Kontrollzwang

Kontrollzwang

Der sogenannte "Kontrollzwang" geht mit einem starken bzw. überaus hohem Bedürfnis bzw. Drang nach Kontrolle einher und ist eine spezielle Ausprägung - und sehr häufige Form - einer Zwangsstörung und / oder einer bestimmenden kontrollierenden Persönlichkeit.

 

Menschen mit einem Kontrollzwang verbringen in Bezug auf ihr Verhalten viel Zeit mit der Überprüfung von allem Möglichen: Türen, Herd, Wasserhähne, Kinder usw.

 

Dieses Verhalten basiert auf Gedanken wie: "Ist die Kaffeemaschine auch wirklich aus?", "Ist der Wecker richtig gestellt?", "Was machen die Kinder gerade?" bzw. "Wie geht es den Kindern?".

 

Dies erfolgt nicht nur einmal pro Tag, sondern öfters, obwohl zuvor bereits eine entsprechende Überprüfung durch sie selbst erfolgte, der sie nun - kurze Zeit später - aber bereits nicht mehr trauen. Denn ihr Denken basiert auf der (teils phantastischen) Angst, dass alles mögliche passieren könnte, für das sie "verantwortlich" sind  (= überhoch stark ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein) - und dass sie (aufgrund ihrer übertriebenen Gewissenhaftigkeit) stets alles "im Griff haben" "müssen".

 

Die besagten zeitraubenden Rituale gehen mit entsprechendem Di-Stress einher - und hindern sie auf Dauer daran, am Leben und Zusammenleben mit anderen unverkrampft teilhaben zu können und ihre alltäglichen Aufgaben angemessen zu bewältigen.

 

Menschen mit einem Kontrollzwang haben starke Selbstzweifel: Obwohl sie z.B. gerade die Tür verschlossen haben, sind sie sich im nächsten Moment bereits unsicher, ob diese auch wirklich sicher verriegelt ist. Ähnlich ergeht es ihnen mit Wasserhähnen, Lampen und Weckern. Während sie z.B. das richtige Stellen ihres Weckers mehrfach kontrollieren, drücken andere mehrmals an der Türklinke, um sicher zu sein, dass die Tür wirklich verschlossen ist.

 

Manche Betroffene müssen mehrfach umkehren und erneut alles überprüfen. Andere wiederum wollen ihre Wohnung gar nicht mehr verlassen, weil die Ängste zu stark sind. Die Betroffenen befürchten, dass durch ihre Schuld ein schreckliches Unheil eintritt. Um dieses Unheil zu verhindern, überprüfen sie immer und immer wieder beispielsweise die Herdplatte, da sie Angst haben, den Herd versehentlich angelassen zu haben, wodurch es dann brennen könnte.

 

Andere kontrollieren mehrfach ihren Wecker oder gleich mehrere Wecker, weil sie Angst haben, zu verschlafen und dadurch zu spät zur Arbeit oder zu einem wichtigen Termin zu kommen, wodurch es dann ggf. zu Problemen, Ärger oder Sanktionen kommt oder bei anderen das Gefühl der Unzuverlässigkeit entstehen könnte.

 

Manche Betroffene haben ständig Angst, dass ihren Kindern oder anderen Personen in der Familie etwas zustoßen könnte, weshalb sie diese stetig kontrollieren (z.B. durch Kontroll-Anrufe, Kontroll-Besuche, Lauschen am Babyphone, Kontrolle, ob jemand noch atmet, ob bei jemandem das Licht angeschaltet ist usw.). Auch gibt es Betroffene, die z.B. Angst haben, jemanden aus Versehen zu überfahren, ohne es zu bemerken, weshalb sie dann immer wieder denselben Weg abfahren, um sich zu versichern, dass kein Mensch durch sie verletzt worden ist.

 

Ein ausgeprägter Kontrollzwang geht mit stressiger Angst einher und entspricht zugleich einer Art Leistungsdruck, der  aufgrund der stressigen Zwangsgedanken ("Ich muss...", "Ich muss noch...",), der Selbstzweifel ("Habe ich alles erledigt?", "Habe ich ich auch wirklich alles richtig  gemacht?" usw. ) und des Zwangsverhaltens (Überprüfen, Kontrolle) einen erheblichen Leidensdruck verursacht. Zudem werden die Kontrollhandlungen oft bis zur völligen Erschöpfung wiederholt.

