Verhalten & Verhaltensbeobachtung

Verhalten richtig beobachten und messen, Beobachtungsfehler - Das ib reality view & proof concept

Psychologische Diagnostik und Analyse mit Hilfe der Methodik des ib reality view & proof concepts

Einführung: Verhalten

Psychologie ist die Lehre vom Erleben (Wahrnehmung, Denken, Fühlen) und Verhalten von Menschen.

 

Unter Verhalten versteht man in der Individual-Psychologie alles beobachtbare Tun und Reagieren, wozu auch bestimmte physiologische Reaktionen (z. B. Schwitzen) gehört.

 

Im sozialen sowie im Zielerreichungs- und Problemlöse-Kontext zählt auch Unterlassen als Verhalten z.B. dann, wenn im zwischenmenschlichen Kontext oder auf Basis bestimmter sozialer Erwartungen bzw.  Erwartungshaltungen ein bestimmtes Verhalten (auf Basis sozialer Kompetenzen und / oder Regelwerke) gefordert oder stillschweigend erwartet bzw. von Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen schlichtweg vorausgesetzt wird (z.B. im Job und Arbeitsleben und Ehe- und Beziehungsleben, im Umgang mit Kunden oder Ämtern etc.)

 

Gelegentlich zählen Aspekte des Erlebens (z. B. kognitive Vorgänge) ebenfalls als Verhalten. Der Begriff Verhalten wird in der Psychologie uneinheitlich verwendet. Prägend für das Verständnis von Verhalten war der Behaviorismus.

 

Gut beobachtbares Verhalten ist das Verhalten in Kommunikationssituationen. Hier zählt zum Verhalten, WAS jemand konkret sagt, WIE er etwas sagt und mit welchen körpersprachlichem Ausdruck er das Gesagte NONVERBAL begleitet. In der Kommunikation zeigt sich Verhalten in Form a) aktiven kommunikativen Handelns (z.B. sich vorstellen, jemanden Ansprechen, Kritik äußern etc.) und im b) kommunikativen Reaktionsverhalten (z.B. Antwort auf bestimmte Fragen, Reaktion auf bestimmte Aussagen, Reaktion auf bestimmte Trigger (Angriffe, Unterstellungen etc).

 

Ebenso zeigt sich die Kommunikation in NICHT-Kommunikation bzw. im Unterlassen von Kommunikation (z.B. wenn jemand nicht handelt, sich kommunikativ eher vorsichtig, abwartend und passiv verhält oder auf bestimmte Aussagen oder direkte wie implizite Aufforderungen nicht reagiert. Wir können nicht nicht kommunizieren. Egal was wir tun oder unterlassen:

Wir senden entsprechende Botschaften und Signale und vermitteln Gefühle wie z.B. Sympathien oder Ablehnung, Bewunderung oder Abscheu, Aufmerksamkeit oder Desinteresse und Langeweile.

 

Verhalten als Signale unserer Persönlichkeit
Der Begriff "Persönlichkeit" bezieht sich auf die charakterliche Individualität des Menschen und seiner zahlreichen Persönlichkeitseigenschaften sowie deren Unterscheidung von anderen. Um anderen Menschen zu verstehen zu geben, als was für eine Art Persönlichkeit man gesehen werden möchte, setzt der Mensch - teils unbewusst, teils absichtlich - bestimmte Signale.

 

Signale sind Zeichen, die eine bestimmte Bedeutung mitteilen wollen. Signale der Persönlichkeit sind Verhaltensweisen und Mittel, die bei anderen eine gewünschte Einschätzung erzielen sollen. Sie sind eine besondere Art der Kommunikation.

Club-Abzeichen oder eingerahmte, an der Wand hängende, zur Schau gestellte Diplome sind ebenso Signale der Persönlichkeit wie Kleidung, bestimmte Kleidungs-Accessoires, Schmuck, Handys oder Aufkleber am Auto. Selbst eine Redewendung oder eine Floskel zählt dazu, auch ein Hobby oder der Besitz eines bestimmten Tieres oder Autos.

 

Wie stellen wir uns anderen vor: Als Arzt oder als Chirurg? Als Theoretiker oder als Macher? Mit leeren Wort-Hülsen oder mit authentischen Inhalten? Dabei geht es gar nicht um gut oder schlecht, sondern darum, dass sämtliche Signale für sich allein und im Zusammenspiel ein ganz bestimmtes Bild von uns und unserer Persönlichkeit abgeben.

 

Diese Signale sollen einen z.B. dazugehörig, überlegen und selbstsicher oder gemütlich, naiv und hilflos etc. erscheinen lassen. Auch sollen sie uns von anderen Persönlichkeiten bzw. Menschen abgrenzen, was mitunter sogar mit wehrhaftem oder gar aggressivem Charakter geschieht. Manchmal werden diese Signale sehr offen und direkt oder geradewegs demonstrativ mit naivem Stolz zur Schau gestellt, manchmal indirekt und verborgen, ohne es selbst zu bemerken, ähnlich wie psychosomatische Beschwerden, die auch etwas ausdrücken sollen z.B. "Kümmere Dich um mich!" oder "Tu mir nicht mehr weh!"

 

Signale der Persönlichkeit entspringen den unterschiedlichsten Haltungen und reichen von Understatement und verborgener Eitelkeit bis zur Wichtigtuerei und Überheblichkeit. Wie auch immer: Stets handelt es sich um die verschleierte Absicht, etwas von innen heraus ausdrücken und nach außen bewirken zu wollen, um etwas darzustellen, zur Schau zu stellen oder etwas zu verschleiern, zu überspielen oder andere Menschen, die einen auf Basis ihrer eigenen sogenannten "Menschenkenntnis" einschätzen und beurteilen wollen, gar in die Irre zu führen. 

 

Signale der Persönlichkeit werden daher (z.B. in der Werbung und Eigenwerbung sowie in der Image-Darstellung) auch gezielt gesendet, um bewusst eine konkret beabsichtigte Wirkung und Geltung zu erzielen und damit ein bestimmtes Wahrnehmungs-, Beurteilungs- und Entscheidungsziel zu erreichen. Richtig angewandt ist dies deshalb relativ einfach, weil Menschen - insbesondere Entscheider stets mit großer Vorliebe bestrebt sind, andere Menschen - bewusst oder unbewusst - zu beobachten, einzuschätzen und zu beurteilen.

