Wissen: Kontrollstörung / Kontrollzwang

als Form einer Zwangsstörung + Abgrenzung zur kontrollierenden Persönlichkeitsstörung und zur zwanghaften Persönlichkeitsstörung
+ allgemeine Hintergründe (Vertrauen / Selbstvertrauen vs. Misstrauen / Angst) 

Psychologisches Wissen zum Thema Kontrollzwang, Kontrollstörung als Form einer Zwangsstörung, Abgrenzung zu kontrollierenden und zwanghaften Persönlichkeiten. Vertrauen / Selbstvertrauen versus Misstrauen und Angst

Einführung
Kontrollzwang / Kontrollstörung

Der sogenannte "Kontrollzwang" ist eine sehr häufige Form einer Zwangsstörung und geht mit einem starken bzw. überaus hohem Bedürfnis bzw. Drang nach Kontrolle einher.

 

Beides, der Kontrollzwang bzw. die Kontrollstörung und die der konkreten Problematik übergeordnete Zwangsstörung an sich werden hier abgehandelt und von entsprechenden Formen einer Persönlichkeitsstörung (z.B. und / oder einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung oder einer kontrollierenden Persönlichkeit abgegrenzt

 

Menschen mit einem Kontrollzwang verbringen in Bezug auf ihr Verhalten viel Zeit mit der Überprüfung und Regulierung von allem Möglichen: Türen, Herd, Wasserhähne, Kinder, Sauberkeit, Hygiene, den gesundheitlichen Zustand usw. Dieses Verhalten basiert wiederum auf Gedanken wie: "Ist die Kaffeemaschine auch wirklich aus?", "Ist der Wecker richtig gestellt?", "Was machen die Kinder gerade?" bzw. "Wie geht es den Kindern?", "Ist es ordentlich und sauber genug?", "Ich könnte krank werden", "Ich könnte zunehmen" etc.

 

Solche Gedanken - wie auch das (auf den Gedanken basierende) entsprechende Verhalten - treten bei einer typischen Zwangsstörung regelmäßig auf - nicht nur einmal pro Tag, sondern öfters. Dies, obwohl zuvor bereits eine entsprechende Überprüfung durch die von einem Kontrollzwang Betroffenen selbst erfolgte, der sie nun - kurze Zeit später - aber bereits nicht mehr trauen. In leichteren Fällen treten die Gedanken sehr häufig, aber nicht mehrmals am Tag auf. 

 

Die besagten zeitraubenden Rituale gehen mit entsprechendem Di-Stress einher - und hindern sie auf Dauer daran, am Leben und Zusammenleben mit anderen unverkrampft teilhaben zu können und ihre alltäglichen Aufgaben angemessen zu bewältigen.

 

Menschen mit einem Kontrollzwang haben starke Selbstzweifel: Obwohl sie z.B. gerade die Tür verschlossen haben, sind sie sich im nächsten Moment bereits unsicher, ob diese auch wirklich sicher verriegelt ist. Ähnlich ergeht es ihnen mit Wasserhähnen, Lampen und Weckern. Während sie z.B. das richtige Stellen ihres Weckers mehrfach kontrollieren, drücken andere mehrmals an der Türklinke, um sicher zu sein, dass die Tür wirklich verschlossen ist.

 

Manche Betroffene müssen mehrfach umkehren und erneut alles überprüfen. Andere wiederum wollen ihre Wohnung gar nicht mehr verlassen, weil die Ängste, ggf. die Kontrolle zu verlieren, zu stark sind. Bei Unterlassen der Kontrolle entsteht ein Gefühl der Pflichtverletzung, ggf. regelrechte Schuldgefühle. Manche der Betroffenen befürchten, dass durch ihre Schuld ein schreckliches Unheil eintritt. Um dieses Unheil zu verhindern, überprüfen sie immer und immer wieder beispielsweise die Herdplatte, da sie Angst haben, den Herd versehentlich angelassen zu haben, wodurch es dann brennen könnte.

 

Andere kontrollieren mehrfach ihren Wecker oder gleich mehrere Wecker, weil sie Angst haben, zu verschlafen und dadurch zu spät zur Arbeit oder zu einem wichtigen Termin zu kommen, wodurch es dann ggf. zu Problemen, Ärger oder Sanktionen kommt oder bei anderen der Eindruck der Unzuverlässigkeit entstehen könnte.

 

Manche Betroffene haben ständig Angst, dass ihren Kindern oder anderen Personen in der Familie etwas zustoßen könnte, weshalb sie diese stetig kontrollieren (z.B. durch Kontroll-Anrufe, Kontroll-Besuche, Lauschen am Babyphone, Kontrolle, ob jemand noch atmet, ob bei jemandem das Licht angeschaltet ist usw.).

 

Auch gibt es Betroffene, die z.B. Angst haben, jemanden aus Versehen zu überfahren, ohne es zu bemerken, weshalb sie dann immer wieder denselben Weg abfahren, um sich zu versichern, dass kein Mensch durch sie verletzt worden ist.

 

Ein ausgeprägter Kontrollzwang geht mit stressiger Angst einher und entspricht zugleich einer Art Leistungsdruck, der  aufgrund der stressigen Zwangsgedanken ("Ich muss...", "Ich muss noch...",), der Selbstzweifel ("Habe ich alles erledigt?", "Habe ich ich auch wirklich alles richtig  gemacht?" usw. ) und des Zwangsverhaltens (Überprüfen, Kontrolle) einen erheblichen Leidensdruck verursacht. Zudem werden die Kontrollhandlungen oft bis zur völligen Erschöpfung wiederholt.

 

Der allgemeine Hintergrund der Problematik: Vertrauen versus Misstrauen und Kontrolle

Anstelle von Vertrauen liegt bei den Betroffenen Misstrauen in Bezug auf sich selbst oder / und auf andere vor. Ihr Denken basiert auf der (teils phantastischen) Angst, dass alles mögliche passieren könnte, für das sie dann entsprechend "verantwortlich" wären  (= überhoch stark ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein) - und dass sie (aufgrund ihrer übertriebenen Gewissenhaftigkeit) stets alles "im Griff haben" "müssen".

 

"Andere tun es ja nicht" für sie. Auch dies kann ein Gedanke sein, der mit einem Kontrollzwang einhergeht und einen durchaus vorwurfsvollen Charakter hat, der in vorwurfsvoller Kommunikation münden kann, was das Umfeld der Betroffenen sehr belastet, weil es viel negative Energie ausstrahlt und sich andere ggf. "schuldig" fühlen (müssen). 

 

Bereits Jesus sagte: "In der Welt habt ihr Angst". 

 

Angst trifft uns vom ersten bis zum letzten Atemzug. Menschen haben Angst, verlassen zu werden, Angst vor Misserfolg, Angst, zu versagen, Angst vor einem Schaden, Angst vor Krankheiten, Angst vor Verlust, Angst vor Verantwortung, Angst, Schuld auf sich zu nehmen usw. Es sind Ängste, die irdisch sind, die Menschen laut unzähligen Nahtodberichten nach ihrem Ableben im Jenseits nicht mehr haben.

 

Der natürliche Gegenpol zur Angst ist Vertrauen - und dies nicht nur laut der Bibel: Vertrauen in / auf Gott (Gottvertrauen) und damit Vertrauen in / auf sich selbst (Selbstvertrauen) und andere Menschen. Was ist Vertrauen? Dazu ein kurzer Zwischen-Exkurs:

 

Vertrauen bezeichnet eine subjektive, auch emotional gefärbte, Überzeugung, auf der das eigene Denken basiert und nach welche der Mensch sein Verhalten ausrichtet. Vertrauen bezieht sich auf Gottvertrauen und Selbstvertrauen und / oder die Erwartung von Hilfe durch Gott oder andere Menschen, die einem nicht schaden wollen.

 

Vertrauen bezieht sich auch darauf, dass unser hiesiges irdisches Dasein und unser Verstand nicht alles ist - dass es da noch mehr und ggf. viel Realeres und Wichtigeres gibt. Doch dies denken nur Menschen mit vollstem Gottvertrauen und es wissen nur Menschen, die dies bereits einmal sehr überzeugend mittels sogenannter Nahtoderlebnisse selbst erfahren haben und seitdem jeden Zweifel darüber verloren haben. 

 

Betroffene eines Kontrollzwangs oder kontrollierende Persönlichkeiten finden Vertrauen ggf. etwas "naiv" und in Bezug auf mögliche Risiken und Gefahren des Lebens inklusive des Vorhandenseins böser / schlechter Menschen ggf. "ignorant", was durchaus verständlich ist. Möglicherweise führen Sie in Bezug auf eine "zu gelassene" Sicht von Menschen mit Vertrauen in Bezug auf die Gefahren und Risiken des Lebens "Unwissenheit" und / oder "Ignoranz" als mögliches Argument zur Erklärung der Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit von Misstrauen und entsprechenden Ängsten an.

 

Zudem ist Angst in Bezug auf Menschen und Menschsein etwas völlig natürliches und eine durchaus relevante Erfahrung. Angst ist ein Gefühl bzw. eine Vielzahl von Gefühlsregungen und äußert sich - je nach Ausprägung der Angst - als Besorgnis und/oder Erregung und/oder Beengung/Bedrängnis. Angst ist zudem ein natürlicher Schutzmechanismus. 

 

Trotzdem kann Angst auch sehr negativ sein. Angst an Stelle von fehlendem Gottvertrauen macht empfänglich für das Böse - und wirkt sich negativ auf die Psyche, den Organismus und den eigenen Willen aus - zum Beispiel wenn die Angst länger anhält oder wenn sie irreal ist - und wenn sie von außen erzeugt und / oder einem eingeredet wird.

 

Schließlich führt eine solche Angst zum Verlust des logisch-rationalen Verhaltens und erzeugt irrationales Verhalten (ggf. zu Gunsten der konkreten "Angstmacher". Angst kann krank machen und selbst krankhaft - und z.B. bei einer Angststörung eine Krankheit an sich sein. Eine solche Angststörung hat unterschiedliche Ausprägungen.

 

Eine Angststörung liegt dann vor, wenn die eigentlich natürliche Schutzfunktion des Körpers vor Ängsten langfristig derart immense Ausmaße annimmt, dass sich ihr alles andere unterordnet – auch der Verstand. Von einer krankhaften Angststörung spricht man, wenn Menschen bei völlig natürlichen Ängsten nicht mehr in der Lage sind, ihre Gedanken und Gefühle zu kontrollieren und das Leben dadurch stark beeinträchtigt ist.

 

Zurück zur Erklärung bzw. Entschuldigung der von einer Zwangsstörung Betroffenen, die Vertrauen als eine "zu gelassene", gar "naive" Sicht in Bezug auf die Gefahren und Risiken des Lebens erachten und mit Ausblendung, Ignoranz oder gar Leugnung der Realität gleichsetzen und Misstrauen als notwendig erachten - ganz nach dem Motto bzw. Glaubenssatz: "Vertrauen ist gut - Kontrolle ist besser":

 

Vertrauen unterscheidet sich von Naivität und Ignoranz (in Bezug auf die Ausblendung von Gefahren) bzw. die Leugnung bzw. Verleugnung von Risiken und möglichen Gefahren sowie von Unwissenheit und Dummheit alleine schon dadurch, dass Vertrauen eben MIT und TROTZ der vorhandenen Gewissheit darüber möglich ist, dass negative, gefährliche und schädliche Menschen, Dinge, Umstände und Risiken im Leben nun einmal tatsächlich vorhanden sind, dass es das Schlechte (Staub, Dreck, Gefahren, Viren, Krankheiten, Betrug usw.) und das Böse nun mal gibt.

 

Das Böse ist ein Synonym für das "Schreckliche", das ein Mensch erfährt und das von ihm ausgeht - z.B. in Form von Gedanken und Taten (Verhalten). Dieses "Schreckliche" wird oft assoziiert mit dem sichtbar Hässlichen bzw. Grässlichen.

 

Doch tatsächlich tritt das Böse (auch gemäß Bibel) häufig in gegenteiliger Gewandung (getarnt) auf, so dass es von vielen Menschen nicht als solches erkannt wird, insbesondere nicht von Jenen, denen der biblische Leitfaden fehlt, der von den offiziellen Religionen und insbesondere von den Kirchen und ihren Vertretern bekanntlich völlig verzerrt wurde. Schließlich war und ist man daran interessiert, Menschen in Angst zu halten. Wer Angst hat, ist steuerbar. Wer Angst hat, ist zugleich in Kunde (z.B. für und von Versicherungen).

