Wissen: Borderline

Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) - Borderline-Syndrom

(inkl. Abgrenzung von cholerischem Temperament, von narzisstischer und antisozialer Persönlichkeitsstörung) 

Fachwissen Borderline-Syndrom, Borderline-Persönlichkeitsstörung: Symptome, Problematik, Diagnose und Behandlung von Borderline

Definition

Bei der Borderline-Störung handelt es sich um eine schwerwiegende psychiatrisch relevante Persönlichkeitsstörung, die durch Impulsivität und Instabilität von Emotionen und Stimmungen charakterisiert ist, die eigene Identität und das zwischenmenschliche Beziehungsleben umfasst und die häufigste Ursache für Misserfolge im sozialen Kontext darstellt.

 

Unterscheidbar ist zwischen Borderline-Verhalten (z.B. Heraushören der Beziehungsebene und starke emotionale Reaktion auf bestimmte Reize bzw. Trigger) und einem regelrechten Störungsbild.

 

Eine Störung geht mit teilweise heftigen Stimmungs- und Gefühlsschwankungen einher, was zu extremer innerlicher Anspannung führen kann, die von den Betroffenen oft mit impulsiven und letztendlich selbstschädigenden Verhaltensweisen zum Zwecke der Spannungsminderung kompensiert werden. "Borderline" steht für den Grenzgang zwischen Neurose und Psychose. Es handelt sich um eine Unterform der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung.

 

Symptome / Erleben / Problematik
Menschen mit einer Borderline-Störung fühlen sich innerlich zerrissen, haben ein gestörtes Selbstbild, eine Selbstwert-Problematik und ggf. eine gestörte Körperwahrnehmung (siehe dazu auch "Dysmorphophobie" / KDS). Ggf. leiden Sie unter Ängsten vor dem Alleinsein und instabilen Beziehungen, die auf ihr Verhalten (z.B. Wutausbrüche) zurückzuführen sind, ebenso auf dem Denken, bei erlebten bzw. subjektiv gefühlten Widersprüchen, missachtet, ungerecht behandelt oder gemobbt zu werden. Dieses Denken basiert auf einer hohen Sensibilität, eingeschränkter Ambiguitätstoleranz - der Fähigkeit, Widersprüche locker zu ertragen - und einer gestörten Impulskontrolle. Insofern sind Borderline-Typen schnell "triggerbar".

 

Menschen mit einer Borderline-Symptomatik außerhalb des klassischen Störungsbildes

Ebenso schnell triggerbar sind auch Menschen mit einer Borderline-Symptomatik außerhalb einer klassischen Borderline-Störung. Auch sie reagieren übersensibel. Aussagen anderer decodieren diese ebenfalls auf der Beziehungsebene. Auch solche Menschen hören aus normalen sachlichen Aussagen schnell - auf sie selbst bezogene - Negativ-"Botschaften", Positiv-Negativ-Vergleiche, angebliche "Übergrifflichkeiten" sowie vermeintliche Abwertung oder Ablehnung heraus - und lassen sich von derartigen Falsch-Interpretation genauso wenig abbringen wie narzisstische Rechthaber, die außer ihrer Wahrnehmung und Meinung nichts bzw. ungern anderes gelten lassen und Konflikte quasi vorprogrammiert sind. Zurück zur klassischen Borderline-Störung:

 

Typen / Subtypen
Bei der Borderline-Störung unterscheidet man zwei Borderline-Typen: Den launischen bis impulsiven impulsorientierten externalisierten (nach außen gerichteten) Borderline-Typ, der vor allem durch leichte Reizbarkeit, Impulsivität und unberechenbare Reaktionen auf Trigger auffällt - und dessen Aggression sich gegen Andere richtet - und auf der anderen Seite den stillen oder sogar depressiven internalisierten (nach innen gerichteten) Borderline-Typ, der vor allem durch ein gestörtes Selbstbild geprägt ist und die Schuld für Misserfolge eher sich selbst zuschreibt.

 

Beide Typen schaden sich selbst: Die einen mittelbar über die unbewusste Suche eines (logischerweise folgenreichen) Konfliktes mit Anderen (Umwelt / soziales Umfeld), die anderen unmittelbar auf sich selbst bezogen (Essstörung, Dysmophophobie und entsprechende "Schönheits"-OP´s oder auffällige bis extreme Tätowierungen und andere Formen der Selbstverletzung).