 

Dieser innere Drang nach Beobachtung, Einschätzung und Beurteilung basiert auf Instinkten und Neugier sowie auf dem Hang nach Bestätigung der vermeintlich eigenen Menschenkenntnis, die aus psychologischer Sicht zumeist auf Fehlbeobachtungen (sogenannten Beobachtungsfehlern) sowie auf Fehlannahmen und Fehleinschätzungen basiert.

 

Die Vorstellungen von einer Person basieren genau darauf, was diese Person direkt oder indirekt nach außen zeigt oder eben nicht (Unterlassen). Der erste Eindruck ist dabei sehr entscheidend (primacy effect). Durch ihre Signale machen Menschen (z.B. beim Betreten eines Raumes oder auf einem Bewerbungsfoto) gegenüber anderen bewusst oder (zumeist) unbewusst eine entscheidende Aussage.

 

Zwar kann einem niemand wirklich "hinter den Kopf schauen", dennoch - oder gerade deshalb - senden wir wichtige Signale. Dazu gehört unsere Sprache und unsere Sprechweise, unsere Körpersprache (Mimik, Gestik, Körperhaltung, Gang, Körperflüssigkeiten, Düfte/Gerüche etc.) und alles andere, mit dem wir uns umgeben und was wir anderen darstellen, ob Wohnungseinrichtung, Wohnausstattung, Beleuchtung, Garten, Kunstobjekte, Taschen, Hobbys, Mitgliedschaften, Fotos, die wir mit uns führen und zeigen, Sportarten, Redewendungen oder die Gestaltung unseres Aussehens durch Kleidung, Frisur, Styling, Körperpflege, Körpertraining, Körperkult, ein Handy auf dem Tisch oder eine Uhr am Handgelenk.

 

Dies alles entspringt in der Regel keiner Fremdbestimmung; wir haben uns alles selbst ausgesucht oder es zumindest angenommen und zeigen es nach außen. Sicher gibt es auch Menschen, die ihren "Porsche" nur nachts aus der Garage holen und ihn bei Terminen weit weg parken. Nur sind genau jene in der deutlichen Minderheit. Doch selbst ein solches Verhalten erzählt etwas über einen Menschen und seine Persönlichkeit.

 

Abgrenzung zur professionellen Verhaltensbeobachtung

Anders als in der sogenannten "Alltagspsychologie", wo Verhalten und die Interpretation des Verhaltens quasi zusammen ablaufen und zudem zumeist mit einer Wertung einhergeht, unterscheidet die professionelle Psychologie zwischen Verhaltensbeobachtung, Verhaltensbeschreibung und Verhaltenserklärung und agiert dabei wertfrei. Die Wertung des Verhaltens gehört erst einmal nicht dazu.

 

Verhalten im sozialen Kontext

Im sozialen Kontext spielt die Wertung von konkretem Verhalten - auch in Relation zu anderen Menschen oder sozial erwünschten Standards letztendlich jedoch sehr wohl eine Rolle, z.B. um bestimmte Probleme wie innere und äußere Konflikte und / oder Misserfolge zu erklären. Denn für Erfolge und Misserfolge im Leben sind stets impliziten sozialen Ansprüchen und Erwartungen ausgesetzt, an denen wir über unser Verhalten oder Unterlassen bewertet werden.

 

Nicht immer haben wir die Möglichkeit unser soziales Umfeld oder die Gesellschaft so zu ändern, dass sie zu unserer individuellen Persönlichkeit, unserem Verhalten und unseren konkreten Ansprüchen und Erwartungen passt. So geht es zum Beispiel im Ehe- und Beziehungsleben immer um zwei Seiten mit jeweils unterschiedlichen Persönlichkeiten sowie unterschiedlichen individuellen Bedürfnissen, Ansprüchen und Erwartungen und unterschiedlichen Denkmuster, die mit jeweils unterschiedlichem Verhalten und der (alltagspsychologischen) Wertung des Verhaltens des Gegenübers (hier des Partners / der Partnerin) einhergehen. 

 

Unabhängig von individuellen (nicht psychologischen) Wertungen in Partnerschaften gibt es auch eine gesellschaftliche Bewertung von Persönlichkeitstypen und deren Verhalten: Wenn alles "wertfrei" und als "normal" gesehen würde, würde es den Begriff "Persönlichkeitsstörungen" gar nicht geben. Von einer solchen Persönlichkeitsstörung spricht man, wenn bestimmte charakterliche Merkmale derart dominieren, dass dadurch - neben Störungen im eigenen Erleben (Wahrnehmung / Denken) - auch Störungen in Beziehungen zu anderen Menschen eintreten. 

 

Besonders deutlich wird dies z.B. am Beispiel der Dissozialen Persönlichkeitsstörung" / "Antisoziale Persönlichkeitsstörung". Hier ist die Wertung "antisozial" bereits im Namen des Störungsbildes enthalten. Schließlich zeigt sich das entsprechende Verhalten hier z.B. durch die gezielte Missachtung sozialer Normen bzw. gesellschaftlicher Regelwerke sowie der Rechte anderer. Die Dissoziale bzw. antisoziale Persönlichkeitsstörung ist eigentlich die typischste Störung, die Soziale Inkompetenz bereits namentlich spiegelt. 

 

Verhalten auf Basis sozialer Kompetenzen

Soziale Kompetenzen spielen in Bezug auf Verhalten eine entscheidende Rolle. Soziale Kompetenzen und daraus resultierendes sozialkompetentes Verhalten ist wichtig für unser gesamtes Miteinander - und ganz wesentlich entscheidend für unseren persönlichen und beruflichen Erfolg. Nicht selten weisen Menschen, die von anderen gemieden oder angefeindet werden oder weniger Erfolg in der sozialen Interaktion haben als andere Menschen Defizite in Sachen Sozialkompetenz auf. Einfühlungsvermögen zählt ebenso dazu wie angemessenes Verhalten und die Fähigkeit, Widersprüche locker zu ertragen.