 

Angst ist zudem ein Wunsch des Bösen. Menschen fragen sich dann schließlich zweifelnd:  "Warum lässt Gott Leid zu?" (Siehe YouTube-Video von Markus Voss). Bereits Jesus wusste und erklärte gemäß Bibel: "Ich bin nicht von dieser Welt"... "Euer (wahrer) Vater ist der Teufel..." (Johannes 8,44). Will heißen: "Auf der Erde gibt es viel Schlechtes und Böses".

 

Jesus sagte aber auch: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater (seinem Vater) als nur durch mich." (Johannes14,6). Will heißen: "Nur wenn Ihr an mich glaubt und auf Gott vertraut, kommt ihr...". Will ebenso heißen: "Wenn ihr der teuflischen Angst und euren auf Schwäche und Unvertrauen basierenden Zweifeln nicht widersteht und diese Zweifel und Ängste nicht mittels mit besiegt,...". Den Rest mag sich jeder selber denken.

 

Vertrauen bedeutet nicht, sich die schlechten Dinge schönzureden - wie viele meinen. Denn dies wäre tatsächlich ignorant - und würde das Schlechte und Böse in dieser Welt realitätsfern verleugnen - und somit sogar noch (unter)stützen.

 

Letztendlich bedeutet Vertrauen (Gottvertrauen wie Selbstvertrauen) TROTZ der Kenntnis von Gefahren und Risiken sowie böser Menschen und Krankheiten - letztendlich aber souverän(er) und gelassen(er) mit diesen natürlichen vorhandenen Optionen des Lebens umzugehen, die im Leben nun einmal allgegenwärtig sind. Vertrauen geht nämlich mit der Bereitschaft einher, Risiken einzugehen.

 

Wer aber nie gelernt hat, Gefahrensituationen zu bestehen und erfolgreich zu bewältigen oder Risiken als Chance kennenzulernen, kann ebenso wenig Vertrauen empfinden wie jene Menschen, die glauben, dass der Tod ihr Ende ist - und dass es außer diesem Erdenleben nichts weiter gibt als gähnende schwarze Leere.    

 

Vertrauen hat weitere Vorteile: Vertrauen bringt Kooperation, Freundschaft und Partnerschaften hervor. Ohne Vertrauen gibt es weder eine vernünftige Kooperation, noch wirklich funktionierende Partnerschaften. Ohne Vertrauen keine echte bzw. wahre Liebe.

 

Das Gegenteil von Vertrauen ist Misstrauen. Dies beinhaltet Vorsichtsmaßnahmen, um mögliche erwartete Schädigung auszuschließen. Misstrauen geht mit Unglaube und Angst einher. Misstrauen reduziert das Ausmaß von Kooperation und eine gesunde Partnerschaft. 

 

Wenn Vertrauen fehlt, was z.B. durch Vertrauensverlust-Erfahrung, eine Schädigung des Selbstvertrauens oder fehlenden Glauben an übergeordnete positive (göttliche) Kräfte - und damit fehlendem Halt - erfolgen kann, kommt ein weiteres - aber eher künstliches Mittel gegen Angst ins Spiel: Kontrolle.

 

Bei besonders stark mangelndem oder gar fehlendem Vertrauen (Gottvertrauen, Selbstvertrauen, Vertrauen in andere Menschen) kann Kontrolle sogar in ein regelrechtes Controlling mutieren. Anstelle des natürlichen Verhaltens tritt absolutes Controlling auf. Auf dem Spiel steht damit das sogenannte "Wasser des Lebens". Dies ist Vertrauen. Ohne Vertrauen ist es um die Psyche und Seele des Menschen geschehen.

 

Natürliches Vertrauen benötigt bereits ein Kleinkind, das von seiner Mutter abhängig ist. Wenn ein Kind auf die Welt kommt, lernt es, seiner Mutter zu vertrauen. Denn alleine würde es sterben. Um zu vertrauen, benötigt der Mensch erst einmal Urvertrauen, ein Vertrauen, dass bei indigenen Völkern vorhanden ist, in unserer modernen Zivilisation mit dem Verfall des naiven Glaubens und dem Abbau von Familiarität aber leider immer mehr verloren geht.

 

Zudem wird Misstrauen überall gesät und geradewegs konditioniert. Wen wundert es also, dass so viel Misstrauen und Angst in der Welt ist? Dies sollte man sich bewusst machen - und sich überlegen, wie stark man selbst konditioniert wird - und inwieweit man selbst mitspielt:

 

Nicht nur im Hinblick auf sein Leben und mögliche Erfahrungen des Vertrauensverlustes, sondern auch im Hinblick auf das tägliche Mitspielen in einem immer stärker kontrollierenden System mit Kontrolle, die überall immer mehr zunimmt: Login-Daten, Zahlen-Codes, PIN - überall und zudem doppelt und dreifach. Alles wird immer noch mal kontrolliert. Alles wird unpersönlicher. Wir machen uns die Dinge damit nicht einfacher, sondern viel schwerer - und verlieren immer mehr Vertrauen.

 

Allein für eine normale Banküberweisung muss man Codes eingeben, empfangen und bestätigen - und viele Menschen halten dies für normal. Immer mehr wird digitalisiert und ist dadurch kontrollierbar. Mittlerweile werden Menschen in der Bank sogar gefragt, warum sie bestimmte Geldsummen abheben bzw. wofür sie das Geld brauchen. Eigentlich unfassbar.

Doch man vergisst: Dahinter steckt immer Misstrauen - und es entsteht dadurch eine ganze Gesellschaft voller Misstrauen. In unserer heutigen Zeit lernen wir Misstrauen regelrecht - und die gesamte Gesellschaft wird diesbezüglich immer schlimmer und krankhafter. Dies beeinflusst jeden einzelnen Menschen, der sich diesem Kontroll-System willenlos oder zumindest unhinterfragt fügt und anpasst - und dadurch lernt bzw. darauf konditioniert wird, dass Misstrauen vermeintlich "normal" "ist".

 

Besonders betroffen sind kollektivistisch orientierte Persönlichkeiten - insbesondere Konformisten und Normopathen.

Immer mehr Menschen leben im Misstrauen - und es stellt sich die Frage, welche Kräfte von der Erzeugung dieses Misstrauens profitieren - und was mit dem Schüren von Misstrauen bei Menschen und unter Menschen letztendlich bezweckt wird. In diesem Kontext ist es besonders interessant, was in der Bibel dazu steht. Doch dies soll hier nicht Thema sein.

 

Kommen wir vom künstlich geschürten Misstrauen zurück zum natürlichen Vertrauen: Erwähnt wurde das Kind, das seiner Mutter vertraut. Doch natürliches Vertrauen benötigt nicht nur ein Kleinkind:

Als sogenannte "Säugetiere" sind wir im übertragenen Sinne "Nesthocker". Die ersten 15 bis 20 Jahre lernen wir, Vertrauen so lange aufzubauen und zu festigen bis wir uns von unseren Eltern gelöst haben - und dann irgendwann auf eigenen Beinen stehen. Es geht im Leben also bereits früh darum, Selbstvertrauen zu gewinnen bzw. zu lernen: Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Vertrauen in sich selbst.

 

Gelerntes Selbstvertrauen ist die erste und wichtigste Säule in unserem Leben. Selbstvertrauen kann ein Mensch aber nur gewinnen, wenn er Raum zum Atmen - will heißen Raum zur Selbstentfaltung hat - wenn er die Möglichkeit hat, selbst Experimente zu machen bzw. ohne Unterstützung von bzw. Kontrolle durch Vater und Mutter selbst Dinge zu erfahren und über viele kleine eigene Erfolge schließlich Selbstvertrauen zu gewinnen, um im Leben seiner Lebensaufgabe gerecht werden zu können.

 

Ob kontrollierende Eltern oder sogenannte Helikopter-Eltern: Eltern, die ihren Kindern keinen Raum zur Selbstentfaltung lassen und ihren Kindern wenig bis kein Vertrauen schenken, erziehen ihre Kinder zu Menschen mit mangelndem bis fehlendem Selbst-Vertrauen. Das Gleiche gilt übrigens auch in Bezug auf eine gesunde Personalführung. 

 

Wenn ein Mensch bereits früh, die Erfahrungen machen kann, die er machen muss, um Vertrauen zu gewinnen, dann ist er später unabhängig von einem Bedürfnis nach Kontrolle. Wenn ein Mensch bereits diese wichtigen Erfahrungen selbst aber nicht machen kann, ist er später abhängig von einem unnatürlichen Zwangs-Bedürfnis nach Kontrolle.

 

Denn zu groß ist das Misstrauen in alles mögliche - und damit die Furcht bzw. Angst, die nun über Kontrolle immer weiter gefüttert und bestätigt wird. Man lernt zum Beispiel den Glaubenssatz "Ohne Kontrolle ist das Leben gefährlich", Du muss X und / oder Y kontrollieren. Ansonsten hast Du keinen Halt bzw. keine Sicherheit im Leben bzw. im Job."

 

Die letzten 15 bis 20 Jahre seines Lebens sind Menschen erneut darauf angewiesen, Vertrauen als Grundlage des Lebens zu spüren. Denn ab einem bestimmten Alter kann ein Mensch sich nicht mehr allein auf sich selbst verlassen. Er ist dann auf Unterstützung und Hilfe angewiesen. Er geht in ein Land von Vertrauensseligkeit hinein. So wäre dies alles zumindest natürlich. Was, wenn im Alter das Vertrauen fehlt?

 

Wird die erwähnte Natürlichkeit des Vertrauenserwerbs gestört, kann ein Mensch kein Vertrauen aufbauen, wird er in seinem Vertrauen enttäuscht und wird seine Vertrauensseligkeit gestört oder gar zerstört, stellt sich ein seelischer und psychischer Schaden ein. Es entsteht Misstrauen und dadurch Angst.

 

Dies versucht der in seinem Vertrauen gestörte Mensch dann ggf. auf unnatürlichem Wege über Kontrolle auszugleichen bzw. das gestörte oder fehlende Vertrauen (Gottvertrauen, Selbstvertrauen, Vertrauen in andere Menschen) mittels Kontrolle und Controlling zu ersetzen. 

 

Der in seinem natürlichen Vertrauen gestörte Mensch erkennst sich allein schon daran, wie er mit sich selbst und anderen Menschen (z.B. mit seinem Partner / seiner Partnerin oder seinen Kindern) umgeht. Wer seinem Partner oder seinen Kindern kein natürliches Vertrauen schenken kann, sieht in Ihnen (völlig unbeabsichtigt) einen Feind und auch das Kontrollverhalten gegenüber Partnern, Kindern und Kollegen kann letztendlich als feindlich betrachtet werden, ob die Betroffenen selbst dies ja eigentlich gar nicht sehen und auch nicht wollen.

 

Partnerschaften  funktionieren aber nun mal auf Vertrauen und ein wirklich gesundes Leben basiert tatsächlich auf naivem Gottvertrauen. Hinzu kommt: Wer andere kontrolliert und sie auf Fehler hinweist macht sich automatisch unsympathisch.

Solche Menschen wirken in den Augen anderer oft sogar "hinterhältig" und "böse". Schließlich nehmen die meisten Menschen Fehler als etwas Schreckliches wahr - nicht als Hinweis auf etwas Fehlendes oder als Chance, etwas zu lernen. Zudem verbinden sie dies mit Vorwürfen, die sich unmittelbar gegen ihre Person, gegen sie als Mensch richtet.

 

Zudem werden Menschen nicht besser, wenn sie kontrolliert werden; manche macht dies schlichtweg nervös, andere werden dadurch träge, verlieren die Motivation, selbst tätig zu werden, selbst etwas zu tun und sich zu engagieren. Kontrolle kann sich folglich sogar recht kontraproduktiv auswirken.

 

Eine besonders starkes und sich auf Partnerschaften negativ auswirkendes Kontrollbedürfnis liegt bei krankhafter Eifersucht vor, die auch als "Misstrauische Eifersucht / Antizipatorische Eifersucht / Übertriebene Eifersucht" /  "Neurotische Eifersucht") vor. Auch diese basiert auf Misstrauen und Argwohn und geht mit erhöhter Aufmerksamkeit und Wachsamkeit sowie dem Bedürfnis bis Zwang nach Kontrolle einher. 

