellung basieren alle weiteren Wahrnehmungen, Meinungen und Erwartungen sowie sämtliche Denk-, Beurteilungs- und Entscheidungsprozesse.

 

Image ist in so fern ein subjektiv gewertetes Bild der Wirklichkeit. Ein Image kann man (unbewusst) haben oder aber bewusst und geplant konstruieren. Ein solches Konstrukt, das z.B. im sogenannten "Image-Engineering" zielgerichtet entwickelt werden kann, basiert auf bewusstem Verhalten und Unterlassen, auf Wahrnehmungen, den dabei entstehenden Beobachtungs-, Wahrnehmungs-, Beurteilungs- und Denkfehlern und deren gezielten Beachtung und ggf. Nutzung.

 

Die Vorstellungen von einer Person, Organisation oder Sache basieren nicht nur allein auf der Gesamtheit der subjektiv gewerteten Vorstellung und Meinung anderer, sondern auch auf dem konkretem Verhalten der wahrgenommenen Person bzw. dem wahrgenommenen Verhalten der Personen, die eine wahrzunehmende Sache imagegerecht (= zum Markt bzw. zum Entscheider passend) präsentieren und ggf. geschickt in Szene setzen.

 

Dies erfolgt z.B. durch Erscheinungsbild, Körpersprache (Aussehen, Kleidung, Frisuren, Accessoires, Düfte/Gerüche etc.), Mimik (z.B. Gesichtsausdruck, Blick, Blickkontakt etc.), Gestik (Körperhaltung, Bewegungen, Gang, Händedruck etc.), was man sagt (Sprache z.B. Ansprache, Wortwahl, Satzbau, Füllwörter, Floskeln) und wie man etwas sagt (Sprechweise z.B. Stimmführung, Stimmklang, Sprechmelodie, Betonung, Tonhöhe, Artikulation, Sprechtempo) und nicht zuletzt die gesamte Peripherie, die einen umgibt (z.B. Kulisse, Auto etc.). Vorausurteile über Vorinformationen (z.B. Name, Anschrift, Alter, Ausbildung, Beruf etc) zu einer Person zählen ebenfalls dazu.

 

Hier zählt insbesondere der "Erste Eindruck" (Primacy Effect), der nachfolgend separat unter "Perpetuierender Wahrnehmung" ebenfalls beschrieben wird. 

 

Fakt ist: Niemand kann einem hinter den Kopf schauen. Niemand weiß, wie man wirklich ist. Man nimmt es lediglich an, deutet, interpretiert und schlussfolgert. Dennoch sendet man wichtige Signale, die auf eine ganz bestimmten Verhalten basieren, das auf entsprechendem Tun oder Unterlassen sowie auf ganz konkreten Verhaltensweisen basiert, die einen von anderen unterscheiden oder denen anderer ähnlich sind.  Das Aussehen gehört ebenso dazu: Sich zu kleiden, zu frisieren, zu stylen, seinen Körper zu pflegen, zu trainieren und zu schmücken ist auch Verhalten. Dies spricht Bände, zumindest in den Augen anderer, die einen bewusst oder unbewusst einschätzen, einstufen und in irgendwelche klischeemäßigen Raster packen. Dieses Rastern basiert auf gehirnökonomischen Ursachen.

 

Wie man auf andere wirkt, entscheidet unser aktives und passives Verhalten stets im Hinblick auf individuelle Wahrnehmungen, Wahrnehmungs- und Denkprozesse und entsprechende Wahrnehmungsfehler. Verantwortlich für ein sich manifestierendes Bild, das stets mit Hilfe unserer Vorstellungskraft (Phantasie) entsteht, sind sozialisierte Denkmuster und die starke Wirkung audiovisueller Eindrücke (Reize) auf unseren Denkprozess, aber auch individuelle Einstellungen, Wertvorstellungen, Wünsche, Gefühle und Bedürfnisse.