 

Soziale Kompetenzen und Empathie sind wichtig, um sich sozial kompetent zu verhalten, um z.B. andere Menschen kennenzulernen, um erfolgreiche Beziehungen und Partnerschaften zu pflegen - und diese zu halten. Das beginnt bei der Vorstellung der eigenen Person und beim Small Talk, läuft über das gesamte Auftreten und Alltagsverhalten im sozialen Kontext bis hin zur Erreichung beruflicher Ziele, wo sozialkompetentes Verhalten eine ebenso entscheidende Rolle spielt wie im Privatleben. Sozialkompetentes Verhalten zeigt sich im konkreten Sozialverhalten, zu dem auch das Unterlassen eines bestimmten Verhaltens in bestimmten Situationen gehört. Details zum Thema finden Sie unter "Wissen Soziale Kompetenzen".

 

Individuelle Wahrnehmung von Verhalten

Verhalten wird gemäß sozialer gesellschaftlicher Erwartungen und Standards aber auch individuell unterschiedlich wahrgemommen. Denn mit Hilfe ihrer Vorstellungskraft (Phantasie) machen sich menschen (durch Kombination vergangener Vorstellungen und Erfahrungen) ein eigenes, ganz individuelles Bild von einer Person und dessen Verhalten.

 

Dieses Bild basiert auf unzähligen Beobachtungs-, Wahrnehmungs- und Beurteilungsfehlern. Um diese tunlichst weitestgehend auszuschließen, greift die Psychologie, die zwischen Alltagspsychologie (sogenannter "Küchenpsychologie" und wissenschaftlicher Psychologie unterscheidet, auf das Werkzeug der professionellen Verhaltensbeobachtung  zurück, um die im nachfolgenden Abschnitt nun gehen soll.

 

 

Verhaltensbeobachtung 

 

Verhaltensbeobachtung als grundlegende Basis psychologischen Handelns

Die Verhaltensbeobachtung bildet die grundlegende Basis psychologischen Handelns. Ohne Verhaltensbeobachtung besteht keine Möglichkeit der objektiven bzw. objektivierten Einschätzung einer Person oder Personengruppe, erst recht nicht in Bezug auf eine professionelle Diagnostik.

 

Verhaltensbeobachtung und Messung des Verhaltens als Hauptwerkzeug der Psychologie

Die professionelle Verhaltensbeobachtung ist ein grundlegendes Hauptwerkzeug der Psychologie - insbesondere bei der psychologischen Diagnostik. Verhaltensbeobachtung steht vor der Verhaltensbeschreibung, der  Verhaltenserklärung und den Werkzeugen zur Verhaltensänderung. Zur Verhaltensbeobachtung gehört das genaue Hinschauen und das Messen des Verhaltens oder Unterlassens.

 

Was versteht man unter Verhaltensbeobachtung?

Unter Verhaltensbeobachtung versteht man die systematische Beobachtung und Registrierung von Verhaltensweisen (in der psychologischen Diagnostik sowie in der empirischen Sozialforschung und in der Erziehungspraxis) bei Einzelpersonen, Kleingruppen oder auch größeren sozialen Gebilden.

 

Verhaltensbeobachtung in der Diagnostik und Analyse sowie in Therapie und Coaching

Die Verhaltensbeobachtung (Fremdbeobachtung) ist eine ausgesprochen wichtige Informationsquelle im Gesamtrahmen des diagnostisch-therapeutischen Prozesses. Beobachtet werden Verhaltensausschnitte und einzelne auffällige Verhaltensweisen, die dem Beobachter ins Auge stechen - und nicht von ihm gesucht werden. Die Beobachtung von Verhalten in unterschiedlichen Situationen sowie ein Wechsel im Vorgehen kann zusätzlichen Informationsgewinn bringen.

 

Beobachtung - Wahrnehmung - Dokumentation
Die Beobachtung bezieht sich auf eine besonders aufmerksame oder zielgerichtete Wahrnehmung und deren Aufzeichnung bzw. Dokumentation in einem bestimmten Beobachtungszeitraum. Sofern es keinen Zeitraum mit mehrfachen Beobachtungen in unterschiedlichsten Situationen gibt, sprechen wir von einer oberflächlichen ersten Einschätzung und bei ib von einer reinen "Draufsicht".

 

Abgrenzung von Beobachtung und Wertung

Bei der Verhaltensbeobachtung geht es um die methodisch gut geplante und durchdachte reine "Beobachtung" ohne Vermischung mit einer möglichen Wertung des beobachteten Verhaltens.

 

Zielgerichtete Beobachtung und offene Beobachtung

Im Gegensatz zu der Verhaltensbeobachtung nach dem ib reality view & proof concept ist eine klassische  Verhaltensbeobachtung zielgerichtet, um etwas für die "Persönlichkeit Charakteristisches" herauszufinden (Hasemann 1964). Gemäß der Verhaltensbeobachtung nach dem ib reality view & proof concept sollte jedoch nicht explizit nach etwas Spezifischem gesucht werden. Hier ist die Beobachtung offen - und es geht mehr um a) generelles Handeln oder Unterlassen sowie b) die Messung bzw. das Messen des konkreten Verhaltens z.B. wie oft jemand anruft, wie häufig negative Wörter oder positive Wörter verwendet werden. Anrufe und Wörter werden hier z.B. gezählt. 

 

Durchführung einer Verhaltensbeobachtung 

Die Möglichkeiten der Durchführung einer Verhaltensbeobachtung sind vielfältig und orientieren sich an den Anlässen, an den zu beobachtenden Situationen und an der Phantasie desjenigen, der Verhaltensbeobachtung organisiert. Die einfachste Methode ist der Einsatz eines Beobachtungsbogens,  der Verhalten in einem bestimmten Zeitraum in einfachen und nicht wertenden Worten beschreibt. 