 

Auch hier liegen Zwangsgedanken und Kontrollgedanken vor (z.B. der tägliche Gedanke an die Untreue des Partners, Deutung von bestimmten Verhaltensweisen als vermeintliche Untreue), die in Zwangsverhalten / Kontrollverhalten münden (z.B. Durchsuchen der persönlichen Habseligkeiten des Partners, Suche nach "Beweisen", besitzergreifendes Verhalten, dem Partner hinterherspionieren, Ausfragen anderer Personen über Aktivitäten und Aufenthaltsorte des Partners, ständige Konfrontation des Partners mit dem Vorwurf der Untreue, ständige Kontrolle des Partners z.B. durch Tätigen von Kontrollanrufen usw).

 

Die begünstigenden Faktoren für die Entwicklung "krankhafter Eifersucht" sind letztendlich die gleichen wie bei einer klassischen Kontrollstörung bzw. Zwangsstörung. Sie reichen von vorausgegangenen negativen Erfahrungen (z.B. erlebten Vertrauensmissbrauch) bis hin zu einem geminderten Selbstwertgefühl. Ursächlich ist letztendlich mangelndes Vertrauen durch entsprechende negative Erfahrungen, ausgebliebene positive Erfahrung und mangelndes  Selbstvertrauen.

 

Bei einer Störung des Vertrauens ist der Weg zu einer Kontrollstörung nicht mehr weit. Was die Betroffenen nicht erkennen und von ihrer Sicht auch gar nicht erkennen können, ist die Tatsache, dass ihr Leben mit mangelndem Vertrauen deutlich weniger Lebensqualität mit sich bringt. Dies trifft nicht auf wenige Menschen, sogenannte "Einzelfälle" zu, sondern mittlerweile auf eine große Anzahl von Menschen. 

 

Wer denkt: "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser" und diese (in Wirklichkeit) selbstwertdienliche Scheinlogik (siehe Selbstwertdienliche Verzerrung) im Rahmen des Wirkungsprinzips der Kognitiven Dissonanz-Reduktion für richtig hält, sollte sich auch ohne eine vorhandene bzw. spürbare Kontrollstörung, die einen dann - trotz aller Erklärungen und Ausreden - spürbar einengt, einmal hinterfragen.

 

Zudem geht es nicht darum, dass ggf. eine Kontrollstörung bzw. eine klassische Zwangsstörung vorliegt. Denn parallel zu einer solchen "Erkrankung" gibt es auch Menschen, die sich zwanghafte Gedanken und Kontrollverhalten auch OHNE eine vorliegende Erkrankung, die ein sogenanntes "Leiden" voraussetzt, wegen dessen sich die "Leidenden" dann selbst Hilfe suchen, Kontrolle zu ihrem Charakterzug machen bzw. längst gemacht haben.

 

Doch diese bemerken es selbst nicht, weil sie selbst nicht leiden - und weil ihnen die Einsicht bzw. die Einsichtsfähigkeit fehlt. Kontrolle ist längst zu ihrem normalen Charakter geworden und bestimmt ihre eigene Persönlichkeit. Um eine solche Persönlichkeitsstörung von einer Erkrankung (konkret einer Zwangsstörung) zu unterscheiden, erfolgt nachfolgend eine entsprechende Erklärung.

 

Ebenfalls erfolgt eine Erklärung zur Abgrenzung einer krankhaften (psychotischen) Zwangsstörung von einer ebenfalls (psychotischen) Wahnstörung, die in manchen Fällen ggf. ebenfalls vorliegen kann und in extremen Fällen dann ggf. mit einer regelrechten Paranoia einhergeht. 

 

Differenzierung

Abgrenzung der Kontrollstörung zur Wahnstörung
und zu Persönlichkeitsstörungen im Kontext zu Zwängen und Kontrolle

Im Gegensatz zu anderen Störungen wie z.B. einer Wahnstörung wissen Menschen mit einem Kontrollzwang prinzipiell, dass ihr Verhalten irrational ist. Sie sind aber dennoch nicht in der Lage, es zu ändern.

 

Bei manchen Kontrollzwängen kommt es zu Erklärungen, die den Betroffenen logisch erscheinen (z.B. dem Bedürfnis nach Ordnung und Sicherheit , die aber dennoch überzogen sind. Hier kommt entweder der Wahn ins Spiel - oder es wird deutlich, dass es sich hier nicht um eine Zwangserkrankung, sondern um eine entsprechende (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung handelt. 

 

Liegt eine entsprechende Persönlichkeitsstörung vor, werden Störung und Leidensdruck anderen gegenüber von den Betroffenen häufig negiert und / oder selbstwertdienlich verzerrt. Beispiel: "Ich finde es gut und richtig.", "Andere machen es auch.", "Das ist völlig normal.", "Es ist meine Pflicht.",  "Ich trage nun mal die Verantwortung.", "Andere sind eben verantwortungslos.", "Andere machen es ja schließlich nicht", "Das macht sich nicht von alleine.", "Einer muss es ja schließlich machen."

 

Während sich eine klassische Zwangsstörung auf die Kontrolle von Gegenständen bezieht, weist ein zwanghaftes Verhalten, das sich auf die Kontrolle anderer Menschen bzw. die Kontrolle "über" andere Menschen bezieht, eher auf eine Persönlichkeitsstörung hin. Ein Beispiel hierfür sind z.B. kontrollierende Persönlichkeiten

 

Für die Differenzierung entscheidend, ist auch die konkrete Kommunikation der Betroffenen sowie die Unterscheidung zwischen deren tatsächlicher "Einsicht" in ihr Leiden und möglicher "Uneinsichtigkeit", was mit Abstreiten und / oder Verteidigung der Gedanken und des Zwangs-Verhaltens gegenüber der Umwelt bzw. anderen einhergeht. Unterschiedlich ist folglich auch das Vermeidungsverhalten.

 

Ebenso ist ein vorhandener oder nicht vorhandener Leidensdruck sowie die jeweilige Ausprägung des Leidens ein Indiz zur jeweiligen Unterscheidung, ob eine Zwangsstörung (Psychose) oder eine entsprechende Persönlichkeitsstörung vorliegt. Auch bezüglich einer entsprechenden Persönlichkeitsstörung gibt es Unterschiede: a) Die zwanghafte / anankastische Persönlichkeitsstörung / Zwangspersönlichkeitsstörung, b) kontrollierende Persönlichkeiten  und c) kontrollierende-bestimmende Persönlichkeiten. Zur Unterscheid soll hier nachfolgend kurz darauf eingegangen werden:

 

a) Zwanghafte / anankastische Persönlichkeitsstörung / Zwangspersönlichkeitsstörung 
In Abgrenzung zur Zwangsstörung als Erkrankung zeigt sich die zwanghafte Persönlichkeitsstörung durch Rigidität, Perfektionismus, ständige Kontrollen, Gefühle von Zweifel sowie ängstliche Vorsicht, keine Fehler zu machen.

 

Zwanghafte oder anankastische Persönlichkeiten sind übertrieben genau, perfektionistisch, ordentlich, planend, kontrollierend und/oder stur nach eigenen strengen Regeln richtend. Es besteht ein Hang zur Vorsicht und zur Pedanterie.

 

Sie sind unflexibel im Verhalten, haben Angst, Fehler zu begehen und haben starke Zweifel. Zudem besteht eine Schwäche, eigene Gefühle zu äußern. Die zwanghafte Persönlichkeitsstörung ist - trotz mancher Ähnlichkeiten in der sichtbaren Symptomatik - eine von der Zwangsstörung völlig verschiedene Störung.

 

Im Gegensatz zur Erkrankung wird das zwanghafte Erleben und Verhalten der Betroffenen als "normal", "richtig" und "gut" empfunden. Es fehlt die Einsicht und oft auch die Einsicht in das Leiden. Hier leidet das persönliche und soziale Umfeld oft mehr als die Betroffenen selbst.  Ähnlich ist dies auch bei kontrollierenden-bestimmenden Persönlichkeiten.

 

b) Kontrollierende Persönlichkeiten / c) Kontrollierende bestimmende Persönlichkeiten

Wie der Kontrollzwang als spezielle Ausprägung einer Zwangsstörung, so geht auch die Persönlichkeit von kontrollierenden Persönlichkeiten und von kontrollierenden-bestimmenden Persönlichkeiten mit einem starken bzw. überaus hohem Bedürfnis nach Kontrolle einher. 

 

Der bei einem Kontrollzwang entstehende Leidensdruck ist jedoch nicht vorhanden, weil die Zwanghaftigkeit hier zumeist nicht bewusst ist - und der Zwang an sich nicht im Vordergrund steht. Vielmehr handelt es sich hier um die spezielle Persönlichkeit der Betroffenen bzw. um eine Persönlichkeitsstörung - ähnlich wie bei a).

 

Während der Hang oder Drang zur Organisation und Kontrolle bei kontrollierenden Persönlichkeiten auf Übervorsichtigkeit, negativem Denken und Ängsten basiert, wird der Hang bzw. Drang nach Organisation und Kontrolle bei bestimmenden-kontrollierenden Persönlichkeiten durch ein bestimmendes Wesen mit hoher Dominanz ergänzt. 

 

Während sich eine klassische Zwangsstörung auf die Kontrolle von Gegenständen bezieht, bezieht sich das zwanghafte Verhalten bestimmender-kontrollierender Persönlichkeiten auf die Kontrolle anderer Menschen (z.B. der Kinder). Hinzu kommt der Drang, das Leben und Verhalten anderer zu kontrollieren und ggf. auch zu bestimmen.

 

Für die Differenzierung entscheidend, ist auch die konkrete Kommunikation der Betroffenen sowie die Unterscheidung zwischen dem vorhandenen Bewusstsein bzw. der "Einsicht" der Betroffenen mit einer Kontrollstörung, die unter ihrem Denken und Verhalten letztendlich leiden  - und dem grundlegenden Denken und Verhalten kontrollierender-bestimmender Persönlichkeiten, das erst dann ggf. zum Thema wird, wenn persönlichkeits- und verhaltensbedingte Konflikte in der sozialen Interaktion und / oder andere (unvermeidbare) Probleme im zwischenmenschlichen Miteinander offenbar werden.

 

Kontrollierende Persönlichkeiten und bestimmende-kontrollierende Persönlichkeiten sind bestrebt, ihre Umwelt inklusive des Umfelds ihrer Mitmenschen zu kontrollieren und auch für andere (z.B. ihre Kinder) zu organisieren und zu kontrollieren.

Dies führt dazu, dass sich Menschen in ihrem Umfeld (z.B. Familienangehörige) kontrolliert und ggf. gegängelt fühlen - und Kinder wie Partner in gewisser Weise unselbstständig werden und an eigener Persönlichkeit verlieren.

 

Bei bestimmenden-kontrollierenden Persönlichkeiten geht dies noch weiter: In Anpassung an gesellschaftliche oder eigene Normen stellen sie Regeln auf und fordern von ihren Interaktionspartnern, diese einzuhalten, um sich vor unvorhergesehenen Überraschungen, Chaos und Kontrollverlust zu schützen. Auch andere (z.B. ihre Kinder) wollen sie vor Überraschungen, Chaos und Kontrollverlust schützen.

 

Anders als bei a) bekommt das soziale Umfeld nicht nur ein Gefühl, gegängelt zu werden; da zusätzlich ein dominantes und bestimmendes Wesen und eine entsprechend kommunizierte Erwartung vorliegt, wird das soziale Umfeld tatsächlich gegängelt und unter Druck gesetzt. Der Druck kann mittels aktiver Kommunikation von Erwartungen bis hin zur (ggf. aggressiv kommunizierten) Nötigung zur Mitwirkung erfolgen.

 

Ebenfalls kann der psychische Druck auf das soziale Umfeld darüber erfolgen, dass bestimmende-kontrollierende Persönlichkeiten ihrem Umfeld über entsprechendes Klagen / Wehklagen starke Vorwürfe machen. Insbesondere Kinder derartiger Persönlichkeiten können dadurch schweren psychischen Schaden nehmen.

 

Erwähnt werden soll an dieser Stelle die Erfahrung, dass solche Kinder in einem bestimmten vor- pubertierenden Alter z.B. von beobachtenden / kontrollierenden oder sogar bösartig befehlenden Stimmen sprachen, die mit ihnen redeten und der Beschreibung nach aus ihrem Bauch kamen (sogenanntes Bauchstimmenhören). Erwähnenswert ist auch, dass der psychische Druck, den bestimmende-kontrollierende Persönlichkeiten auf ihr soziales Umfeld ausüben bis hin zum aktiven oder unbewussten Mobbing und Gaslighting einschließlich Verdrehung der Realität reichen kann. 