 

Für jeden, der viel mit Menschen zu tun hat oder dessen Erfolg von menschlichen Entscheidungen (z.B. Wahl / Wählerstimme, Bewerbung / Einstellungsentscheidung, Kauf / Kaufentscheidung etc.) abhängt, ist es nützlich, die wirkliche Einschätzung durch andere Menschen zu kennen und ggf. zu lenken. Selbsterkenntnis ist in sofern die unbedingte Voraussetzung für erfolgreiches Handeln und ein wesentlicher Schlüssel zum persönlichen, beruflichen und geschäftlichen Erfolg. Schließlich gilt die Devise: „Wie Du kommst gegangen, so wirst Du auch empfangen".

 

Wie bereits erwähnt, ist unsere Meinungsbildung extrem subjektiv, so auch die Einschätzung von Menschen. Einschätzungen von Personen basieren stets auf einseitigen subjektiven Wahrnehmungen und Empfindungen, die sich zumeist bereits in Bruchteilen von Sekunden zu einem pauschalen Bild manifestieren, auf dem dann alle weiteren nachfolgenden Wahrnehmungen und Einschätzungen basieren. So entsteht eine „Meinung“. Diese ist war keine „Erkenntnis“, stellt aber eine ganz persönliche „Wahrheit“ bzw. "Überzeugung" einer Person dar.

 

Meinungen  und daraus resultierende ganz persönliche Wahrheiten sind immer subjektiv und stellen natürlich keine Erkenntnis  über den wirklichen Charakter einer Person dar. Entsprechende Aufschlüsse können lediglich detaillierte Testungen geben. Auf diesen subjektiven persönlichen Meinungen bzw. individuell persönlichen Wahrheiten basiert jedoch die gesamte Einschätzung, das Image (Abbild) einer Person. Wahrnehmungspsychologisch bzw. image- oder meinungsmarkttechnisch betrachtet, ist es also nicht entscheidend, wer oder wie man selbst wirklich ist, sondern auch wie man nach außen / auf andere wirkt. Dies basiert wiederum auf kleinen, kurzen und oberflächlichen Aussehens- und Verhaltensausschnitten, die man bewusst oder aber zumeist unbewusst von sich nach außen zeigt.

 

Bewusste bzw. gelernte/gewohnte Verhaltensmuster, die wir uns im Laufe unseres Lebens angeeignet haben und die wir aufgrund des Lernprozesses prinzipiell für richtig halten spielen eine ebenso große Rolle wie unsere unbewussten Handlungen, die einen wesentlich größeren Teil ausmachen. Hinzu kommt, dass auch unsere bewussten Handlungen von unserem Unterbewusstsein sehr stark beeinflusst werden. Ähnlich bzw. mit dem Effekt korrelierend wirkt der Pygmalioneffekt.

 

Selbstwirksamkeitserwartung / Self-efficacy / Perceived self-efficacy

Der Glaube, bestimmte Ziele erreichen zu können, wirkt ähnlich wie die Selbsterfüllende Prophezeiung. Nur mit dem Unterschied, dass sich hier die Erwartungen der handelnden Person an sich, die fest an sich selbst glaubt, auch ohne mögliche äußere Einflüsse und Prognosen von außen erfüllen, so dass ihre Ziele besser erreicht werden. Das Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung (SWE) (perceived self-efficacy) (nach Albert Bandura) basiert nicht auf der Erwartung anderer, sondern auf der eigenen Erwartung und beschreibt die positiven Auswirkungen des Glaubens an sich selbst.

 

Der bekannte Spruch "Glaube versetzt Berge" ist nicht nur etwa eine leere Redewendung, sondern trifft zu: Ein Mensch, der fest daran glaubt, selbst etwas aus sich heraus zu bewirken und auch in schwierigen Situationen selbstbestimmend handeln zu können, hat demnach eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung und dadurch Vorteile. Die Selbstwirksamkeitserwartung führt dazu, dass sich die Erwartung erfüllt. Detail-Infos