 

Eine anspruchsvollere Variante ist der schematisierte Beobachtungsbogen, der auf das zu beobachtende Verhalten einer Person abgestimmt ist.  Die unterschiedlichen Ordnungsgesichtspunkte sind möglich z.B. Verhalten im Einzelgespräch, Verhalten beim Spielen, Verhalten in Konflikten, Verhalten bei der Erledigung bestimmter Aufgaben usw.). Das Führen einer Strichliste auf einem zuvor konzipierten Options-, Anforderungs- und / oder Erwartungsbogens ist ebenfalls möglich und empfiehlt sich z.B. bei der Eignungsdiagnostik oder zur Prüfung sonstiger Beobachtungen oder subjektiver Vor-Einschätzungen 

 

Wichtigkeit & Problematik in der psychologischen Alltags-Praxis

Ein großes Problem besteht darin, dass Verhaltensbeobachtung in der angewandten Psychologie und Pädagogik zumeist nicht ernst genommen wird oder gar "lästig" erscheint, obwohl dies in Wirklichkeit sehr wichtig ist, auch um wissenschaftlich fundiertes Arbeiten von sogenannter Alltagspsychologie bzw. Küchenpsychologie auf Basis von Menschenkenntnis abzugrenzen. Zudem sind mögliche Verhaltensänderungen nur über Verhaltensbeobachtung nachweisbar und belegbar.

 

Bekommt der Beobachtete die Verhaltensbeobachtung mit? 

In einer sogenannten "Supervision" bekommen die beobachteten Personen die Verhaltensbeobachtung mit. Die Beobachteten wissen, dass Sie (wenn auch nicht beurteilt) beobachtet werden. Hier besteht jedoch die Gefahr des sogenannten "Anwesenheitsfehlers" (siehe "Sozialer Einfluss") und ebenso die Gefahr, dass sich die beobachteten Personen dem Beobachter anpassen und sich verstellen. Schließlich zählt es zu den grundlegenden Bedürfnissen von Menschen sich bewusst (und nicht unbewusst) von ihrer möglichst besten Seite zu zeigen.

 

Daher gilt der Grundsatz: Je professioneller die Verhaltensbeobachtung, desto weniger bekommen die Beobachteten von der Beobachtung mit, desto objektiver und valider ist das Ergebnis der Beobachtung. Daher ist es wichtig, dass der Beobachter möglichst keine expliziten Vorgaben macht oder Erwartungen äußert.

 

Eine normale psychologische Verhaltensbeobachtung vorher oder parallel zur Beobachtung zu kommunizieren, wäre folglich mehr als unprofessionell, sofern es um das Erreichen einer objektiven Einschätzung ohne direkte oder indirekte Beeinflussung durch den Beobachter geht.

 

Hinzu kommt: Ein Beobachter, der bezüglich des erwarteten Verhaltens einer Person eine bestimmte Erwartungshaltung kommuniziert, würde dadurch zugleich bzw. automatisch auch seinen WUNSCH nach Erfüllung seiner Erwartung zum Ausdruck bringen, wodurch er den Beobachteten zu einem bestimmten Handeln lenkt oder gar nötigt, so dass ein mögliches Unterlassen dann ebenfalls nicht beobachtet werden kann. Doch genau darauf kommt es in manchen Bereichen (z.B. bei Problemstellungen im sozialen und partnerschaftlichen Kontext sowie bei der professionellen Personalauswahl bezüglich wichtiger Positionen und Beziehungen) letztendlich aber an.

 

Beobachtung von bewusstem und / oder unbewusstem Verhalten oder Unterlassen

Für eine valide Diagnose oder Beurteilung ist es folglich entscheidend, ob man bewusstes Verhalten oder unbewusstes Verhalten beobachtet. Aus den unterschiedlichsten Motiven von Menschen heraus, entspricht nämlich Verhalten, das bewusst zur Schau gestellt bzw. an den Tag gelegt wird, logischerweise nicht zwingend dem Denken der betreffenden Person, weder ihrer wahren Persönlichkeit noch ihren wirklichen Einstellungen. Entscheidend ist, ob die beobachtete Person die Beobachtung selbst mitkommt.

 

Beobachtung von speziellen Verhaltensweisen 

Möchte man das Handeln oder Unterlassen von möglichem speziellen Verhalten außerhalb von Standard-Situationen beobachten z.B. die konkrete Reaktion auf bestimmte Aussagen, die Konfrontation mit unangenehmen Wahrheiten oder verbale Angriffe, so muss man die zu beobachtenden Personen entsprechend triggern bzw. sie mit bestimmten Reizen konfrontieren oder ihnen eine konkrete Aufgabe geben - und dann das entsprechende Verhalten bzw. die entsprechende Reaktion beobachten. Dies trifft insbesondere bei der Beobachtung des konkreten Kommunikationsverhaltens bzw. des kommunikativen Reaktionsverhaltens zu.

 

Ganzheitliche Verhaltensbeobachtung

Kommunikation bzw. WAS jemand konkret sagt, WIE er etwas sagt und mit welchen körpersprachlichem Ausdruck er das Gesagte NONVERBAL begleitet, spielt in der professionellen ganzheitlichen Verhaltensbeobachtung eine bedeutende Rolle. 

 

Sofern eine zu beobachtende Person nicht auf bestimmte (im Vorabschnitt erwähnten) Trigger-Reize reagiert oder die (im Vorabschnitt erwähnte) Aufgabe unterlässt, ist dies für die Verhaltensbeobachtung ebenso relevant wie eine tatsächlich erfolgte Reaktion auf den Reiz oder die Aufgabe.

 

Auch besteht die Möglichkeit, der zu beobachtenden Person bewusst eine unkonkrete Aufgabe zu geben z.B.: "Lesen Sie sich bitte XY durch und überlegen Sie sich, was von den XY-Informationen auf Sie persönlich zutrifft.". Hier ist  keine direkt verbalisierte Bitte verbalisiert, die Ergebnisse der Aufgabe nachfolgend zu kommunizieren. Die Fragestellung könnte hier z.B. lauten: Wird sich die Person diesbezüglich zurückmelden und ein entsprechendes Feedback geben, oder nicht. 

 

Auch andere Trigger können implizit (mit enthalten, mit gemeint, aber nicht ausdrücklich gesagt, nicht aus sich selbst zu verstehen, sondern von der eigenen Logik oder Phantasie zu erschließen) sein z.B. das bewusste Fallenlassen eines Stiftes und die Beobachtung, ob unser Gegenüber den Stift aufhebt oder nicht - oder wie lange es konkret dauert, bis unser Gegenüber eine etwaige Entscheidung trifft und entsprechendes Verhalten einsetzt. 