 

Externalisierte Typen, welche die Schuld bei Anderen (soziales Umfeld) suchen und Andere verbal oder körperlich angreifen, schaden sich aufgrund ihres reizbaren, schnell zu triggernden impulsiven external aggressiven Verhaltens mittelbar durch konfliktträchtiges Reaktionsverhalten (z.B. Streit mit Kollegen oder Chef führt logischerweise zu entsprechenden Reaktionen der Kollegen oder des Chefs und damit zum Gefühl von Ausgrenzung oder Mobbing oder alternativ zur Kündigung), während sich internalisierte Typen, welche die Schuld bei sich selbst sehen, unmittelbar selbst Schaden zufügen und sich ggf. selbst verletzen.

 

Nach innen gerichtete Subtypen sind a) die Stille Form der Borderline-Störung und die b) Depressive oder selbst-destruktive Form der Borderline-Störung. Nach außen gerichtete Subtypen sind c) die petulante oder launische Form der Borderline-Störung und die impulsiv-aggressive Form der Borderline-Störung.  Detaillierte Erklärung im Video zu den Subtypen bei cycology / YouTube.com

 

Neben Spannungszuständen verspüren Menschen mit einer internalisierten (nach innen gerichteten) Borderline-Störung auch intensive Emotionen wie Schuld, Scham, Ohnmacht und Selbstverachtung, während externalisierte (nach außen ausgerichtete) Borderline-Typen durch ausgeprägte Impulsivität (z.B. Wutausbrüche) und spontan aggressives Verhalten gegenüber Anderen auffallen. Eine Sonderform der externalisierten Borderline-Störung, ist die Naiv-aggressive Persönlichkeitsstörung.

 

Impulskontrolle

Bei Borderline-Persönlichkeiten ist die Impulskontrolle gestört (siehe dazu auch Impulskontrollstörung). Das Zusammenspiel von Angst und Wut führt zu teils heftigen Gefühlsausbrüchen. 

 

Wut (Hot Anger vs Cold-Anger)

Über die Art der Wut lassen sich Borderline-Persönlichkeiten von narzisstischen und antisozialen Persönlichkeiten unterscheiden. Obgleich diese drei Störungsbilder gewisse Überschneidungen aufweisen, kann man sie relativ gut anhand ihres Wutausdrucks unterscheiden, wodurch auch der psychologische interessierte Laie die Möglichkeit hat, abzuschätzen, welche Charakterakzentuierung vorliegt (z.B. wenn er sich in einer Partnerschaft permanent den Wutausbrüchen seines Gegenübers ausgesetzt sieht).

 

Hierzu ein YouTube-Video von Psychotherapie Ruland mit dem Titel "Wie man Borderliner, Narzissten und Antisoziale Menschen an ihrer Wut erkennen kann". Zu Beginn des Videos werden verschiedene Wutbegriffe der allgemeinen Emotionspsychologie dargestellt: Die "heiße Wut" ("Hot Anger") als Wut mit hohem aggressivem emotionalem Ausdruck und die "kalte Wut"  ("Cold Anger"), die sich mehr über Verachtung äußert. In Video wird a) auf die Borderline Wut eingegangen, die eine impulsive Verteidigungswut dargestellt, auf b) die zynisch, verachtende narzisstische Wut und c) die delinquente und gewalttätige Wut antisozialer Persönlichkeiten. 

 

Sensibilität & Reizbarkeit

Menschen mit Borderline sind sensibel und reagieren oft gereizt auf bestimmte Trigger. Die erleben bestimmte Situationen (z.B. Aussagen) stärker als Andere und hören über das "Beziehungs-Ohr" (Schulz von Thun) Vorwürfe, Unterstellungen und Angriffe heraus, die objektiv gar nicht da sind. Darauf reagieren sie hoch emotional (Angst + Wut) und impulsiv, ganz besonders stark bei tatsächlichen Vorwürfe, Unterstellungen, Angriffen und dominantem Verhalten Anderer. Eine derartige Sensibilität und Reizbarkeit wird auch bei Narzissten beobachtet.