 

Aber zurück zu den Folgen für die Kinder bestimmender-kontrollierender Persönlichkeiten:

 

Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, die unter dem Einfluss kontrollierender-bestimmender Persönlichkeiten stehen, kann das Selbstvertrauen derart zerstört werden, dass sie zutiefst verunsichert werden, ein schlechtes Gewissen bekommen, sich "schuldig" fühlen und irgendwann sogar "Stimmen" hören, wobei die besagte "Stimme" letztendlich durch den Gaslighter (z.B. die Bezugspersonen bzw. den verantwortlichen Erzieher) verursacht bzw. programmiert wurde.

 

Auch ein solches Gaslighting kann zur Verwirrung, Schwächung und Schädigung des Selbstbewusstseins, der Persönlichkeit und der Widerstandskraft des Opfers bis hin zu Angstzuständen, Wahnvorstellungen, Panikattacken und psychotischen Zuständen führen. Hier besteht die Gefahr, dass sich die betroffenen Opfer (seelisch / psychisch) krank fühlen bzw. dass ihnen - neben mangelnder Unterstützung und / oder Unzuverlässigkeit und / oder Rücksichtslosigkeit eine (psychische) Krankheit eingeredet - oder allein durch die Umstände suggeriert - wird.

 

Ggf. erfolgt bei den Opfern dann eine Behandlung, die ihnen selbst nichts bringt, sondern das vermeintliche Krankheitsbild festigt bzw. erst entstehen lässt. Bei Kindern liegt dann eine regelrechte Kindeswohlgefährdung vor, die aber nur schwer nachzuweisen ist, da sich der Gaslighter zumeist als liebevoller "Kümmerer" zeigt, dem das Wohl des Kindes (oder des Partners) an höchster Stelle steht.

 

Zudem ist das eigene Verhalten dem besagten Gaslighter in Form einer kontrollierenden-bestimmenden Persönlichkeit ja zumeist auch gar nicht bewusst. Alternativ kommt es zu selbstwertdienlichen Verzerrungen, zur Uminterpretation oder gar zu Formen  der Pseudologia phantastica. Dabei können Selbstbelügungsstrategien und Lügengebilde entstehen, welche die Gaslighter und ihr Umfeld selbst gar nicht mehr realisieren, da der Zweck die Mittel heiligt, um die Kontrolle über Andere zu behalten.

 

Daraus kann sich eine regelrechte pseudologische Störung entwickeln. Eines dieser Gaslighting-Phänomene, das auf Selbstbelügungs- bzw. Lügenkonstrukten basiert, ist das Münchhausen-by-proxy-Syndrom bei dem der Gaslighter Anderen (z.B. Schutzbefohlenen) Krankheiten einredet, um so die Kontrolle über diesen tunlichst zu behalten. 

(Detail-Infos).

 

 

Zurück zur Kontrollstörung als "Erkrankung"
Kontrollzwang als eine Form der Zwangsstörung / Zwangserkrankung

 

Aufdeckung und Bearbeitung von Vermeidungsverhalten

Vermeidungsverhalten wie z.B. das Verlassen des Hauses zu vermeiden, bestimmte Maschinen nicht mehr zu nutzen oder z.B. keine Kerzen mehr anzuzünden sind Vermeidungsstrategien, die den Kontrollzwang aufrechterhalten oder sogar verschlimmern. In einer Psychotherapie werde solche Strategien daher aufgedeckt und bearbeitet.

 

Konfrontation

Statt Vermeidung hilft vielmehr die Konfrontation mit dem konkreten Unterlassen von Zwangs-Verhalten bei entsprechenden Zwangs-Gedanken (kognitive Verhaltenstherapie mit Konfrontationsübungen).

 

Konkret deutet das, z.B. zu üben, das Haus zu verlassen, ohne mehrmals die Türe zu überprüfen. Ebenfalls üben die Betroffenen in der Therapie, dem Drang nach Kontrolle nicht nachzugeben.

 

Im Verlaufe einer solchen Therapie lernen die Betroffenen, sich auf ein normales Maß an Kontrollmaßnahmen zu beschränken und sich selbst zu vertrauen. Mit der Zeit gewinnen sie dabei zunehmend an Sicherheit. Selbstzweifel und Angst lassen nach. Ergänzend hilft gemäß dem Fachgebiet der Psychiatrie eine solche Psychotherapie in Kombination mit Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI).

 

Ursachen 

Aus medizinischer (psychiatrischer) Sicht werden biologische Faktoren und Umwelteinflüsse als Ursachen genannt, wobei 

das Zusammenspiel aus beidem eine Rolle spielt. Aus psychologischer Sicht, wird ein Kontrollzwang vielmehr entwickelt.

 

Eine Rolle spielen aus psychologischer Sicht z.B. traumatische Kindheitserfahrungen oder ein ungünstiger Erziehungsstil der Eltern. Wie bereits erwähnt spielen aber auch besondere andere (ggf. traumatische) oder das unhinterfragte Unterwerfen einem System der Kontrolle im Zuge des Sozialisationsprozesses eine Rolle. Eine ganz wesentliche Rolle spielt eine generelle Ängstlichkeit sowie die allgemeine Grundhaltung zum Leben und der fehlende Glaube:

 

Ängstliche Menschen tendieren besonders dazu, bedrohliche Gedanken sehr ernst zu nehmen. Sie wollen um jeden Preis verhindern, dass die Gedanken Wirklichkeit werden. Während kollektivistisch orientierte Persönlichkeiten davon ausgehen, dass ausschließlich der Mensch für sich und seine Umwelt verantwortlich ist, haben individualistische wie liberal orientierte Persönlichkeiten ein viel stärkeres Selbstvertrauen. Gleiches gilt für Menschen mit einem ausgeprägten Glauben an Gott und / oder die Natur: In Bezug auf das, was da im Leben alles kommt oder passieren kann, haben sie eine viel höhere Gelassenheit und ggf. ein regelrechtes Gottvertrauen. 

 

Hintergrund Zwangsstörung / Zwangsstörungen im Allgemeinen

Der Kontrollzwang ist eine Form der Zwangsstörung oder Zwangserkrankung (englisch obsessive-compulsive disorder bzw. OCD), de zu den psychischen Störungen zählt. Für die erkrankte Personen besteht ein innerer Zwang oder Drang, bestimmte Dinge zu denken oder zu tun.

 

Zwar wehren sich die Betroffenen meist gegen diesen auftretenden Drang, erleben ihn als übertrieben und sinnlos, können ihm willentlich jedoch meist nichts entgegensetzen. Besonders schlimm sind Zwangsstörungen, bei denen der Zwang oder Drang von den Betroffenen nicht als übertrieben und sinnlos angesehen wird, sondern vielmehr als normal und sinnvoll.

 

Hier kommt wahnhaftes Verhalten ins Spiel oder aber eine entsprechende Persönlichkeitsstörung, bei der die Betroffenen die Irrationalität ihres Verhaltens nicht erkennen, sondern ihr Verhalten "normal", "richtig" oder "gut" finden, während jene Menschen, die dies nicht verstehen oder anders denken und handeln als "falsch", "oberflächlich", "rücksichtlos" oder gar "böse" gesehen werden.  

 

Zur Abgrenzung der Zwangserkrankung (Psychose) zur Persönlichkeitsstörung: Während die symptomatische Zwangsstörung  von den Betroffenen in der Regel als „ich-dyston“, also als ich-fremd und der Person nicht zugehörig empfunden und als irrational erkannt wird, wird Zwanghaftigkeit im Rahmen der zwanghaften bzw. anankastischen Persönlichkeitsstörung vom Betroffenen als „ich-synton“, also als mit seiner Person vereinbar und als richtig und logisch empfunden. In solchen Fällen kommt es zu logisch erscheinenden selbstwertdienlichen Erklärungen und anderen vorgeschobenen Gründen wie z.B. "Ich muss mich schließlich wohl fühlen".  

 

Sowohl für die Betroffenen als auch für deren Umfeld bringt die Störung deutliche Belastungen und Beeinträchtigungen des Alltagslebens mit sich.

 

Die für die diagnostische Klassifizierung nach der ICD-10 maßgebliche Hauptsymptomatik der Zwangsstörung besteht in Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen. Bei mehr als 90 % der Betroffenen finden sich beide Symptome. Typisch ist auch die große Bandbreite an möglichen Symptomen, so dass fast jeder Betroffene sein eigenes, individuelles Symptombild aufweist.

 

Zwangsgedanken (Obsession und Intrusion) im Allgemeinen und im Speziellen

Bei Zwangsgedanken handelt es sich um zwanghaft sich aufdrängende Denkinhalte, die üblicherweise als unsinnig erkannt werden. Diese meistens „ich-dystonen“ Zwangsgedanken können aber auch übersteigert bis hin zu magischem Denken oder überwertigen Ideen bestehen.

 

Einige Betroffene leiden zudem zusätzlich an formalen Denkstörungen, vor allem an Perseveration, Gedankenkreisen, eingeengtem Denken oder Gedankenarmut. In der Regel lösen Zwangsgedanken Abwehrrituale auf verhaltens- oder kognitiver Ebene aus. 

 

Die Unterscheidung zwischen Zwangsgedanken und normalen Gedanken besteht vor allem im oftmals unangemessen, beunruhigenden oder irrationalen Charakter der Zwangsgedanken sowie im Leidensdruck, der Unkontrollierbarkeit und den starken negativen Emotionen, wie Angst und Unbehagen, die mit den Zwangsgedanken einhergehen.

 

Bei Zwangsgedanken geht es häufig um angstvolle Gedanken und Befürchtungen, sich selbst oder einer anderen Person zu schaden (z. B. durch Verunreinigung, durch aggressive Handlungen oder durch sogenannte „magische Handlungen“), in eine peinliche Situation zu geraten, oder durch Unterlassen von Handlungen indirekt bzw. durch eigene Handlungen direkt für ein Unheil oder Unglück verantwortlich zu sein.

 

Die Zweifel und Befürchtungen können nicht befriedigend abgeschlossen werden, sodass sie sich ständig wieder aufdrängen und bearbeitet werden müssen, ohne zu einem realen Ergebnis zu gelangen.

 

Häufig leiden Betroffene auch an quälendem Zweifel. Klinische Erfahrungen zeigen, dass Menschen mit einer Zwangsstörung die Eintrittswahrscheinlichkeiten negativer Ereignisse überschätzen. Häufig zeigt sich bei den Betroffenen auch eine Hypervigilanz. Zwangsgedanken lassen sich einteilen in:

 

a)  Zwangsideen und -befürchtungen (z. B. die Befürchtung, eine Arbeit nicht richtig oder nicht vollständig oder nicht perfekt
     gemacht zu haben oder Ängste, dass dem Partner oder den Kindern etwas Schlimmes zustoßen könnte)

 

b)  Aggressive Zwangsgedanken (Befürchtungen, jemandem Schaden zuzufügen, sexuell verwerfliche Dinge zu tun,
     jemanden zu beleidigen etc.

 

c)  Grübelzwang (bestimmte Themen müssen wieder und wieder durchdacht werden. Es ist nicht möglich, dabei zu einer
     Entscheidung oder zu einer Lösung zu kommen)

 

d)  Zweifel (Unsicherheit, Handlungen nicht zufriedenstellend abgeschlossen, etwas falsch verstanden,
      getan oder unterlassen zu haben)

 

e)  Zählzwang (Arithmomanie) Bestimmte Dinge, die im Alltag auftauchen, werden gezählt

 

f)   Wiederholungen: Bestimmte Gedanken müssen von den Betroffenen ritualisiert wiederholt werden

 

g)  Erledigungszwänge (bei zwanghaften Persönlichkeitsstrukturanteilen)

 

 

Grundsätzlich eignet sich jedes Thema als Zwangsgedanke. In einer Untersuchung von Salman Akhtar (1975) wurden die Themen der Zwangsgedanken von Betroffenen erfragt. Am häufigsten wurden dabei genannt:

 

-  Schmutz oder Verseuchung
   (menschliche oder tierische Exkremente, Schmutz, Staub, Sperma, Menstruationsblut, Keime, Infektionen)

 

-  Gewalt und Aggression
   (körperlicher oder verbaler Angriff auf sich selbst oder andere Personen; Unfälle, Missgeschick, Krieg, Katastrophen, Tod)

 

-  Ordnung (Ordentlichkeit, Symmetriebestrebungen in der Ausrichtung von Gegenständen usw.)