 

Gleiches gilt auch zum Beispiel bei der Beobachtung einer Person beim Betreten eines Raumes. Oft werden derart unwesentlich erscheinende Handlung nicht oder nicht genau beobachtet und dokumentiert. Dies, obgleich eine solche einfache Standard-Handlung allein körpersprachlich / bewegungstechnisch sehr viele Informationen gibt - zumindest wenn man genau hinsieht und allein zum Beispiel die Zeit misst, die es dauert, bis der Hineinkommende den Fokus auf die Person(en) im Raum einstellt oder die Art und Weise des Türöffnens und -schließens.

 

Oft wird derart Relevantes, da solch einfache Bewegungsabläufe zumeist unbewusst erfolgen, schlichtweg ignoriert, obgleich es doch für den Gesamtkontext sehr relevant sein kann. 

 

Konkrete Reaktionen auf konkrete Aussagen beobachten

Neben der regulären Verhaltensbeobachtung besteht ebenfalls die Möglichkeit, zu beobachten, was eine zu beobachtende Person aus einer Aussage konkret heraushört, um beides dann letztendlich vergleichen zu können: Aussage und Reaktion, wie die Nachricht eines Senders tatsächlich beim Empfänger ankommt. Nehmen wir als Beispiel die fiktive Beispiel-Trigger-Aussage in einer privaten oder beruflichen Situation:

 

"Es ist kein Kaffee mehr da.".

 

Hier könnte man beobachten, wie unser Gegenüber die Aussage encodiert / entschlüsselt / interpretiert bzw. was unser Gegenüber aus dieser sachlichen Aussage konkret heraushört. Was die zu beobachtende Person konkret wahrnimmt bzw. denkt, wissen wir nicht; gleichwohl können wir die Reaktion beobachten und notieren - um daraus dann später entsprechende Rückschlüsse ziehen zu können, insbesondere dann, wenn bestimmtes Verhalten bzw. bestimmte Reaktionen öfters oder sogar regelmäßig ins Auge / Ohr fallen. Mögliche Reaktions-Optionen wären hier z.B. folgende Reaktions-Aussagen:

 

Reaktion / Antwort a):   "OK. Danke für die Info."
                                               Diese Reaktion spricht für das Heraushören einer Sach-Botschaft und wäre z.B. ein  Indiz
                                               für eine sachlich-nüchterne Persönlichkeit mit eventuell geringerer Empathie. 

 

Reaktion / Antwort b)    "Soll ich Kaffee holen?"

                                               Eine solche Reaktion spricht für das Heraushören eines Appelles und könnte bei der späteren
                                               Verhaltenserklärung z.B. ein Indiz für eine eventuelle autoritäre Erziehung oder Einstellung sein.

 

                                              Fragt man als Beobachter entsprechend nach, was man gesagt hat bzw. was die betreffende
                                              Person konkret "gehört" hat, so könnte es sein, dass die betreffende Person mitteilt,
                                              dass Sie (im Gegensatz zur tatsächlichen Ausgangs-Aussage "Es ist kein Kaffee mehr da."
                                              angeblich gehört (bzw. herausgehört) hat, dass Sie neuen Kaffee holen oder sich zumindest darum
                                              kümmern soll oder muss: "Kümmer Dich darum, für Kaffee zu sorgen!" oder
                                              "Hol bitte neuen Kaffee!".
                                             
                                             Tatsächlich hat der Beobachter dass aber gar nicht gesagt -
                                             und in einer realen Lebenssituation vielleicht auch gar nicht so "gemeint".

 

Reaktion / Antwort c) : "Hast Du Durst? "Hast Du Lust auf Kaffee?"
                                             Eine solche Reaktion bzw. Antwort zeigt das Heraushören einer Selbstoffenbarung,
                                             was ggf. ein Indiz für eine hohe Empathie und Hilfsbereitschaft - bei ständiger Wiederholung ggf.
                                             aber auch ein Indiz für ein eventuelles Helfersyndrom sein könnte. S

                                             Sofern man nachfragt, was man selbst gesagt hat bzw. was die betreffende Person angeblich gehört
                                             (bzw. herausgehört) hat, dann wird die zu beobachtende Person hier vielleicht sagen:
                                             "Du hast gesagt, dass Du gerne einen Kaffee trinken möchtest".

                                              Tatsächlich hat der Beobachter dass aber gar nicht gesagt -
                                             und in einer realen Lebenssituation vielleicht auch gar nicht so "gemeint".

 

Reaktion / Antwort d)  "Was hab´ ich denn damit zu tun?" oder
                                            "Du musst mir nicht vorwerfen, dass ich mich um nichts kümmere!" oder
                                            "Dann hol Dir doch gefälligst selbst Kaffee! Ich bin doch kein Diener"
                                             spricht für innere Konflikte und das Heraushören der sogenannten "Beziehungsebene",
                                             die im Kontext zur Psychiatrie auch als "Psycho-Ebene" gilt.

                                             Das Heraushören der Beziehungsebene / Psychoebene könnte z.B. ein Indiz sein
                                             für innere Konflikte, ein Indiz für versteckte oder offene Aggressionen,
                                             ein Indiz für eine Psychose oder ein Indiz für eine tiefer sitzende Persönlichkeitsproblematik
                                             z.B. eine Borderline-Störung.

 

                                             Fragt der Beobachter zu Beispiel d) entsprechend nach, so wird er oder sie vielleicht eine folgender
                                             Antwortbeispiele als Reaktion bekommen und sich in der Verhaltensbeobachtung im Kontext zur
                                             eigentlich vorausgegangenen Ausgangs-Aussage notieren können :

                                             "Du hälst mich wohl für faul!" oder "Du musst nicht immer mir die Schuld in die Schuhe schieben"
                                             oder "Ich bin nicht blind" oder "Du glaubst wohl, Du bist der große Zampano".

 

                                             Vielleicht erfolgt anstelle einer verbalen Äußerung auch die Reaktion Weinen oder auf den Tisch
                                             hauen oder wortlos den Raum verlassen etc.

Reaktion e)
Unterlassen:
                    Eine solche Reaktion bzw. Nicht-Reaktion könnte ebenfalls ein Indiz für irgendetwas sein, das es

                                             dann - wie in den anderen Beispielen auch - nach weiteren Verhaltensbeobachtungen in anderen
                                             oder vergleichbaren Situationen näher zu untersuchen gilt.

