Wir glauben Erfahrungen zu machen,
aber die Erfahrungen machen uns
(Eugene Ionesco)
Lernpsychologie beschäftigt sich mit dem Lernen und den entsprechenden Prozessen des Lernens, folglich damit, wie Menschen oder Tiere Informationen erwerben, verarbeiten und speichern. Die Lernpsychologie steht u.a. in einem engen Zusammenhang mit der Verhaltensforschung, der Pädagogik (Pädagogische Psychologie) und der Didaktik.
Viele verstehen unter "Lernen" die bewusste Anhäufung von Wissen, die bewusste, teilweise anstrengende Arbeit des Einprägens und Übens von Begriffen, Wissen, Kenntnissen oder Fertigkeiten. In Wahrheit ist Lernen viel mehr:
Lernen ist ein nicht beobachtbarer dauerhafter Prozess des Erwerbs und/oder der Änderung bestehender Verhaltensweisen als Folge von Erfahrungen und Übungen durch die Auseinandersetzung mit bestimmten Umweltsituationen. Tatsächlich lernen wir das meiste unbewusst und intuitiv.
Wer etwas lernt, der beeinflusst damit zugleich (unbewusst) sein Denken und Handeln. Denn unser Verhalten basiert auf Denken - und unser Denken auf Gelerntem und Erfahrungen. Daher liegt es im Wesen eines jeden Staatssystems, dass die Bürger bestimmte Dinge lernen, andere aber möglichst nicht. Insbesondere das Schulsystem sowie die Medien (insbesondere die Massenmedien) haben einen besonders starken Einfluss auf das, was wir lernen, ebenso auf das, was wir nicht lernen und wissen sollen. Da das Lernen selbst ein nicht beobachtbarer Prozess ist, erklärt man Lern- bzw. Verhaltensänderungsprozesse mit Hilfe von Lerntheorien. Beispiele:
Das klassische Konditionieren
(Ivan P. Pawlow 1849-1936),
Das operante Konditionieren
z.B. Lernen durch Versuch und Irrtum
(Edward Thorndike 1874-1949) oder
Lernen durch Verstärkung
(Burrhus F. Skinner (1904 - 1990),
Das Lernen am Modell
z.B. die sozial-kognitive Lerntheorie
(Albert Bandura, Walter Rischel),
Das Lernen durch Einsicht
(Max Wertheimer 1880-1943, Wolfgang Köhler 1887-1967,
Kurt Koffka 1886-1941, Rolf Oerter)
und weitere...
"Lernen" bezieht sich zwar in Wirklichkeit nicht auf "Bildung", sondern auf das - zumeist intuitive Erlernen bestimmer - mehr oder weniger förderlicher - Denk- und Handlungsmuster, kann aber ebenfalls zu Bildung führen, zumindest dann, wenn das zu lernende "Wissen" logisch nachvollziehbar verstanden und verinnerlicht wird - und in der Praxis anwendbar ist - und dort auch genutzt wird - und nicht wieder verkümmert.
Schließlich können wir auch etwas "verlernen" und "umlernen". Bildung bedeutet übrigens nicht, dass man automatisch das richtige Wissen gelernt hat. Damit kann Bildung zugleich eine Art der Wissensverzerrung in eine bestimmte (ggf. gewünschte), eigentlich aber falsche Richtung sein.
Ebenso lernen wir - nicht nur bewusst (analytisch), sondern zumeist unbewusst jene Denk- und Handlungsmuster, die uns aktuell oder (zumeist) später nicht (mehr) wirklich förderlich sind - und dann ggf. zu Problemen führen: Zu äußeren und inneren Ärgernissen, zu Problemen und Misserfolgen, zu Streit, zu Problemen mit der Psyche oder mit der Umwelt. Dann gilt es, umzulernen. Ein probates Mittel dazu ist ein Coaching oder eine Psychotherapie.
Wer etwas lernt, der beeinflusst damit zugleich (unbewusst) sein Denken und Handeln - damit zugleich auch seinen Erfolg oder Misserfolg. Wir lernen auch in Bezug auf uns selbst und entwickeln unser Selbstbild. Ebenso entwickeln wir durch individuelle Erfahrungen bzw. Lernen ganz persönliche Theorien über andere Menschen (Fremdbild / Menschenkenntnis) und die Welt (Weltbild / Weltannschauung), wodurch sich wiederum regelrechte Ideologien entwickeln können.