 

-  Religion (Religiöse Praktiken und Rituale, Glaubenssätze, moralische Einstellungen) oder Magie

 

-  Sexualität (sexuelle Handlungen an sich oder anderen, inzestuöse Impulse, sexuelle Leistungsfähigkeit)

 

 

Zwangshandlungen im Allgemeinen und im Speziellen

Unter Zwangshandlungen versteht man zwanghaft gegen oder ohne den Willen ausgeführte Handlungen. Zwangshandlungen sind Stereotypien, die ständig wiederholt werden müssen. Beim Versuch, die Handlungen zu unterlassen, treten massive innere Anspannung und Angst auf.

 

Die meisten Betroffenen wissen zumeist, dass ihr Verhalten übertrieben und unvernünftig ist, und versuchen anfangs, Widerstand zu leisten, geben jedoch auf, wenn die Angst sie überfällt. Danach fühlen sie sich für gewöhnlich für eine kurze Zeitspanne weniger ängstlich.

 

Abgesehen von dieser Spannungsreduktion empfinden die Betroffenen keine Freude am Ausführen der Handlung selbst. Doch es gibt - wie bereits erwähnt - auch solche Menschen, die in ihren Zwangshandlungen einen logischen Sinn sehen. Hier kommt wahnhaftes Verhalten ins Spiel oder aber eine entsprechende Persönlichkeitsstörung:

 

Während die symptomatische Zwangsstörung  von den Betroffenen in der Regel als „ich-dyston“, also als ich-fremd und der Person nicht zugehörig empfunden und als irrational erkannt wird, wird Zwanghaftigkeit im Rahmen der zwanghaften bzw. anankastischen Persönlichkeitsstörung vom Betroffenen als „ich-synton“, also als mit seiner Person vereinbar und als richtig und logisch empfunden.

 

In solchen Fällen kommt es zu logisch erscheinenden selbstwertdienlichen Erklärungen und anderen vorgeschobenen Gründen wie z.B. "Ich muss mich schließlich wohl fühlen" oder "Das macht man so" oder "Das machen andere auch" und in krassen Fällen zur Umkehr der Realität: "Mit euch stimmt etwas nicht. So ein Schmutz oder so eine Unordnung ist doch nicht normal!". 

 

Manche Menschen bauen die zwanghafte Handlung zu einem regelrechten Zwangsritual aus: Die Zwangshandlung wird in einer bis ins Detail ausgearbeiteten Art und Weise ausgeführt. Die Betroffenen müssen das Ritual jedes Mal in exakt derselben Weise, nach bestimmten, sorgfältig zu beachtenden Regeln durchlaufen. Wenn es nicht gelingt, die Handlung abzuschließen, entsteht weitere Angst, und das Ritual muss häufig von Anfang an wiederholt werden.

 

Beispiele:

-  Reinlichkeitszwang:
   Der Zwang, sich z. B. dauernd die Hände zu waschen, zu desinfizieren (Ablutomanie)

 

-  Kontrollzwang:
    Ständige Überprüfung von Herdplatten, Türschlössern, Gashähnen, Aschenbechern, wichtigen Papieren etc.

 

-   Ordnungszwang:

    Der Zwang, immer eine Symmetrie, perfekte Ordnung oder ein Gleichgewicht herzustellen,
    indem Dinge wie Bücher, Kleidung oder Nahrungsmittel nach genauen Regeln präzise angeordnet werden

 

-   Berührzwang:
    Der Zwang, bestimmte Dinge anzufassen oder gerade nicht anzufassen, z.B. etwa jede Straßenlaterne zu berühren

 

-   Verbale Zwänge:
     Ausdrücke, Sätze oder Melodien werden ständig wiederholt

 

 

Diagnose nach ICD-10

Gemäß ICD-10 (Code F42)[25] sollten für eine Diagnose folgende Bedingungen erfüllt sein:

 

Die Zwangsgedanken oder zwanghaften Handlungsimpulse müssen vom Patienten als seine eigenen erkannt werden.

Mindestens gegen einen Zwangsgedanken oder gegen eine Zwangshandlung muss der Patient noch Widerstand leisten.

 

Der Zwangsgedanke oder die Zwangshandlung dürfen nicht an sich angenehm sein.

 

Die Zwangssymptome müssen sich in zutiefst unangenehmer Weise wiederholen.

 

Die Symptomatik muss über mindestens 14 Tage an den meisten Tagen bestehen.

 

Diagnose nach ICD-11

Gemäß der seit 2022 gültigen ICD-11 (Code 6B20) gehört die „Zwangsstörung“ zu der Gruppe der „Zwangsstörung oder verwandten Störungen“. Sie ist somit nicht mehr den Angststörungen zugeordnet.

 

Zu den verwandten Störungen der Gruppe gehören:

 

6B21 Körperdysmorphe Störung

6B22 Olfaktorische Referenzstörung

6B23 Krankheitsangststörung

6B24 Pathologisches Horten

6B25 Körperbezogene repetitive Verhaltensstörungen

 

Diagnose nach DSM-5

Das DSM-5 unterscheidet mehrere Abstufungen, je nach Grad der gegebenen Einsicht in die Zwangsproblematik. Die aktuell gültige 5. Auflage führt die Störung erstmals in einem eigenen Kapitel unter dem erweiterten Oberbegriff „Zwangsstörung und verwandte Störungen“ auf – zuvor war sie dem Kapitel „Angststörungen“ zugeordnet. Zu den verwandten Störungen zählen dabei die „Körperdysmorphe Störung“, „Zwanghaftes Horten“, „Trichotillomanie“, „Dermatillomanie“ sowie analoge Störungen im Zusammenhang mit psychotropen Substanzen, Medikamenten und anderen medizinischen Bedingungen.

 

Zur genaueren Diagnosestellung können Fremdratingskalen (Fragebögen zur Fremdbeurteilung) verwendet werden

z. B.:

 

-  Die Yale-Brown Obsessive Compulsive Scale (Y-BOCS).[28]
   Die Y-BOCS liegt auch als Version für Kinder und als Selbstbeurteilungsfragebogen vor.

 

-  Maudsley Obsessional Compulsive Inventory (MOC)

 

-  Leyton Obsessional Inventory (LOI) – auch als Version für Kinder

 

-  Hamburger Zwangsinventar (HZI) – auch in Kurzform

 

Differentialdiagnose

Gelegentliche Panikattacken oder leichte phobische Symptome sind mit der Diagnose vereinbar. Obwohl bei Zwangsstörungen Ängste eine große Rolle spielen können und als sogenannte anxiety disorder nach amerikanischen Leitlinien klassifiziert wurden, zählen diese nicht zu den Angststörungen im engeren Sinne.

 

Abgrenzung zur Schizophrenie:

Früher wurde von Eugen Bleuler ein Zusammenhang zwischen Zwang und Schizophrenie postuliert. Mehrere aktuelle Studien deuten darauf hin, dass es keinen solchen direkten Zusammenhang gibt. Patienten mit Zwängen haben kein erhöhtes Risiko gegenüber der Allgemeinbevölkerung, an einer Schizophrenie zu erkranken. Allerdings treten Zwänge auch im Rahmen von Schizophrenien auf. Bei Patienten, die an einer Schizophrenie leiden, scheint das Vorliegen von Zwangssymptomen die Prognose hinsichtlich der Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit zu verschlechtern.

 

Abgrenzung zur zwanghaften Persönlichkeitsstörung:

Es besteht kein nachweisbarer Zusammenhang zwischen einer symptomatischen Zwangsstörung und einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung. Während die Zwanghaftigkeit im Rahmen der zwanghaften bzw. anankastischen Persönlichkeitsstörung vom Betroffenen als „ich-synton“, also als mit seiner Person vereinbar empfunden wird, wird die symptomatische Zwangsstörung in der Regel vom Betroffenen als „ich-dyston“, also als ich-fremd und der Person nicht zugehörig empfunden.

 

Zwangssymptome bei einer Ticstörung, beim Gilles-de-la-Tourette-Syndrom und bei organischen psychischen Störungen werden nicht als Zwangsstörung diagnostiziert, sondern als Teil der entsprechenden Störungsbilder betrachtet. Ebenso führen Tic-Symptome im Rahmen einer Zwangsstörung nicht zwangsläufig zu einer Diagnose des Tourette-Syndroms, da auch im Rahmen einer Zwangsstörung Tic-Symptome auftreten können. Auch sind Stereotypien bei Autismus zu unterscheiden.

 

Reine Zwangsgedanken können auch in Zusammenhang mit postpartalen Depressionen oder postpartalen Psychosen auftreten. In der Regel fürchtet die Mutter, sie könne das Neugeborene schädigen.

 

Von den reinen Zwangsstörungen sind auch die sogenannten Zwangsspektrumstörungen abzugrenzen. Hier wird postuliert, dass gewisse Erkrankungen, die sowohl in der alten DSM-IV als auch in der ICD-10 zumeist anderen Kategorien zugeordnet werden, aufgrund ihrer Charakteristika auch als Ausprägungen eines Spektrums von zwangsähnlichen Erkrankungen angesehen werden können.

 

Hierzu zählen insbesondere: bestimmte Formen der Hypochondrie, die körperdysmorphe Störung, Anorexia nervosa, Depersonalisationsstörung, Tourette-Syndrom, Trichotillomanie, Dermatillomanie, Hoarding (Tierhortung, Messie-Syndrom) und pathologisches Spielen. Teilweise wurden diese Überlegungen in die neue Klassifikation DSM-5 übernommen, die mit dem Oberbegriff „Zwangsstörung und verwandte Störungen“ mehrere zusammengehörige Störungsbilder vereint.

 

Begleiterkrankungen

Wie auch bei anderen Angststörungen ist bei der Zwangsstörung zu beobachten, dass sie häufig gemeinsam mit anderen affektiven Störungen und Angststörungen auftritt. Die Zwangsstörung tritt am häufigsten in Kombination mit Depression, Panikstörung und sozialer Phobie auf.

 

Rund 80 Prozent der Betroffenen weisen depressive Symptome auf, die aber nicht immer die Diagnose „Depressionen“ rechtfertigen. Ein gutes Drittel leidet mindestens einmal im Leben an einer Depression. Bei 12 Prozent der Kranken tritt die körperdysmorphe Störung auf.

 

Bei 50 Prozent der Betroffenen liegt gleichzeitig eine Persönlichkeitsstörung vor. Die unter den Erkrankten am häufigsten auftretenden Persönlichkeitsstörungen sind die abhängige und die selbstunsicher-vermeidende Persönlichkeitsstörung. Eine zwanghafte Persönlichkeitsstörung liegt dagegen deutlich seltener vor. Generell weisen Zwangskranke häufig problematische Interaktionsmuster bzw. Persönlichkeitszüge auf. Diese wurden bereits erwähnt und auch bezüglich der Auswirkungen auf das nahe / familiäre soziale Umfeld bereits beschrieben.  

 

Zwänge bei anderen Erkrankungen

Das Vorhandensein von Zwangssymptomen muss nicht gleich das Vorhandensein einer Zwangsstörung bedeuten. Zwangsgedanken und Zwangshandlungen können unabhängig von der klassischen Zwangsstörung auch als Symptome im Rahmen anderer neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen vorkommen.

 

Hier ist von Obsessive Compulsive Symptoms (OCS) die Rede. Unter anderem ist dies der Fall im Rahmen des Tourette-Syndroms, des Autismus, bei Schädel-Hirn-Trauma, Schizophrenie sowie bei neuropsychiatrischen Syndromen wie PANS bzw. PANDAS. In der Regel sprechen die Zwangssymptome in diesen Fällen auf eine Behandlung der verursachenden Grunderkrankung an.

 

Die Erkrankung beginnt meist im Jugend- oder frühen Erwachsenenalter vor dem 30. Lebensjahr. Jungen und Männer erkranken im Durchschnitt früher als Frauen. Die Erkrankung verläuft meist langsam zunehmend und verschlimmert sich ohne wirksame Therapie stetig, zu zwei Dritteln chronisch, zu einem Drittel schubweise mit akuten Verschlechterungen unter besonderen Belastungen.