                                             Vielleich ist unser Gegenüber taub, vielleicht hört unser Gegenüber gar nicht zu? Vielleicht erreicht
                                             die Aussage zwar das Ohr als Sinnesorgan, vielleicht auch ein weiteres Hirn-Areal, sie kommt im
                                             entsprechend zuständigen Hirn-Areal aber gar nicht an oder wird dort nicht entsprechend
                                             verarbeitet. Ebenso könnte innere Taubheit (Abgestumpftheit) oder ein bestimmter Persönlichkeit-                                               Typus vorliegen.

 

Was hier konkret vorliegt, interessiert bei einer reichen sachlich-nüchternen Verhaltensbeobachtung und Verhaltensbeschreibung allerdings nicht. Diese Fragestellung käme erst im nächsten Schritt - der Verhaltenserklärung - auf - und ist von der Verhaltensbeobachtung tunlichst strikt zu trennen. Dennoch ist es auch hier manchmal wichtig, nachzufragen und die entsprechende Antwort (zusammen mit der vorausgehenden Frage) dann zu notieren, um dann später entsprechende Rückschlüsse daraus zu ziehen.

 

Ähnlich könnte man sich auch die Reaktion auf folgende private Aussage vorstellen:

"Ich habe Kopfschmerzen".

 

Hier könnte es ggf. darum gehen, zu untersuchen, ob jemand z.B. in einer Partnerschaft aktiv zuhört oder ob jemand vielmehr mit sogenannten Gesprächsstörern reagiert, die in einer zwischenmenschlichen Beziehung eher kontraproduktiv und auf Dauer konfliktfördernd / konfliktträchtig trächtig sind und eher Verständnislosigkeit, Desinteresse und Ablehnung kommunizieren, was dem entsprechenden Sender zumeist völlig unbewusst ist.

 

Entweder handelt es sich beim Sender um Arglosigkeit oder um falsch Gelerntes oder um mangelnde Sozialkompetenz bzw. Empathie oder es spricht das Unbewusste / das Unterbewusstsein einfach das laut aus, was es denkt:

 

Beispiel-Reaktion a):      „Hatte ich auch gestern.“
                                             (Von sich selbst reden)

 

Beispiel-Reaktion b):     „Dann nimm Dir eine Aspirin!“
                                             (Lösungen liefern, Ratschläge erteilen)

 

Beispiel-Reaktion c):      „Ist doch nicht so schlimm.“, “Es gibt Schlimmeres.“
                                             (Herunterspielen, bagatellisieren)

 

Beispiel-Reaktion d):      „Warum? Was hast du denn gemacht, dass Du Kopfschmerzen hast?“
                                             (Ausfragen)

    

Beispiel-Reaktion e):     „Du hast sicher wieder deine Migräne.“, „Das kommt vom vielen Rauchen.“

                                             (Interpretieren, Ursachen aufzeigen, diagnostizieren)

 

 

Beispiel-Reaktion f):     „Wenn Du weiter so viel rauchst, dann wird das schlimmer.“
                                             (Warnen)

 

Beispiel-Reaktion g):     „Ich muss mir (dann) immer (noch mehr) Wehklagen anhören.“,
                                            „Dabei könnte eigentlich alles so schön sein.“   
                                           „Deine ständigen Kopfschmerzen belasten mich / uns alle."
                                            (Vorwürfe machen, moralisieren)

 

Was passiert, wenn man eine Person mit dem Ergebnis einer unbewussten
oder wenig bewussten Verhaltensbeobachtung (nicht Verhaltenserklärung) konfrontiert?

Sofern man eine Person mit dem Ergebnis einer unbewussten oder wenig bewussten Verhaltensbeobachtung konfrontiert,

führt dies bei vielen beobachteten Person unweigerlich zu eigenen oder herausgehörten (selbst interpretierten) Verhaltenserklärungen. Bei psychologisch und - insbesondere bei psychiatrisch - relevanten Persönlichkeiten besteht zudem die Gefahr, dass Botschaften, Appelle oder gar vermeintliche Herabwürdigungen - alternativ vermeintliches Lob herausgehört wird.

 

Wenn eine beobachtete Person die Beobachtungen nicht wahrhaben will, weil bei dieser Person ggf. eine Selbstbild-Fremdbild-Problematik oder andere psychologisch oder psychiatrisch relevante Problemstellungen vorliegt, kommt es ggf. zur defensiven Attribution und Leugnung sowie zu sogenannten "Selbstwertdienlichen Verzerrungen". In besonders schweren Fällen kommt es sogar zur sogenannten Umkehr in Form der 1:1-Verdrehung der Tatsachen und / oder der Freund-Feindbild-Verdrehung inklusive Verdrehung des offiziellen Beziehungsverhältnis zum Beobachter. Der Begriff "Umkehr" steht in der Psychologie für die "Abwehr gegen Einsicht":

 

Anstatt das eigene Selbstbild oder Weltbild zu hinterfragen und entsprechend umzulernen, sind die Betroffenen bemüht, ihr Selbstbild oder Weltbild mit den ihnen zur Verfügung stehenden kognitiven Mitteln, zu denen die Nutzung der eigenen Vorstellungskraft (=Phantasie) gehört, aufrechtzuerhalten. Dies geht mit einer Realitätsleugnung einher. Dies mündet dann letztendlich in ein Denken, das auch Schizophrenie-Patienten nutzen, um ihren krankhaften Gesundheitszustand umzuinterpretieren.   

 

Zugleich steht "Umkehr" in der Psychologie für einen Zustand, der Erfolge blockiert (Blockaden). Es kommt zu einer unbewussten Verweigerungshaltung. Zu stark wirken Erfahrungen und Gewohnheiten oder alte und ungünstige Glaubenssätze, die sich in unserem Unterbewusstsein verkrustet haben und von hier aus unsere bewussten, willentlichen Entscheidungen verhindern. Dies geschieht nicht, um das Leben zu erschweren, sondern um uns vor möglichen bzw. erwarteten schmerzhaften, demütigenden und schockierenden Erfahrungen in der Zukunft zu schützen.