Daher liegt es im Wesen eines jeden Staatssystems, dass die Bürger bestimmte Dinge lernen, andere aber möglichst nicht. Denn diese Dinge könnten uns unerwünschte Vorteile verschaffen oder den Staat oder ein System selbst hinterfragen lassen. An das jeweilige System angepasste Bürger funktionieren besser. Insbesondere das Schulsystem sowie die Medien (insbesondere die Massenmedien) haben einen besonders starken Einfluss auf das, was wir lernen, ebenso auf das, was wir nicht lernen und wissen sollen. Manchmal ist es sinnvoll, das zu Lernende sowie das bereits (richtig oder falsch) Gelernte zu hinterfragen und umzulernen bzw. neu zu lernen. Darauf basiert auch die Psychotherapie:
Was uns heute ausmacht, was und wie wir denken und darauf basierend handeln, haben wir im Laufe unseres Lebens erlernt: Entweder richtig und passend oder falsch und unpassend bzw. überholt und nicht mehr zeitgemäß. Wenn das Erlernte für uns heute nachteilig ist, zu Problemen führt oder wir dadurch sogar krank werden, gilt es, dies erkennen und für unsere neuen bzw. heutigen Bedürfnisse und Ziele entsprechend umzulernen. Denn Denk- und Handlungsprogramme, die auf falsch Gelerntem basieren schaden uns. Was einmal (falsch) gelernt wurde, muss nicht für immer in unserem Kopf festhängen und unser Handeln täglich ggf. ungünstig beeinflussen. Zum Glück ist der Mensch dazu fähig, neu zu lernen bzw. umzulernen.
Motivation als Zentralbegriff der Lernpsychologie
Ein zentraler Begriff der Lernpsychologie ist "Motivation". Die Lernpsychologie unterscheidet drei Arten von Motivation:
a) Triebreduktion,
b) Anreizmotivation und
c) Verstärkung.
Während bei der Triebreduktion das Zentrum der Motivation im Individuum selbst liegt, liegt bei der Anreizmotivation das Zentrum in der Außenwelt. Die "Verstärkung" ist ein als angenehm
empfundener Reiz, der auf ein Verhalten folgt und dadurch die Wiederholung des Verhaltens oder einer vergleichbaren Aktivität hervorruft. Es gibt Motivation, die ursprünglich, angeboren und
triebnah ist (Primäre Motivation) und solche, die durch Lernprozesse erworben wird und auf geistigen Bedürfnissen und Interessen basiert (Sekundäre Motivation).
Lerntechniken
Unter Lerntechniken versteht man im Allgemeinen Techniken des bewusst geplanten Lernens mit dem Ziel, Wissen abzuspeichern, sich dieses Wissen zu merken - und es bei Bedarf wieder abzurufen - zum
Beispiel in einer Prüfung.
Darüber hinaus gibt es im Rahmen des Coachings oder der Psychotherapie Techniken, die dazu dienen, neue, andere und möglichst positive Erfahrungen zu sammeln, einen neuen Blickwinkel und
Standpunkt einzunehmen, die alte selektive und einseitige Erfahrung zu relativieren - und ein neues Bewusstsein - und damit eine andere Wahrnehmung zu erlangen, welches zu neuen und positiven
Erfahrungen führt.
Beim Lernen gilt es, die verschiedenen Lerntypen zu berücksichtigen. Schließlich kann sich jeder Mensch komplexe Inhalte, Wissen und Erfahrungen auf unterschiedliche Weise wahrnehmen, aufnehmen, verinnerlichen und merken. Je nach Persönlichkeit reagiert der eine mehr auf optische - ein anderer wiederum auf akustische Reize. Es gibt folglich den visuellen, auditiven, motorischen und kommunikativen Lerntyp und Mischformen. Je nachdem ob es hilft, Inhalte zu sehen, zu hören, mit Bewegungen zu verknüpfen oder sich darüber zu unterhalten, gibt es verschiedene Lerntechniken, die man anwenden kann. Dazu einige Beispiel-Techniken:
Lerntechnik-Beispiel 1: Karteikarten
Für den, der gut und gerne visuell lernt, kann es von Vorteil sein, den Lernstoff auf Karteikarten zu schreiben. So kann man zum Beispiel durch aufgemalte Formen oder Farben verschiedene Fächer oder Themengebiete voneinander abgrenzen und gliedern. Karteikarten helfen dem Gehirn, den Überblick zu bewahren. Hier erinnert man sich zuerst an die jeweilige Karte und ordnet das Gelernte bei Abrufen der Informationen automatisch entsprechend zu. Zudem kann man sich mit Karteikarten auch selber abfragen. Ein weiterer positiver Neben-Effekt ist die Tatsache, dass man sich ein Konzept überlegen muss und man das ganze dann noch mit Hilfe der Motorik aufschreiben muss. Schaubilder, Diagramme etc. verstärken den Lernprozess noch.