 

Der Ausbruch in Kindheit oder frühem Erwachsenenalter kommt bei Jungen häufiger vor als bei Mädchen. Dabei liegt das Ersterkrankungsalter bei circa 25 % der Jungen unter zehn Jahren. Je früher mit der Behandlung begonnen wird, desto besser sind die Prognosen. Durch die Behandlung mit psychotherapeutischen Methoden oder geeigneten Medikamenten ist die Prognose deutlich zu verbessern, auch wenn eine vollkommene Symptomfreiheit selten erreicht wird.

 

Getrennt lebende oder geschiedene Personen und Arbeitslose sind unter den Personen mit Zwangsstörung in der Regel leicht überrepräsentiert. Dies überrascht nicht, wenn man bedenkt, welche Schwierigkeiten die Störung in Beruf und Beziehungen hervorrufen kann.

 

Das Risiko einer Verschlimmerung der Zwangssymptome während Schwangerschaft und Stillzeit liegt bei 60–70 %. Auch haben Patientinnen mit einer Zwangsstörung ein erhöhtes Risiko für eine Wochenbettdepression.

 

Verhaltenstherapeutische Erklärungen

Die Zwei-Faktoren-Theorie von Mowrer erklärt die Entstehung und Aufrechterhaltung von Zwängen und Ängsten – die Entstehung über das lerntheoretische Modell der klassischen Konditionierung, die Aufrechterhaltung über die operante Konditionierung.

 

Kurz zur klassische Konditionierung: Ein ursprünglich neutraler Reiz (z. B. Schmutz), wird durch Kopplung an einen unkonditionierten Stimulus, der von Natur aus bereits angstbesetzt ist, zu einem stellvertretenden Auslöser für die Empfindung von Angst oder Abneigung. Ein solcher unkonditionierter Stimulus, der von Natur aus die Anspannung auslöst, könnte beispielsweise eine emotionale Belastung in der Familie sein.

 

Operante Konditionierung:

Als Folge treten Zwangshandlungen (oder auch Zwangsgedanken) auf, um die Angst oder Anspannung zu neutralisieren, das bedeutet zu reduzieren. Gelingt es, die Angst zu reduzieren, wirkt das als negative Verstärkung der Zwangshandlungen, was bedeutet, dass sie in Zukunft häufiger auftreten.

 

Eine kognitiv-verhaltenstherapeutische Theorie zur Entstehung von Zwangsstörungen (Paul Salkovskis) geht davon aus, dass Zwangsstörungen durch die negative Bewertung von sich aufdrängenden Gedanken, die auch bei gesunden Menschen von Zeit zu Zeit auftreten, und deren (anschließende) Vermeidung entstehen. Die Vermeidung der auftretenden Gedanken kann kognitiv oder auf Verhaltensebene geschehen:

 

Entweder wird versucht, die Gedanken zu unterdrücken oder sie durch Handlungen zu „neutralisieren“ (bspw. bei Angst vor Kontaminationen durch Händewaschen). Beide Vermeidungsreaktionen führen jedoch nicht zu den erwünschten Effekten: Die Neutralisierungshandlung führt nur kurzfristig zu einer Erleichterung, da sich die Gedanken, die das Verhalten ausgelöst haben, weiterhin aufdrängen. Dennoch hat die Person gelernt, dass sie sich durch die Handlung, wenn auch nur kurzfristig, Erleichterung verschaffen kann. Das Verhalten wird somit negativ verstärkt. Gedankliches Unterdrücken hat andererseits einen paradoxen Effekt: Durch das aktive Unterdrücken verstärken sich die Gedanken zusätzlich („rebound effect“).

 

Die kognitionspsychologische Forschung identifizierte mehrere Faktoren, aufgrund deren „normale“ Gedanken von Menschen mit Zwangsstörungen als störend empfunden werden.

 

Depressive Stimmung:
Eine stärkere depressive Stimmung bei diesen Menschen führt zu einer Erhöhung
in der Anzahl und Stärke von unerwünschten Gedanken.

 

Strenger Verhaltenskodex:
Außerordentlich hohe Moralmaßstäbe tragen dazu bei, dass insbesondere
sexuelle und aggressive Gedanken viel weniger akzeptiert werden können.

 

Dysfunktionale Überzeugungen von Verantwortlichkeit und Schaden:
Einige Menschen mit Zwangsstörungen glauben, dass die für sie störenden negativen
– tatsächlich vollkommen normalen – Gedanken sie selbst oder andere schädigen könnten.

Dysfunktionale Überzeugungen und Gedankenmuster:
Menschen mit Zwangsstörungen haben fehlangepasste Vorstellungen darüber,
wie das menschliche Denken funktioniert, indem sie annehmen,
sie könnten unangenehme Gedanken kontrollieren.

 

Psychoanalytische Erklärungen

Psychoanalytiker gehen davon aus, dass sich Zwangsstörungen dann entwickeln, wenn Kinder ihre eigenen Es-Impulse zu fürchten beginnen und Abwehrmechanismen einsetzen, um die resultierende Angst zu verringern. Der Kampf zwischen Es-Impulsen und Angst wird auf bewusster Ebene ausgetragen. Die Es-Impulse erscheinen gewöhnlich als Zwangsgedanken, die Abwehrmechanismen als Gegengedanken oder Zwangshandlungen.

 

Sigmund Freud postulierte, dass manche Kinder in der sogenannten analen Phase (mit etwa zwei Jahren) intensive Wut und Scham empfinden. Diese Gefühle heizen den Kampf zwischen Es und Ich an und stellen die Weichen für Zwangsstörungen. In diesem Lebensabschnitt ist Freud zufolge die psychosexuelle Lust der Kinder an die Ausscheidungsfunktion gebunden, während zugleich die Eltern mit der Sauberkeitserziehung beginnen und von den Kindern analen Befriedigungsaufschub fordern.

 

Wenn die Sauberkeitserziehung zu früh einsetzt oder zu streng ist, kann dies bei den Kindern Wut auslösen und zur Entwicklung aggressiver Es-Impulse führen – antisozialer Impulse, die immer wieder nach Ausdruck drängen. Die Kinder beschmutzen vielleicht ihre Kleidung erst recht und werden allgemein destruktiver, schlampig oder dickköpfig.

 

Wenn die Eltern diese Aggressivität unterdrücken, kann das Kind auch Scham- und Schuldgefühle sowie das Gefühl, schmutzig zu sein, entwickeln. Gegen die aggressiven Impulse des Kindes stellt sich jetzt ein starker Wunsch, diese Impulse zu beherrschen. Dieser heftige Konflikt zwischen Es und Ich kann sich das ganze Leben lang fortsetzen und sich schließlich zu einer Zwangsstörung auswachsen.

 

Zahlreiche Ich-Psychologen wandten sich von Freud ab und führten die aggressiven Impulse nicht auf die strenge Sauberkeitserziehung zurück, sondern auf ein unbefriedigtes Verlangen nach Ausdruck des eigenen Selbst oder auf Versuche, Gefühle wie Angst vor Verwundbarkeit oder Unsicherheit zu überwinden. Sie stimmen mit Freud aber darin überein, dass Menschen mit einer Zwangsstörung starke aggressive Impulse sowie ein konkurrierendes Kontrollbedürfnis gegenüber diesen Impulsen besitzen.

 

Biologische Erklärungsmodelle

Zahlreiche Studien konnten inzwischen zeigen, dass die Zwangsstörung moderat erblich ist bzw. dass bestimmte genetische Konstellationen die Entstehung der Erkrankung wahrscheinlicher machen. Dies könnte ein bisweilen zu beobachtendes familiär gehäuftes Auftreten von Erkrankungen aus dem Zwangsspektrum mitbedingen. Allerdings konnten die relevanten Genabschnitte bisher nicht zweifelsfrei identifiziert werden.

 

Neurobiologische Faktoren

Zwangsstörungen gehen mit Veränderungen im Hirnstoffwechsel einher. Ob diese Veränderungen ursächlich verbunden sind oder Begleiterscheinung der Zwangsstörung darstellen, ist nicht geklärt.

 

Serotonin-Hypothese:

Verschiedene neurochemische Untersuchungen sowie Erfolge mit serotonergen Medikamenten verweisen auf einen Zusammenhang zwischen dem Serotonin-Stoffwechsel des Hirns und der Zwangsstörung. Durch Gabe von SSRI kann die Symptomatik reduziert werden. Nach dem Absetzen der Medikation kommt es in der Regel zu einem Rückfall in die Zwangssymptomatik.

 

Dopamin-Hypothese:

Vor allem bei den Zwangsstörungen der an Tic-Syndromen oder am Gilles-de-la-Tourette-Syndrom erkrankten Patienten spielt wahrscheinlich auch das Dopamin bzw. das dopaminerge Transmitter-System eine bedeutsame Rolle. Es gibt Hinweise darauf, dass die Transmitterstörungen nicht Ursache der Zwangserkrankung sind, sondern Begleiterscheinungen „primärer Störungen im orbitofronto/zingulostriatalen Projektionssystem, welches das Verhalten an eine sich verändernde äußere Umwelt und innere emotionale Zustände anpasst und auf die monoaminergen Kerne des Mittelhirns zurückwirft“.

 

Basalganglien-Hypothese:

Es liegen Veränderungen in bestimmten Hirnregionen, den Basalganglien vor (Cortex orbitofrontalis und im Nucleus caudatus). In Positronen-Emissions-computertomographischen Studien fand sich sowohl im Bereich des Cortex orbitofrontalis, der beiden, Nuclei caudati sowie des Gyrus cinguli ein erhöhter Glucoseumsatz. Gleichzeitig war in diesen Hirnarealen die Durchblutung reduziert.

 

Immunologische Erklärungsansätze:

Stereotype Zwangssymptome und Tics im Zusammenhang mit infektiösen bzw. immunologischen Faktoren bei Streptokokkeninfektionen im Kindesalter (PANDA-Syndrom) bzw. anderen Erregern (PANS/PITAND Syndrom) führten zu immunologischen Studien. Es bestehen Hinweise auf die Wirksamkeit immunmodulatorischer Therapieansätze mittels Plasmapherese oder i. v.-Immunglobulinen und eine langfristige Besserung des klinischen Bildes durch die antibiotische Prophylaxe. Des Weiteren liegen Befunde vor, die auf erhöhtes B-Lymphozytenantigen D8/17 hinweisen. Zusätzlich wurden autoimmunologische Parameter, z. B. pathologische Autoantikörper, nachgewiesen. In einer Untersuchung fand sich bei Patienten mit zwanghaften Bewegungsstörungen, vergleichbar zur Chorea Sydenham, eine erhöhtes Auftreten von Anti-Basalganglien-Antikörpern.

 

Behandlung aus Sicht der Psychiatrie

Die aktuelle deutsche S3-Leitlinie zur Zwangsstörung empfiehlt Patienten mit einer Zwangsstörung eine „Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) einschließlich Exposition und Reaktionsmanagement als Psychotherapie der ersten Wahl anzubieten“. Sie besagt zudem, dass eine „medikamentöse Therapie einer Zwangsstörung mit einer Kognitiven Verhaltenstherapie mit Expositionen und Reaktionsmanagement kombiniert werden soll“.

 

Eine alleinige medikamentöse Therapie ohne begleitende Psychotherapie sei nur indiziert, wenn „Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) abgelehnt wird oder wegen der Schwere der Symptomatik keine KVT durchgeführt werden kann“; sowie, wenn „KVT wegen langer Wartezeiten oder mangelnder Ressourcen nicht zur Verfügung steht oder damit die Bereitschaft des Patienten, sich auf weitere Therapiemaßnahmen (KVT) einzulassen, erhöht werden kann. Zudem kann es ratsam sein Bezugspersonen, sofern gewünscht, in die Befundaufnahme zu integrieren“.

 

Der Hauptnachteil einer rein medikamentösen Behandlung von Zwangsstörungen ist, dass die Rückfallraten nach dem Absetzen der Medikamente sehr hoch sind und bis zu 90 Prozent betragen können. Allerdings weisen auch ca. 20 % der Patienten nach Verhaltenstherapien Rückfälle auf.