 

Insofern stellt die "Umkehr" in der Psychologie - ähnlich wie die "Selbstwertdienliche Verzerrung" - ein Art Schutzmechanismus unseres Unterbewusstseins dar, der uns letztlich blockiert. Anstatt positive Emotionen und Situationen mit Selbstakzeptanz zu erleben, erleben Menschen im Zuge der Umkehr positive Situationen als unangenehm und machen sie daher ungewollt und unbewusst rückgängig. Insofern handelt es sich bei dieser unbewussten Bremse um eine Art Selbstsabotage. Einfacher ausgedrückt: Die Überwindung des sogenannten "innere Schweinehundes" gelingt nicht. Dieser scheint letztendlich stärker zu sein als der Wunsch, das Ziel zu erreichen.

 

In der Psychiatrie steht "Umkehr" für die Umkehrung bzw. 1:1 Verdrehung der Realität bzw. von Tatsachen um 180 Grad, was ebenfalls mit einer Realitäts-Verleugnung einher geht. Die Verdrehung der Logik, zu der auch die sogenannte 1:1-Umkehr gehört, ist ein häufig zu beobachtendes Merkmal schwerer Psychosen mit fehlender Einsicht bzw. "Uneinsichtigkeit" in die eigene Störung und verzerrte Wahrnehmung und Interpretation der vermeintlichen Realität, folglich der Tatsache, dass die Betroffenen ihre Psychose selbst nicht wahrnehmen oder verleugnen und/oder selbstwertdienlich verzerren bzw. uminterpretieren.

 

Bestimmte (z.B. wahnhafte) Gedanken, Vorstellungen und Annahmen werden von den Betroffenen gegenüber der Außenwelt derart stark verteidigt, dass Zuschreibungen jeglicher Art zur "Umkehr" führen - ein einfaches Mittel, um Ballast abzuwerfen und etwaige kurzzeitige Einsichten abzustreifen. Die Umkehr erfolgt auf Basis einer Projektion.

 

In der Psychoanalyse beschreibt Projektion einen Abwehrmechanismus, bei dem innerpsychischer Inhalte oder ein innerpsychischer Konflikt auf andere Menschen bzw. das jeweilige Gegenüber übertragen und von sich auf andere bzw. auf das Gegenüber verlagert werden. Dabei entsteht der sogenannte "Projektionsfehler", der bei gestörten Persönlichkeiten bzw. bei psychisch kranken Menschen auf als Umkehr-Mechanismus bekannt ist. Hierbei handelt es sich um einen Wahrnehmungsfehler, welcher der Abwehr von Einsicht, der Aufrechterhaltung des eigenen Selbstbildes und dem Schutz des Selbstwertes (siehe: Selbstwert-Effekt und selbstwertdienliche Verzerrung) dient.

 

Emotionen, Affekte, Wünsche, Impulse und Eigenschaften, die im Widerspruch zu eigenen und/oder gesellschaftlichen Normen stehen, werden auf andere Personen, Menschengruppen, Lebewesen oder Objekte der Außenwelt übertragen und anderen unterstellt. Die „Abwehr“ besteht dabei darin, dass durch Projektion vermieden wird, sich mit Inhalten bei sich selbst auseinanderzusetzen, die man beim anderen sieht.

 

Bei der "Umkehr" kann man unterscheiden zwischen: a) Projektionen zur Abwehr von Einsicht und zur Aufrechterhaltung des Selbstbildes und Schutz des Selbstwertes (Realitätsleugnung) (z.B. "Nicht ich, sondern der Psychiater ist krank"), b) der Verdrehung der Realität aufgrund von Realitätsverlust oder Manipulationsabsicht (z.B. "Krieg ist Frieden" oder "In einer Demokratie darf es nur eine Meinung geben"), c) der klassischen Freund-Feindbild-Verdrehung und / oder Täter-Opfer-Umkehr bei Tätern bzw. Menschen, die irgendeine (tatsächliche oder von außen zugeschriebene) Schuld oder Mitschuld haben oder sich selbst für schuldig halten (z.B. "Der Täter ist / war traumatisiert", "Das Opfer hat provoziert, "Die Gesellschaft hat versagt" etc.

 

Doch es gibt auch mögliche Reaktionen, die auf viele normale Menschen zutreffen, z.B. der Effekt der selbstwertdienlichen Verzerrung: Unter einer selbstwertdienlichen Verzerrung (engl. self-serving bias) versteht man den generellen Hang eines Menschen, sich selbst in einem günstigen Licht zu sehen und sich selbst nach außen in ein günstiges Licht zu stellen. In der Sozialpsychologie bezeichnet die Selbstwertdienliche Verzerrung die Tendenz, eigene Erfolge im Zweifelsfall eher inneren Ursachen (z.B. eigene Fähigkeiten) und eigene Misserfolge (z.B. Versagen) eher äußeren Ursachen (z.B. die besondere Situation, die besondere Schwierigkeit einer Aufgabe, negative Umwelteinflüsse oder dem Zufall etc.) zuzuschreiben. 

  

Es gibt hier zwei unterschiedliche Verzerrungen: Eine, die den Selbstwert steigert (z.B. Anspruch auf Verantwortlichkeit für Erfolg) und eine, die dem reinen Selbstschutz dient (z.B. Ablehnung der Verantwortung für Misserfolg). Self serving bias (auch als "Egotismus" bezeichnet) ist - unabhängig von einer konkreten Selbstwertbeeinträchtigung - bei allen Menschen vorhanden. Zu den Motiven / Zielen der Selbsttäuschung gehört u.a. die Verteidigung eines stabilen, positiven Selbstbildes.

 

Wird das Ergebnis des eigenen Verhaltens als "Scheitern" gewertet, dient die selbstwertstützende Verzerrung der Aufrechterhaltung eines stabilen, positiven Selbstbildes. Die kognitive Verzerrung ist ein Mechanismus, welcher der Vermeidung kognitiver Dissonanzen dient z.B. dann, wenn die Einsicht droht, dass selbst bei stärkeren Anstrengungen ein erneutes Versagen nicht verhindern werden kann. 

 

Ein weiteres Motiv der Selbsttäuschung ist die Selbstdarstellung bzw. das Streben von Menschen, in einem guten Licht zu stehen. Zur Begründung eines Misserfolges bzw. eines schlechten Ergebnisses greifen Menschen dann auf regelrechte Ausreden zurück, die mit der Realität jedoch nichts zu tun haben. Sofern dies bewusst, vorsätzlich und systematisch erfolgt, spricht man von Impression-Management.