Lerntechnik-Beispiel 2: Mind-Mapping
Auch hier geht es darum, sich Zusammenhänge mit visueller Unterstützung einzuprägen und den Überblick zu behalten, was wohin gehört - und was womit zusammenhängt. Die Gliederung in Kapitel und Unterkapitel hilft beim Lernen ungemein.
Lerntechnik-Beispiel 3: Eselsbrücken
Wenn man sich zum Beispiel eine bestimmte Reihenfolge von Fachausdrücken merken muss, kann es hilfreich sein, sich sogenannte "Eselbrücken" zu bauen. Dafür nimmt man einfach die Anfangsbuchstaben
der zu lernenden Inhalte - zum Beispiel "Fachausdrücke" - und bildet dann mit anderen Wörtern mit den gleichen Anfangsbuchstaben einen Satz, den man sich gut merken kann. Wer zum Beispiel Gitarre
spielen kernt, merkt sich die Reihenfolge von Gitarren Saiten wie folgt:
E-ine A-lte D-ame G-eht H-eute E-inkaufen. So klappt das auch mit Fachausdrücken. Ein Reim kann ebenso helfen, sich Regeln zu merken - zum Beispiel grammatikalische - zum Beispiel im Fach
"Latein". Als Merksatz für Präpositionen ist folgende Aufzählung gut geeignet: "a, ab, abs / e, ex, de / cum und sine / pro und prae" (oder: "a und ab, e, ex und de, cum und sine, pro und prae")
stehen immer mit dem Ablativ".
Lerntechnik-Beispiel 4: Die Loci-Methode
Aufbauend auf Eselsbrücken kann man bestimmte Reihenfolgen auch mit Orten in Verbindung bringen - zum Beispiel mit dem Weg, den man jeden Morgen läuft oder fährt. Man kann zum Beispiel jedem Richtungswechsel oder jedem Straßenschild in der richtigen Reihenfolge Stichpunkte zuordnen, die man lernen will. Wenn man im Kopf dann den bekannten Weg abläuft oder fährt, kann man sich an die richtige Reihenfolge erinnern und mit dem abzurufenden Begriff verknüpfen. Empfehlenswert ist auch sie Simulation eines Gangs durch die eigene Wohnung oder dass eigene Haus. Neben Wegen kann man aber natürlich auch andere Routinen aus dem eigenen Alltag nehmen, alternativ die eigenen Körperteile. Tatsächlich sind der Kreativität hier keine Grenzen gesetzt.
Lerntechnik-Beispiel 5: Podcasts aufnehmen
Wenn man sich am besten Sachen merken kann wenn man sie hört, kann man das, was man lernen will oder muss auch aufnehmen und sich immer wieder anhören, sogar nachts im Schlaf. Man beschäftigt sich sowohl beim Aufnehmen mit den Themen als auch beim Abhören des Gesprochenen oder (bei Musik) Gespieltem. Völlig unkompliziert, kann das das Aufgenommene überall hören, egal ob man auf der Couch sitzt oder Auto fährt. Man kann den Lernstoff beim Kochen und Duschen hören - oder wenn man unterwegs ist. Manche Menschen schwören darauf, sich ihre Aufnahmen vor dem Einschlafen und / oder im Schlaf anzuhören und dadurch spielend einfach zu lernen.
Lern-Wiederholung
Ohne regelmäßige Wiederholung bringt die beste Lerntechnik wenig. Es gilt folglich, das gewünschte Wissen mit der gewünschten Methode oder einer Mischung aus unterschiedlichen Lerntechniken immer wieder zu wiederholen.
Verstehen & Erklären
Wichtig ist auch, die Lerninhalte wirklich zu verstehen, damit das Gehirn diese logisch abspeichern kann und nicht mit falschen Inhalten verknüpft. Manche Menschen lernen am besten wenn sie
versuchen, anderen das Gelernte zu erklären oder andere von der Logik oder Richtigkeit des eigenen Wissens zu überzeugen, am besten so lange bis der andere das Wissen ebenfalls verstanden hat und
es an den nächsten weitergeben kann. Hier wirkt u.a. "Lernen durch Einsicht".