 

In kommunikativen Situationen decodieren sie Informationen und Nachrichten mit dem "Beziehungs-Ohr" auf der "Beziehungsebene" (Schulz von Thun), wodurch es aufgrund ihrer Sensibilität und instabilen Gefühlswelt ihrerseits zu Fehlinterpretationen (Überinterpretationen) und unangemessenen kommunikativen Reaktionen kommen kann, was das Sozial- und Beziehungsleben (durch Konflikte) erheblich erschwert.

 

Umdeutung & Defensiv-Attribution

So provozierte bzw. ausgelöste Konflikte werden nicht selten selbstwertdienlich als vermeintliches "Mobbing" gedeutet und externalen Ursachen bzw. anderen Menschen zugeschrieben. (Siehe Defensive Attribution).

 

Probleme im Beziehungsleben
Die eigene Gefühlswelt wie auch das impulsive Verhalten beeinflussen das Beziehungsleben. Die großen Schwankungen des Selbstwertgefühls erschweren eine zufriedenstellende Beziehung. Die Angst vor dem Verlassenwerden ist ein zentraler Aspekt der Erkrankung und kann bei einigen Typen ein existentielles Ausmaß annehmen.

 

Häufig besteht ein Nebeneinander von Sehnsucht nach Geborgenheit und stark ausgeprägter Angst vor sozialer Nähe. Schließlich treten im Zusammenwirken mit Anderen häufig erlebte Widersprüche, Schwierigkeiten und Konflikte auf, die externale Borderline-Persönlichkeiten selbst geradewegs provozieren - ohne, dass es ihnen selbst bewusst ist. 

 

Die eigene Gefühlswelt sowie die ständigen scheinbaren Unsicherheiten im zwischenmenschlichen Bereich, führen zu Spannungszuständen. Oft scheitern partnerschaftliche Beziehungen, weil der gesunde Partner mit den Gefühls-, Stimmungs- und Selbstwertschwankungen des Borderline-Betroffenen nicht zurechtkommt. 

 

Derealisationen / Depersonalisation

Manche Borderline-Betroffene erleben sogenannte Derealisationen oder Depersonalisationen. Bei einer Derealisation wird die Umwelt als fremd und / oder unwirklich wahrgenommen. Bei einer Depersonalisation empfinden die Betroffenen ihr eigenes Ich als fremd. Ihre Gefühle erscheinen ihnen wie losgelöst von ihrer Person.

 

Umschwünge

Ein weiteres Anzeichen für Borderline ist das „Schwarz-Weiß-Denken“ in Bezug auf Sachverhalte und/oder Mitmenschen. Hier kommt es zu plötzlichen Umschwüngen: So können Borderline-Betroffene bestimmte Personen zunächst regelrecht idealisieren, um sie dann bei der kleinsten enttäuschten Erwartung extrem abzuwerten. 

 

Ursachen von Borderline

Angeblich ursächlich für eine Borderline-Störung ist das Zusammenspiel zwischen genetischen Faktoren und frühen traumatischen Erfahrungen. So berichten gemäß entsprechender Studien etwa über die Hälfte der Betroffenen von schwerwiegendem Missbrauch und über 60% von emotionaler Vernachlässigung, die auch mit einer bestimmten (negativen) Art und Weise der elterlichen Kommunikation im Zusammenhang  steht. 

 

Andere Studien sprechen davon, dass sich in der Biografie der Betroffenen besonders häufig sexuelle Gewalterfahrungen (65%) und/oder körperliche Gewalterfahrungen (60%) und/oder schwere Vernachlässigung (40%) finden. Ob es sich um eine reale oder subjektiv interpretierte Vernachlässigung handelt, spielt dabei ebenso wenig eine Rolle wie die Frage, ob es sich um eine Zeitliche oder eine kommunikative Vernachlässigung handelt. Ebenso wenig spielt das Maß der traumatischen bzw. lediglich "traumatisch" erlebten Erfahrung eine Rolle, schließlich erleben unterschiedliche Persönlichkeits-Typen dies jeweils unterschiedlich.