 

Bei schweren Verlaufsformen wird eine Kombination von Medikamenten und Expositionstherapie empfohlen. Patienten mit Zwangsstörung und einer komorbiden Tic-Störung sollten gemäß der aktuell gültigen Leitlinie „mit einem SSRI und ggf. bei fehlender Therapieresponse zusätzlich mit Antipsychotika wie Risperidon oder Haloperidol behandelt werden“. Die tiefe Hirnstimulation kommt nur unter kritischer Nutzen- und Risikoabwägung bei schwerstbetroffenen Patienten mit therapierefraktärer Zwangsstörung in Frage.

 

Bei optimaler Therapie ist eine deutliche Besserung der Beschwerden und des Verlaufs in den meisten Fällen zu erwarten. Eine vollständige Heilung ist jedoch selten. Besonders bei abruptem Absetzen der Medikation und ungenügender verhaltenstherapeutischer Begleitung ist eine Verschlechterung der Symptomatik wahrscheinlich.

 

Behandlung aus Sicht der Psychotherapie

Zwangserkrankungen sind eine erhebliche Belastung für Betroffene und ihren Angehörigen. Die Behandlung des Störungsbildes ist weiterhin schwierig und komplex. Dennoch gelingt es, durch psychotherapeutische Verfahren und medikamentöse Unterstützung eine Linderung der Symptomatik zu erreichen. Allerdings bedarf es auch niederschwelliger Angebote wie ein entsprechendes Coaching. 

 

Es gibt verschiedene psychotherapeutische Verfahren, die zum Einsatz kommen können. Diese unterscheiden sich in Theorie und Methodik deutlich voneinander. Die unterschiedlichen Strategien der verschiedenen Therapieformen sind Gegenstand der Forschung sowie einer weitreichenden Theoriedebatte. Die aktuelle deutsche S3-Leitlinie zur Zwangsstörung benennt verhaltenstherapeutische Verfahren als Mittel der ersten Wahl. Psychoanalytisch begründete Psychotherapieverfahren werden zur Therapie von Patienten mit Zwangsstörungen ebenfalls eingesetzt. 

 

Hinterfragung und tiefenpsychologische Neu-Programmierung von Glaubenssätzen 

Bei einer Zwangsstörung liegen oftmals bestimmte übertriebene Glaubenssätze zugrunde, die dann zu überhöhten Ansprüchen an sich selbst sowie zu zwanghaften Ritualen und eingeschliffenen Denkweisen führen. Nicht selten können mögliche Ursachen und Beweggründe in der Kindheit und Erziehung ausgemacht werden, die dann zu bestimmten Glaubenssätzen und Programmen führen.

 

Es hilft, die entsprechenden Glaubenssätze herauszufinden bzw. zu ermitteln und über perspektivisch neue Formulierungen und entsprechende Suggestionen unter leichter Trance (Spezielles autogenes Training / Hypnose) umprogrammiert werden, sofern ein regelmäßiges Priming der entsprechenden Suggestionen erfolgt, was dann dazu führt, dass das alte Programm überschrieben wird, das eigene alte Denken hinterfragt und gestoppt wird - und sich neues Denken und Verhalten einstellt.

 

Da Menschen mit einer Zwangsstörung in Bezug auf sich selbst und ihr Zwangsverhalten völlig illusorische Maßstäbe anlegen, an deren Richtigkeit sie fest glauben - und das Selbstbild zudem oft absolut unrealistisch ist, gestaltet sich die Umprogrammierung zu neuem Denken nicht einfach und scheint erst einmal unmöglich. Bei Einsicht und entsprechender Mitwirkung, Regelmäßigkeit mit geringen Sitzungs-Abständen und Selbst-Disziplin ist dies aber machbar.

 

Verhaltenstherapie

Mit der Verhaltenstherapie steht ein effektives psychotherapeutisches Behandlungsverfahren zur Verfügung, das am konkreten Verhalten der Betroffenen ansetzt. Eine frühe verhaltenstherapeutische Behandlung sollte nicht verzögert werden, weil eine Behandlung zu Beginn der Störung erfolgversprechender ist. Für Verhaltenstherapie (VT), Kognitive Therapie (KT) und Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) haben sich weder in der Wirksamkeit noch in der praktischen Durchführung Unterschiede ergeben. Dies kann auch in einem Gruppensetting durchgeführt werden, besonders wenn Einzeltherapie nicht möglich erscheint.

 

Konfrontation mit Reaktionsmanagement

Bei dieser gut erforschten Methode werden Patienten wiederholt mit Gegenständen oder Situationen konfrontiert, die normalerweise Angst, zwanghafte Befürchtungen und Zwangshandlungen auslösten. Dabei sollen die Zwangspatienten jedoch keine der Zwangshandlungen bzw. Sicherheitsverhalten tatsächlich ausführen und so lernen, dass es auch ohne Ausführung der Zwangshandlungen geht - und trotzdem nichts Nachteiliges bzw. Schlimmes passiert.

 

Weil dies den Klienten sehr schwerfällt, führt der Therapeut das Verhalten ggf. anfangs modellhaft vor (Modelllernen). Während man bei dieser Behandlungsmethode früher von einer „Reaktionsverhinderung“ sprach, wird heute üblicherweise von einem „Reaktionsmanagement“ gesprochen, denn die Reaktionen sollen während der Konfrontation nicht gänzlich verhindert werden, sondern lediglich die Vermeidungsreaktionen (siehe auch Konfrontationstherapie) unterbinden.

 

Weil es fast unmöglich ist, gedankliche (kognitive) Vermeidung zu beobachten, soll der Patient dazu angeleitet werden, sich auch inhaltlich mit den zentralen Themen seiner Befürchtungen zu beschäftigen und sich auf die emotionale Qualität der Situation einzulassen („emotional processing“). Es geht in diesem Sinne nur um die Reaktionsverhinderung von Vermeidungsverhalten, während die emotionale Reaktion gefördert wird.

 

Besteht die Möglichkeit einer hochfrequenten Exposition mit Reaktionsmanagement (Blockexposition, mehrere Expositionen in der Woche etc.) wird dies empfohlen. Dabei wird eine Expositionsbehandlung empfohlen bis zum Erreichen einer klinischen Remission (bspw. Abfall der diagnostischen Werte und Verbesserung der Lebensqualität). Bei 60 bis 90 % der Zwangspatienten, die mit diesem Verfahren behandelt werden, tritt eine Besserung ein in Form einer Reduzierung der Zwangshandlungen und darauf folgenden Angsterlebnissen. Die Therapieerfolge lassen sich noch Jahre später beobachten.

 

Habituationstraining

wird bei isolierten Zwangsgedanken eingesetzt. Die Klienten erhalten die Anweisung, sich den Zwangsgedanken oder die Zwangsvorstellung ins Bewusstsein zu rufen und eine längere Zeit gegenwärtig zu halten. Bei einer anderen Form konfrontieren sich die Patienten mit den belastenden Zwangsgedanken durch das Anhören entsprechender sich wiederholender Sprachaufnahmen.

 

Achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie

kann in Erwägung gezogen werden, wenn zuvor keine ausreichende Veränderung durch Konfrontation mit Reaktionsmanagement erzeugt werden konnte. Dies gilt sowohl im Einzel- als auch im Gruppensetting. Die Betroffenen lernen, auf ihre Gedanken und Verhalten zu achten und zu versuchen, die auslösenden Gedanken zu stoppen.

 

Die Gedankenstopp Methode ist eine einfache Möglichkeit sich von störenden Gedanken zu befreien. Je öfter man diese  Technik anwendet, desto besser kann man lästigen Gedanken wie Zwangsgedanken stoppen, das Gedankenkarussell unterbrechen und sich von Zwangsgedanken befreien. Wie funktioniert das?

 

Wenn man sich beim Grübeln, einem belastenden, angstmachenden oder zwanghaften Gedanken oder beim sich ärgern und aggressiv werden ertappt, stoppt man die Gedanken, indem man sich in Gedanken ein rotes Stopp-Schild vorstellt - und laut oder in Gedanken "STOPP" sagt. Durch das STOPP-Zurufen unterbrechen wir unsere Gedanken erst mal. Zudem lernen wir, negative Gedanken und Gefühle zu erkennen, diese ins Bewusstsein zu rufen (bewusst zu machen) und achtsam damit umzugehen.

 

Wenn man nach dem STOPP nachfolgend nichts unternimmt, würden die lästigen Gedanken danach aber wiederkommen. Deshalb ist es wichtig, dass man sich nach dem STOPP bewusst und ruckartig etwas anderem zuwendet. Statt negative Gefühle überwinden zu wollen, ist es einfacher, diese durch gute Gefühle zu neutralisieren. 

 

Vorab empfiehlt es sich, langsam ein und wieder aus zu atmen (ggf. weitere Atemtechniken nutzen) und sich etwas Schönes und Entspannendes vorzustellen z.B. einen Strand, eine Bergwiese, etwas, das man sich wünscht. Was ist für Sie schön? Was ist für Sie entspannend? Was wünschen Sie sich? 

 

Wenn Sie Autogenes Training üben, rufen Sie folgende Formel (in Gedanken oder als Aussage ab: „Ich bin ruhig, entspannt, gelöst und gelassen“. Danach oder alternativ kann man sich im 2. Schritt Gute Laune Strategien zuwenden. 

 

Was sind Gute Laune Strategien? Es gibt viele Gute Laune Strategien: 

 

Man kann sich z.B. Positives und Erreichtes bewusst machen und sich bewusst machen, wofür man dankbar sein kann. Das Gefühl der Dankbarkeit ist ein echtes Powergefühl und es ist leicht zu erzeugen. Wofür sind Sie dankbar?

 

Auch kann man seine Körpersprache nutzen: Man kann seine Gefühle relativ schnell ändern, wenn man seine Körpersprache ändert. Denn durch seine Mimik, Gestik und Körperhaltung hat man einen direkten Draht zu seinen Gefühlen. Erzeugt man ein künstliches Lächeln (am besten vor einem Spiegel) - notfalls sogar über einen Stift zwischen den Zähnen -  entsteht nach einiger Zeit eine psychosomatische Rückkopplung.

 

Eine ähnliche Wirkung hat der Gebrauch von "Gute Laune Vokabular": Worte können in uns Gefühle von Begeisterung, Liebe und Hoffnung auslösen, aber eben auch das Gegenteil davon. Finden und sagen Sie z.B. etwas Positives und ggf. etwas positiv Interessantes und etwas positiv Neues! Dies kann man auch im Alltag nutzen und kommunizieren: „Super Wetter.“ „Ein tolles Foto.“ „Ein leckerer Kaffee.“ „Ein schöner Tag.“ „Eine nette Geste.“ „Ein schönes Lächeln.“ „Eine neue Frisur“

 

Auch ist es wichtig, sich dies beim Alltagssprachgebrauch oder lediglich in seinen Gedanken bewusst zu machen und im Gebrauch dieser Gedanken und Aussagen achtsam zu sein:  Ist die Tasse halb leer oder halb voll? „Du hast erst drei Stunden gearbeitet." klingt irgendwie vorwurfsvoll und demotivierend. „Du hast bereits die Hälfte der Arbeit erledigt." klingt hingegen lobend und motivierend.

 

„Ich weiß nicht, ob ich das schaffe / aushalte“, führt zur inneren Verzweiflung. Es ist besser zu denken oder zu fragen: „Wie (konkret) schaffe ich das?“ „Was brauche ich (konkret)?“, „Welche Methode kann ich nutzen?“, „Wann (konkret) hört dieses oder jenes z.B. der störende Lärm auf?“. 

 

Gedanken oder Aussagen wie „Ich schaffe das nicht“ sind destruktiv. Sie machen einen hilflos und ohnmächtig. Sagen Sie sich „Ich schaffe das!“ Und wenn Ihnen das nicht gelingt, denken Sie sich oder sagen Sie „noch nicht“.

 

Derartige Achtsamkeit im Hinblick auf Gedanken ist ebenso wichtig in der zwischenmenschlichen Kommunikation. Achten Sie also darauf, was Sie denken und sagen!

 

Das Umschwenken auf "Gute Laune Aktivitäten" nach der Gedanken-Stopp-Methode ist ebenfalls ein gutes Mittel sich aus einer negativen Stimmung, negativen Gefühlen oder aus Zwangsgedanken herausreißen, stattdessen positive Gefühle zu erzeugen, sich abzulenken und sich über stetige Wiederholung entsprechender "Gute-Laune-Strategien" umzuprogrammieren. 

 

Was sind Ihre Gute Laune Aktivitäten? Was mache Sie gerne?