 

Differenzierung

Im Gegensatz zu anderen Störungen wie z.B. einer Wahnstörung wissen Menschen mit einem Kontrollzwang, dass ihr Verhalten irrational ist. Sie sind aber dennoch nicht in der Lage, es zu ändern.

 

Zudem werden Störung und Leidensdruck anderen Gegenüber von den Betroffenen häufig negiert und / oder selbstwertdienlich verzerrt. Beispiel: "Andere machen es auch.", "Das ist völlig normal.", "Es ist meine Pflicht.", "Man "Ich trage nun mal die Verantwortung.", "Andere sind eben verantwortungslos.", "Andere machen es ja schließlich nicht", "Das macht sich nicht von alleine.", "Einer muss es ja schließlich machen."

 

Während sich eine klassische Zwangsstörung auf die Kontrolle von Gegenständen bezieht, weist ein zwanghaftes Verhalten, das sich auf die Kontrolle anderer Menschen bzw. die Kontrolle "über" andere Menschen bezieht, eher auf eine Persönlichkeitsstörung hin. Ein Beispiel hierfür sind z.B. bestimmende-kontrollierende Persönlichkeiten

 

Für die Differenzierung entscheidend, ist auch die konkrete Kommunikation der Betroffenen sowie die Unterscheidung zwischen deren tatsächlicher "Einsicht" in ihr Leiden und möglicher "Uneinsichtigkeit", was mit Abstreiten und / oder Verteidigung der Gedanken und des Zwangs-Verhaltens gegenüber der Umwelt bzw. anderen einhergeht. Unterschiedlich ist folglich auch das Vermeidungsverhalten.

 

Vermeidungsverhalten

Vermeidungsverhalten wie z.B. das Verlassen des Hauses zu vermeiden, bestimmte Maschinen nicht mehr zu nutzen oder z.B. keine Kerzen mehr anzuzünden sind Vermeidungsstrategien, die den Kontrollzwang aufrechterhalten oder sogar verschlimmern. In einer Psychotherapie werde solche Strategien daher aufgedeckt und bearbeitet.

 

Stattdessen hilft vielmehr die Konfrontation mit dem konkreten Unterlassen von Zwangs-Verhalten bei entsprechenden Zwangs-Gedanken(kognitive Verhaltenstherapie mit Konfrontationsübungen). Konkret deutet das z.B. zu üben, das das Haus zu verlassen, ohne mehrmals die Türe zu überprüfen. Ebenfalls üben die Betroffenen in der Therapie, dem Drang nach Kontrolle nicht nachzugeben.

 

Im Verlaufe einer solchen Therapie lernen die Betroffenen, sich auf ein normales Maß an Kontrollmaßnahmen zu beschränken und sich selbst zu vertrauen. Mit der Zeit gewinnen sie dabei zunehmend an Sicherheit. Selbstzweifel und Angst lassen nach. Ergänzend hilft eine solche Psychotherapie in Kombination mit Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI).

 

Ursachen 

Aus medizinischer (psychiatrischer) Sicht werden biologische Faktoren und Umwelteinflüssen als Ursachen genannt, wobei 

das Zusammenspiel aus beidem eine Rolle spielt. Aus psychologischer Sicht, wird ein Kontrollzwang vielmehr entwickelt. Eine Rolle spielen z.B. traumatische Kindheitserfahrungen oder ein ungünstiger Erziehungsstil der Eltern.

 

Eine wichtige Rolle spielt eine generelle Ängstlichkeit sowie die allgemeine Grundhaltung zum Leben und der Glaube: Ängstliche Menschen tendieren besonders dazu, bedrohliche Gedanken sehr ernst zu nehmen. Sie wollen um jeden Preis verhindern, dass die Gedanken Wirklichkeit werden. Während kollektivistisch orientierte Persönlichkeiten davon ausgehen, dass ausschließlich der Mensch für sich und seine Umwelt verantwortlich ist, haben Menschen mit einem ausgeprägten Glauben an Gott und /oder die Natur bezüglich des Schicksals eine viel höhere Gelassenheit oder ein regelrechtes Gottvertrauen.