 

Die Subjektivität der Erfahrung spielt eine große Rolle: Mehr mehr liebt, hat nun mal höhere Erwartungen und Ansprüche an sein Gegenüber bzw. seine Bezugsperson und fühlt sich schneller ungeliebt als Andere. Wer sensibel ist braucht eine sensiblere Kommunikation. Hier kann ein Missbrauch bereits durch ungeschickte, ungünstige oder falsche Kommunikation erfolgen. Wie auch immer: Fast alle Betroffenen berichten über ein bestimmtes soziales Umfeld, in welchem sie sich in hohem Maße als fremd, gefährdet und gedemütigt erlebt haben.

 

Auch hier spielt die entsprechende Kommunikation der Eltern zum Kind eine bedeutende - ja entscheidende - Rolle. Hört man dem Kind zu? Oder wird stattdessen mit sogenannten  "Gesprächsstörern" und / oder "Gesprächskillern" kommuniziert. Ist die Kommunikation der Eltern verständnisvoll, respektvoll, gewaltlos und anerkennend - oder eher gegenteilig: Oberflächlich, lieblos, vernachlässigend, ignorant, respektlos, demütigend, kontrollierend, bestimmend, fordernd oder aggressiv? 

 

 

Die Ursachen von Borderline sind zwar vielschichtig; unserer Erfahrung nach liegen sie aber zumeist bei negativen traumatisierende Erfahrungen in der Kindheit / Jugend / Pubertät - insbesondere durch den Umgang bzw. die konkrete Art und Weise der Kommunikation der Eltern mit dem Kind / Jugendlichen sowie in Vernachlässigung und Missbrauch.

 

Hier geht es allerdings nicht nur um allgemeine (z.B. zeitliche) Vernachlässigung und / oder körperlichen Missbrauch, sondern auch um seelische Vernachlässigung in Bezug auf die echten Bedürfnisse des Kindes - und um Missbrauch durch  Kommunikation oder kommunikatives Unterlassen, insbesondere dann, wenn die eigene Liebe kommunikativ nicht erwidert wird - und seitens der Eltern oder eines Elternteils (wenn auch oft unbewusst) kommunikativ das Gegenteil getan bzw. kommuniziert wird.

 

Durch Konflikte und ggf. Trennung im Elternhaus wird die besagte Vernachlässigung sowie der kommunikative Missbrauch noch weiter verstärkt - insbesondere dann, wenn bei den Opfern eine hohe Sensibilität und / oder Zuneigung und / oder Erwartungshaltung in Bezug auf Eltern und Familie vorliegt. Dies führt zu sozialem Stress, traumatisierendem Erleben von Bezugspersonen - auch auf der Meta-Ebene) und einem gestörten Selbstbild und Selbstwert.

 

Vernachlässigung und Missbrauch können auch und insbesondere durch den kommunikativen Umgang mit dem Kind / Jugendlichen erfolgen (z.B. Einsatz von Gesprächsstörern und Gesprächskillern statt Zuhören, aktivem Zuhören, verbalisiertem Verständnis sowie verbalisierter Zuneigung / Liebe).

 

Ebenso wie ein echter Verlust oder ein körperlicher Missbrauch (z.B. Gewalt / Schläge) oder bestimmte Arten der Bestrafung kann der Missbrauch durch Kommunikation (siehe Umkehr und / oder Gaslighting), kommunikativen Unterlassens bzw. Ignorierens oder das Fehlen einer positiven, stützenden, gewaltfreien und verständnisvollen Kommunikation die Persönlichkeitsentwicklung erheblich negativ prägen und narzisstische wie auch Borderline-Persönlichkeiten erzeugen, deren gesamtes weiteres Leben sich an diesen Störungen ausrichtet und misst.


Ganz besonders traumatisierend wirkt sich bewusstes oder unbewusstes Gaslighting-Verhalten der Eltern oder eines Elternteils (z.B. kontrollierende-bestimmende Persönlichkeiten, deren Eltern selbst so waren) aus, insbesondere dann, wenn seitens der Eltern oder eines Elternteils bewusste oder unbewusste Umkehr-Rhetorik inklusive Ver-Leugnungs-Verhalten betrieben wird, negative Suggestionen erfolgen oder die Kommunikation der Eltern mit dem Kind die konkreten (Persönlichkeits-)Bedürfnisse des Kindes bzw. der Kinder rhetorisch vehement übergeht, was für die Betroffenen psychisch kaum bis nicht zu ertragen ist und psychisch wie seelisch einer Dauer-Vergewaltigung bzw. dauerhaften körperlichen Misshandlung gleichkommt, wodurch es zu einer schweren Störung der Persönlichkeit kommt, die neben Borderline auch mit Selbstverletzungen und / oder einer Spaltung / Abspaltung einhergehen kann, wenn eine Flucht vor den (oft unbewussten) Tätern nicht möglich ist. 