 

Auch kann und sollte man sich bewusst machen, dass man selbst der Chef über sich ist, der letztendlich selbst bestimmt, was man denkt und was man fühlt. Wie man gefühlsmäßig auf etwas reagiert, liegt letztendlich an einem selbst. Tatsächlich hat man selbst die Wahl, wie man sich fühlen möchte, denn man selbst kontrolliert letztendlich die eigenen Gedanken. 

 

Ggf. hilft es, sich bewusst zu machen, dass man nicht sein Körper IST, sondern einen Körper HAT, über den man selbst bestimmen kann. Und zu diesem Körper gehört auch unser Gehirn. Gedanken kommen nicht einfach; man macht Sie.   

 

Man kann die Wirkung des Gedankenstopps weiter unterstützen, indem man sich ein Gummi um das Handgelenk legt, kräftig daran zieht und dann schnuckartig loslässt, so dass man einen leichten (oder zur Not ggf. etwas stärkeren) körperlichen Schmerz verspürt, der im Sinne des Wirkungsprinzips der klassischen Konditionierung als bestrafender Reiz - ähnlich einem Stromstoß - und als Verstärker fungiert. Zudem verstärkt dies die ablenkende Wirkung des STOPP. 

 

Assoziationsspaltung

ist eine Therapietechnik für Patienten, die ihre Zwangsgedanken in Worte fassen können. Die Methode baut parallel zu den negativen, quälenden Assoziationen neue neutrale oder positive Verknüpfungen auf. Dadurch werden auf physiologischer Ebene alternative neuronale Bahnungen (Assoziationen) belebt. Die Methode ist als Selbsthilfetechnik anwendbar. Eine systematische Übersichtsarbeit ergab signifikante Effekte auf Zwangsgedanken und die Zwangssymptomatik insgesamt im Vergleich zu Kontrollbedingungen.

 

Metakognitives Training bei Zwangsstörungen (Z-MKT)

ist ein Behandlungsangebot mit Schwerpunkt auf zwangsspezifische Denkverzerrungen. Erste Studien sprechen für die Akzeptanz seitens der Teilnehmer sowie die Effektivität gegenüber einer Kontrollbehandlung.

 

Psychodynamische Verfahren

Eine psychodynamische Psychotherapie, die einem psychoanalytischen oder tiefenpsychologischen Ansatz zugrunde liegt, hat das Ziel, gehemmte Impulse bewusst zu machen und etwaige Konfliktspannungen als unbewusste Inszenierung auf Grundlage daraus abgeleiteter Konflikte aufzuarbeiten (z. B. zwischen Abhängigkeit und Autonomie, Unterordnung und Aufsässigkeit, Gehorsam und Sich-Auflehnen). Für diese Ansätze in der Zwangsstörungsbehandlung liegen „keine Evidenzen in der Wirksamkeit aus randomisierten kontrollierten Studien“ vor.

 

Zurück zur Sichtweise der Psychiatrie:

Behandlung mit Medikamenten

Zur Behandlung kommen primär Arzneistoffe aus dem Bereich der Psychopharmaka zum Einsatz. Häufig werden mehrere Medikamente kombiniert und es kann einige Zeit (oft 2–3 Monate) in Anspruch nehmen, bis ein Patient wirksam eingestellt ist. Eine alleinige medikamentöse Therapie (Monotherapie) ist indiziert, wenn eine geeignete Verhaltenstherapie nicht zur Verfügung steht bzw. eine lange Wartezeit erfordert oder wenn eine Motivation für eine kognitive Verhaltenstherapie nicht vorhanden ist. Ebenfalls kann eine Psychotherapie medikamentös ergänzt werden zum Erreichen eines schnelleren Wirkungseintrittes, bei Vorliegen einer zusätzlichen Depression und insbesondere bei unzureichendem Ansprechen auf Psychotherapie[109]. Auch kann eine psychopharmakologische Behandlung eingesetzt werden, um die Bereitschaft und Fähigkeit des Patienten für eine kognitive Psychotherapie zu erhöhen.

 

a) Antidepressiva

Als wirksam zur Behandlung der Zwangsstörung haben sich in mehreren kontrollierten Studien diejenigen Antidepressiva erwiesen, die überwiegend oder selektiv eine Hemmung der Wiederaufnahme des Botenstoffs Serotonin bewirken, z. B. selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), zum Beispiel Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin, Sertralin oder das trizyklische Antidepressivum Clomipramin; in einer Studie hat sich auch Venlafaxin als wirksam bei Zwangsstörungen erwiesen. Das Ansprechen auf die Behandlung scheint unabhängig vom Schweregrad der Erkrankung zu sein.

 

In Deutschland sind zur Behandlung der Zwangsstörung Clomipramin, Escitalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin und Sertralin zugelassen. SSRIs gelten aufgrund der besseren Verträglichkeit als Mittel der 1. Wahl. Clomipramin ist laut Metaanalysen tendenziell oder signifikant wirksamer als SSRIs. Da Patienten die Behandlung mit Clomipramin wegen der Nebenwirkungen jedoch häufiger abbrechen, gilt dieses Medikament als zweite Wahl.

 

Für die medikamentöse Therapie der Zwangsstörung gelten laut Psychiatrie einige Besonderheiten: Es sind meist höhere Dosen als in der Behandlung einer Depression oder Angsterkrankung notwendig. Nach spätestens 6–8 Wochen sollte die maximal mögliche Dosis erreicht sein (sofern nicht bereits eine Wirkung eingetreten ist. Höhere Dosen sind angeblich mit einem besseren Therapieerfolg verbunden.

Ein Therapieerfolg stellt sich oft erst nach zwei bis drei Monaten ein. Meist werden nur Besserungen um 40–50 % erreicht. Dies entspricht einer deutlich nachweisbaren Wirkung, jedoch keiner vollständigen Besserung. Es ist eine längerfristige medikamentöse Erhaltungstherapie (mindestens 12–24 Monate) erforderlich. Bei Behandlungsresistenz kann laut Psychiatrie der Wechsel auf einen anderen SSRI-Wirkstoff oder Clomipramin oder Venlafaxin versucht werden.

 

Laut Psychiatrie ist bei alleiniger medikamentöser Therapie nach dem Absetzen des Antidepressivums in etwa 80 % der Fälle mit einem Rückfall zu rechnen. Das Absetzen der Medikamente sollte laut Psychiatrie daher langsam ausschleichend und möglichst nur nach einer parallel durchgeführten Verhaltenstherapie erfolgen.

 

b) Neuroleptika

Bei ausbleibendem oder unzureichendem Ansprechen auf SSRIs und Clomipramin und insbesondere bei gleichzeitigem Vorliegen von Tic-Störungen und Tourette-Syndrom kann laut Psychiatrie als Ergänzung eine zusätzliche Therapie mit den Antipsychotika Risperidon, Haloperidol, Aripiprazol oder, mit Einschränkung, auch Quetiapin versucht werden.

 

Bei der Behandlung mit Neuroleptika können Nebenwirkungen auftreten wie Müdigkeit, Benommenheit, Störungen von Konzentration und Reaktionsfähigkeit zu Beginn der Behandlung, langfristig Appetitsteigerung und Gewichtszunahme, hormonelle Störungen, sehr selten und nur in höherer Dosierung Bewegungsunruhe und motorische Eingebundenheit.

 

Neuroleptika werden von manchen Autoren besonders dann empfohlen, wenn die Zwangsgedanken sogenannten "magischen" Charakter haben, eine unzureichende Distanz zu den Zwangsinhalten besteht oder die Zwänge bizarr wirken. 

 

c) Sonstige Arzneistoffe

Laut der Psychiatrie gibt es Hinweise darauf, dass der Wirkstoff Acetylcystein ebenso wie andere Medikamente, die auf die glutaminergen Synapsen des Gehirns einwirken, zu einer Besserung von Zwangssymptomatiken führen kann. Gleiches gilt angeblich für einige H1-Antihistaminika wie Diphenhydramin und insbesondere Hydroxyzin, das auch ein starker Dopamin- und Serotonin 5-HT2 Antagonist ist.

 

Daneben gibt es sporadische Studien über diverse andere Wirkstoffe, die auf das serotonerge System (z. B. Inositol) sowie die Acetylcholinrezeptoren (Anticholinergika) einwirken.

 

Im Rahmen von Anwendungsbeobachtungen zeigte sich unter Einnahme von μ-Opioiden wie Hydrocodon oder Tramadol angeblich eine spontane Reduktion von Zwangssymptomen bei ansonsten behandlungsresistenten Patienten. Breit angelegte Studien hierzu liegen allerdings nicht vor und Grund sowie Wirkungsweise für den beobachteten Effekt sind bis dato unklar.

 

Der Einsatz von Opiaten bei Zwangssymptomen ist somit experimentell und indikationsüberschreitend („off-label“); zudem sind laut Psychiatrie bei gleichzeitiger Einnahme von CYP2D6-Inhibitoren wie Fluoxetin oder Paroxetin besondere Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, da die therapeutische Breite deutlich reduziert sein könne. Zudem besitzen Opiate ein erhebliches Suchtpotential.

 

Chirurgische Eingriffe

Zur Behandlung starker therapieresistenter Zwangsstörungen besteht aus Sicht der Psychiatrie die Möglichkeit der „Tiefen Hirnstimulation“ (Deep Brain Stimulation). Dabei werden dauerhaft Elektroden in das Hirn eingepflanzt, die elektrische Impulse eines an der Brust implantierten Schrittmachers in für die Entstehung von Zwangssymptomen entscheidende Hirnareale leiten. In den USA ist dieses Verfahren bereits seit 2009 von der Kontrollbehörde FDA für die Behandlung von Zwangsstörungen zugelassen.

 

Unterstützende Maßnahmen

Neben der direkten Behandlung einer Zwangsstörung können begleitende Hilfsmaßnahmen wie bspw. das Einbinden des näheren sozialen Umfelds (durch Familientherapie, Eheberatung oder Maßnahmen der sozialen Arbeit) sich als hilfreich erweisen. Von besonderer Bedeutung sind zudem folgende Interventionen:

 

Psychoedukation:
Darunter versteht man die Schulung und Unterweisung von Erkrankten oder ihren Angehörigen bzw. Bezugspersonen, um besser mit den Konsequenzen einer Zwangserkrankung umgehen zu können.

 

Das Verständnis für die Ursachen und Auswirkungen der Krankheit kann sich auf die Behandlung des Erkrankten ebenso positiv auswirken wie auf seine sozialen Beziehungen. Auch der im Falle einer Zwangserkrankung bestehenden Gefahr einer sozialen Stigmatisierung kann mit psychoedukativen Verfahren begegnet werden.

 

Zudem können die Angehörigen bzw. die Bezugspersonen lernen, wie sie mit dem Betroffenen und dessen Problematik besser umgehen können und wie sie den Betroffenen bei dessen Therapie nachhaltig unterstützen können. Dies ist sehr wichtig; schließlich hat das Umfeld der Betroffenen allein durch die unmittelbare Nähe und höhere zeitliche Einwirkung eine höhere Wirkung als z.B. eine 1-stündige psychotherapeutische Sitzung einmal pro Woche, was sowieso viel zu wenig ist. 

 
Siehe dazu: Beratung für Angehörige

 

Bewegung:

Sport- und bewegungstherapeutische Interventionen wie z. B. Ausdauertraining können eine sinnvolle Ergänzung zur Therapie sein. Die Kraft für Zwangshandlungen und das Engagement, Zwangshandlungen auszuführen, sinkt allein schon dadurch, dass bei einem Ausdauertraining viel (und überschüssige) Kraft verbraucht wird und die Kontrolle der Ausdauer wie das Sich selbst zwingen, das Training durchzuhalten vom eigentlichen Zwang, der stört, deutlich ablenkt.

 

Es wird ein anderer Fokus gesetzt. Neufokussierung, Ablenkung und Kraftverbrauch senken die Fähigkeit zu Zwangsgedanken und - noch stärker - zu deren Ausführung. Insofern wird der Zwang neu kanalisiert und über stetige Wiederholung quasi umgelernt. Falls der eigene Antrieb oder der sogenannte "Innere Schweinehund" fehlt, sollte auch hier eine Unterstützung - z.B. durch einen Coach / Trainer erfolgen - nicht in Bezug auf die Anleitung, sondern vielmehr in Bezug auf die Motivierung, Überwachung und positive Begleitung der konkreten körperlichen Aktivität.