 

Die Folgen sind zumeist entweder Narzissmus oder Borderline, was vorerst oft unbemerkt bleibt und maximal durch aggressives Verhalten gegenüber den Eltern oder dem Täter-Elternteil in der Pubertät auffällt.

 

Trotz dieser psychologischen Erkenntnis in Bezug auf Borderline-Persönlichkeiten wird in der Medizin (Psychiatrie) , die Borderline oberflächlich als "Krankheit" erachtet, aber zumeist leider davon ausgegangen, dass genetische Faktoren einen erheblichen Anteil an der Entstehung der Borderline-Störung haben. Dennoch berücksichtigt man auch hier die Erkenntnis, dass bestimmte Lebenserfahrungen - zu denen - wie bereits erwähnt - auch die Kommunikation bzw. die fehlende "Nähe" bzw. das fehlende Verständnis in der Kommunikation gehört - ungünstige Grundeinstellungen und schädliche Verhaltensmuster die Entstehung und Aufrechterhaltung dieser Persönlichkeitsstörung fördern.  

 

Zumeist werden diese Erfahrungen bereits in der (frühen) Kindheit gemacht. Sie führen dann sogar zu konkreten (messbaren) physischen  Veränderungen im Gehirn: So konnte z.B. gezeigt werden, dass das Gehirn von klassischen Borderline-Patienten - folglich jenen wenigen Borderline-Persönlichkeiten, die auf die Diagnose "Borderline" hin dann auch tatsächlich medizinisch (nicht psychologisch) behandelt werden, teilweise anders arbeitet als das von Menschen ohne Borderline bzw. von sognannten "gesunden" Menschen.

 

Beobachtet wurden Aktivitätsveränderungen in der Amygdala (Mandelkern), einer Region im Gehirn, die u.a. für die Verarbeitung von Stress, Gefahrensignalen und von Ängsten zuständig ist. Diese Gehirnstruktur ist bei Borderline-Patienten kleiner und zusätzlich übererregbar, was vermutlich auf dass Stress-Erleben durch die zuvor genannten negativen bis traumatischen Erfahrungen zurückgeht.

 

Schließlich ist bekannt, dass kommunikatives Dauer-Priming oder regelmäßig ähnliche Erfahrungen sich - neben den psychischen wie seelischen Folgen - auch physisch auswirken und sich - wie hier auch - bestimmte Bahnen durch die entsprechenden "Denkleitungen" im Gehirn "fressen" und sich bestimmte neuronale Bahnen herausbilden. 

 

Auch in anderen Strukturen des limbischen Systems wie dem Hippocampus, der sich am inneren Rand des Temporallappens befindet, zeigen sich bei Borderline-"Patienten" Veränderungen, die für Fehlsteuerungen emotionaler Reaktionen angesehen werden. Die stetige Angst vor Gefahr oder vermeintlicher "Gefahr" durch Erfahrungen wie Missachtung, Ignoranz, Negativ-Kommunikation, Negativ-Suggestionen, Herabwürdigung, Drohung, Einschüchterung, Leugnung, Umkehr usw. führt zu einer Hypersensibilität, die dann bei kleinsten Triggern in Alarmstellung geht. Infos dazu u.a. unter dem Thema Desensibilisierung / Resilienztraining).

 

Viele durch Studien erhaltenen Erkenntnisse beziehen sich allerdings nur auf sogenannte "Patienten" bzw. jene Borderliner, die sich in medizinischer bzw. psychiatrischer Behandlung befinden, was auf die meisten Borderline-Persönlichkeiten aber ebenso wenig zutrifft wie dies bei anderen bzw. ähnlichen Störungsbildern der Fall ist, bei denen sich die Betroffenen selbst für normal - dafür aber ihre Umwelt bzw. Andere als anormal (bzw. feindlich gesinnt) halten (siehe dazu das Thema Einsicht und Einsichtsfähigkeit).

 

Hinzu kommt auch hier der Umstand, dass viele derartige Störungsbilder heute gesellschaftlich eher ignoriert - oder (wie z.B.  Narzissmus) als fast schon "normal" und alltäglich erachtet bzw. akzeptiert werden, obgleich die negativen Folgen für die Betroffenen und ihr persönliches bzw. soziales Umfeld letztendlich erheblich sind - und deren gesamte Leben und Zusammenleben letztendlich maßgeblich negativ beeinflussen, ebenso das ihres persönlichen bzw. sozialen Umfeldes.

 

Im Vordergrund stehen stetige innere wie äußere Konflikte. Äußere Konflikte entstehen insbesondere durch spontane Extremhandlungen, bei denen der gesamte Frust bzw. die Aggression aus der Kindheit / Jugend wieder und wiederholt spontan wie unberechenbar ausbricht. Die meisten Betroffenen haben dadurch Schwierigkeiten, eine Berufsausbildung abzuschließen oder ihren Job langfristig halten zu können.

 

Auch innere Konflikte können Borderlinern das Leben zur Hölle machen: Mehr als 60% der Betroffenen hat mindestens einen Suizidversuch verübt. Die ersten Anzeichen treten meist bereits im Jugendalter auf. Viele Borderliner - zumindest jene, die wissend und einsichtig sind - verbringen Jahre ihres Lebens in psychiatrischen Kliniken. Andere erleben unbehandelt ein Leben mit ständigen Konflikten und Misserfolgen.

 

 

Diagnose
Um die Diagnose einer Borderline Persönlichkeitsstörung (gemäß ICD 10) stellen zu können, müssen somit mindestens drei der folgenden Merkmale zutreffen:

 

- Deutliche Tendenz, unerwartet und ohne Berücksichtigung der Konsequenzen zu handeln (fehlende Impulskontrolle)

- Deutliche Tendenz zu Streitereien und Konflikten mit anderen,

  vor allem, wenn impulsive Handlungen unterbunden oder getadelt werden.

- Neigung zu Wutausbrüchen oder Gewalt mit Unfähigkeit, das explosive Verhalten zu kontrollieren

- Schwierigkeiten, Handlungen beizubehalten, die nicht unmittelbar belohnt werden

- Unbeständige Launen, Stimmungsschwankungen, Gefühlsschwankungen (Affektinstabilität)

 

Zusätzlich müssen mindestens zwei der folgenden Kriterien erfüllt sein, die für Borderline-Syndrom spezifisch sind:

 

- Störungen und Unsicherheit des Selbstbilds, der persönlichen Ziele und Vorlieben (einschließlich der sexuellen)

- Neigung, sich in intensive, aber instabile Beziehungen einzulassen, oft mit der Folge emotionaler Krisen

- Übertriebene Bemühungen, ein Verlassenwerden zu vermeiden

- Selbstverletzendes Verhalten, Suiziddrohungen und -versuche

- Anhaltende Gefühle von Leere

  

Behandlung
Die Behandlung erfolgt über eine Psychotherapie. Manche Betroffene erhalten zusätzlich eine medikamentöse Therapie. Zuständig ist ein Facharzt für Psychiatrie. Stimmungs-Stabilisierer wie Lithium können dabei unterstützen, extreme Gefühlszustände in den Griff zu bekommen. Menschen, die unter starken Angstzuständen leiden,  können mit Benzodiazepinen behandelt werden. Treten zudem Depressionen auf, kommen selektive Serotonin- Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) zum Einsatz. Ratsam ist auch eine Desensibilisierung - auch zur Wiedererlangung der Selbst- und Impulskontrolle.

 

Abgrenzung des Störungsbildes
Im Bereich des Gesundheitswesens wird anhand der o.g. "Symptome" und entsprechender Ähnlichkeit mit bestimmten Wesenszügen gerne und schnell eine Borderline-Störung diagnostiziert, obgleich es sich bei dem Betroffenen ggf. auch um ein cholerisches Temperament bzw. eine  persönlichkeits- und kommunikationspsychologisch relevante Überreaktion beim Triggern durch bestimmte Reize / aversive Stimulationen bei der Chiffrierung von (als Botschaften aufgefassten) Nachrichten auf der Beziehungsebene handeln kann. Zur Abgrenzung folgen einige Erklärungen:  

Cholerisches Temperament

Der Begriff kommt vom griechischen Adjektiv cholerikos, was "gallig" bedeutet. Die Bezeichnung für einen solch aufbrausenden Menschen beruht auf der früheren Temperamentenlehre, ein von der antiken Humoralpathologie abgeleitetes Persönlichkeitsmodell, das Menschen nach ihrer Grundwesensart kategorisiert.

 

Als cholerisch bezeichnet man Menschen, die schnell erregbar, aufbrausend, aggressiv und jähzornig sind und plötzlichen, heftigen und scheinbar grundlosen Wutausbrüchen neigen. Von ihrem sozialen Umfeld werden Choleriker daher oft als sehr unangenehm empfunden, da sich ihre Wut meist gegen andere richtet - und sie in ihrem Wutausbruch laut, aggressiv und verletzend werden können, was beim Gegenüber Hilflosigkeit, Ärger und  Angst auslösen kann.

 

Ursächlich für ein cholerisches Temperament kann (bei Vorliegen bestimmter Kriterien) auch eine Borderline-Störung, b) eine Narzisstische Persönlichkeitsstörung oder c) eine Antisoziale Persönlichkeitsstörung sein. Unterscheiden lassen sich die 3 Störungsbilder für den Laien an der Art der Wut (Ausführungen und Video dazu oben).

 

Ursächlich für Wutausbrüche sind individuell verschiedene Auslöser. Das Verhalten eines Cholerikers bzw. einer Cholerikerin stellt eine Art Abwehr-Überreaktion dar, ähnlich einer Allergie. Worauf der Choleriker "allergisch" reagiert bzw. was ihn konkret "triggert" ist individuell unterschiedlich. Nicht selten sind es Kleinigkeiten, die Choleriker regelrecht zum Platzen bringen. Beim Wutausbruch eines Cholerikers kommt es durch das Triggern bestimmter Prinzipien, Einstellungen und Glaubenssätze zu einer regelrechten Entladung. Dahinter können ungelöste, aufgestaute Probleme, traumatische Erlebnisse und Blockaden stehen, die in konkreten Situationen wieder hochkochen.

 

Ein geringes Selbstwertgefühl kann ebenso mit ursächlich sein. Die Betroffenen hören mit dem Beziehungsohr hin, decodieren Nachrichten als "Botschaften" auf der Beziehungsebene, beziehen alles auf sich, nehmen die Dinge des Alltags schnell persönlich und haben das Gefühl, sich wehren zu müssen. Insofern sind cholerische Wutausbrüche ein Zeichen von Hilflosigkeit und Überforderung. 

 

Ansonsten verfügen Choleriker über viel Energie. Sie sind begeisterungsfähig und mitreißend, gelten als sehr willensstark und motiviert, Dinge anzupacken und Leistung zu bringen. Am Besten hilft hier ein ganzheitliches Coaching: 

Neben der Analyse und Bearbeitung innerer Konflikte (Tiefenpsychologie), gilt es zu lernen, negative Gefühle rechtzeitig zu erkennen, kognitiv wie emotional umzudeuten und Ärger unter Kontrolle zu halten ((Verhaltenspsychologie). Neben dem Thema Konfliktmanagement, dem Managen innere Konflikte, müssen die Betroffenen lernen, sich in aggressionsauslösenden und aggressionsfördernden Situationen angemessen auszudrücken.

 

Eine Desensibilisierung, eine Anti-Aggressions- / Frustrations-Therapie sowie ein Konflikt- und Deeskalationstraining + positive Gedankenkontrolle und Autogenes Training zur Veränderung der Impuls-Reaktionskette ist ebenso empfehlenswert wie ein Coaching in Sachen kommunikativen Konfliktverhaltens (z.B intelligentes souveränes Reaktionsverhalten, Gewaltfreie Kommunikation, Aktives Zuhören, Fragetechniken, Schlagfertigkeit, Durchsetzung, 3-Satz und 4-Satz-Technik). Förderlich ist auch der Erwerb von Wissen in Bezug auf Wahrnehmungsfehler.