 

Ein weiteres Motiv / Ziel der Selbsttäuschung ist die Defensiv-Attribution: Defensiv-Attributionen dienen der Vermeidung von Hilflosigkeit. Das Gefühl der Hilflosigkeit und Ohnmacht, bestimmten Situationen ausgesetzt zu sein, selbst aber nichts dagegen unternehmen zu können, ist für Menschen derart unerträglich, dass sie sich zum Zwecke der Verteidigung bestimmte Dinge einreden und daran glauben.

 

Ein weiteres Motiv / Ziel der Selbsttäuschung ist "Unrealistischer Optimismus": Die Mehrheit der Menschen glaubt, mehr positive und weniger negative Erlebnisse zu haben als der Durchschnitt. Beispiele 1: Nach einer gut bestandenen Prüfung schätzen Schüler und Studenten das Leistungsmaß der Prüfung als „angemessenen" ein. Nach schlechten Bewertungen tendieren sie hingegen dazu, die Prüfung als "unfair" bzw. den Lernstoff oder die Prüfungsinhalte als "nicht repräsentativ" zu bewerten.

 

Beispiel 2: Geschiedene Ehepartner tendieren stets dazu, die Schuld am Scheitern der Ehe dem anderen Partner zuzuschreiben. Bei militärischen Misserfolgen schreiben die Befehlshaber ihr Versagen bzw. ihre Niederlage oft nicht ihrer eigenen Strategie und Befehlsgebung, sondern ihren Soldaten und allen möglichen äußeren Umständen zu (Übermacht des Feindes, schlechtes Wetter, Versorgungslage etc.).

 

Bei wirtschaftlichen Misserfolgen ihres Unternehmens geben Manager eher den Mitarbeitern, der Marktlage oder externen Unternehmen (Konkurrenten und Zulieferern) die Schuld, während Mitarbeiter dazu tendieren, nicht sich, sondern der Unternehmensführung die Schuld zuzuschreiben.

 

Selbstwertdienliche Verzerrungen haben einen großen Einfluss auf Beziehungen: Wir mögen und schätzen Menschen mit gleichen Ansichten und gleichem Ansehen mehr als andere, weil diese uns aufwerten.  Hinzu kommt eine weitere psychologische Erkenntnis: Je niedriger der IQ eines Menschen bzw. je schwächer eine bestimmte Fähigkeit ausgeprägt ist, desto mehr neigt derjenige dazu, seine Intelligenz bzw. die betreffende Fähigkeit bzw. sein Handeln zu überschätzen. In diesem konkreten Zusammenhang sprechen wir vom sogenannten Dunning-Kruger-Effekt. 

  

Die Wirkung der Selbstüberschätzungs-Illusion bekommen auch Polizeibeamte zu spüren, nicht nur bei schweren Straftaten und dem immer respektloseren Verhalten von Bürgern ihnen gegenüber, sondern bereits bei einer normalen Verkehrskontrolle. Selbst wenn Verkehrssündern per Video-Aufzeichnung erläutert wird, dass sie um ein Wesentliches schneller waren, als erlaubt, empfinden das viele Verkehrssünder als regelrechte Schikane.

 

Sie reagieren genervt, überheblich und geradewegs großspurig und entgegnen, dass der Vorwurf überzogen und das Verhalten der Polizei geradewegs lächerlich sei, zumal sie selbst alles im Griff hätten. Viele, die so etwas nicht äußern, denken sich so etwas zumindest. Ein Bußgeld kann und wird sie nicht daran hindern, sich weiter zu überschätzen und das nächste mal das gleiche Verhalten an den Tag zu legen. Schließlich merken sie nicht, dass sie einer Illusion zum Opfer gefallen sind und ihr Denken ist nach wie vor das gleiche.

 

Wie bei anderen Wahrnehmungs- und Beurteilungsfehlern auch fällt es uns selbst leider sehr schwer, zu erkennen, dass wir bezüglich unserer Selbsteinschätzung ggf. einer Illusion zum Opfer gefallen sind. Ähnlich einem Wahn sind wir so felsenfest von der Richtigkeit unserer Einschätzung bzw. Annahme überzeugt, dass wir uns von niemandem davon abbringen lassen und selbst wissenschaftlich bewiesene Erkenntnisse negieren.

 

Wenn wir glauben, ein guter Sänger zu sein, kann selbst eine hundertköpfige Jury bestehend aus Gesangs-Profis uns nicht davon abbringen, daran zu glauben, dass wir gut sind. Stattdessen denken wir: Alle anderen sind "doof", zumindest haben sie "keine Ahnung" oder "heute einen schlechten Tag". Deshalb machen wir weiter. Wir suchen uns "einfach" eine andere Jury, gehen zu einer anderen Casting-Show oder stellen uns beim nächsten mal gleich wieder vor. Dann ist die Jury nicht mehr so "blind" wie jetzt.

 

Der Effekt ist auf viele Lebens- und Arbeitsbereiche übertragbar z.B. das Management und Risikomanagement in Unternehmen. Hier werden positive Abweichungen vom Plan stets den eigenen Fähigkeiten zugeschrieben, negative Planabweichungen hingegen äußeren Einflüssen zugeschrieben. Dann ist der Markt schuld, die Wirtschaftslage, die Wettbewerber oder die Politik. Manchmal sind es sogar einfach nur die Kunden, die schuld sind. Stets sind es alle anderen, die schuld sind, man selbst aber nicht. Führungskräfte sind zumeist der selbstsicheren Überzeugung, alles voll im Griff zu haben, selbst dann, wenn nachweislich das Gegenteil wahr ist.

 

Bei Bewerbern ist das ähnlich: Wenn eine Bewerbung keinen Anklang findet, dann ist der Arbeitsmarkt schuld oder das Unternehmen, bei dem man sich beworben hat, doof. Man selbst geht davon aus, keinen Fehler zu machen. Es sind sogar Fälle bekannt, in denen Bewerber explizit darauf hingewiesen wurden, dass ihre Bewerbung nicht nur nicht aussagefähig, sondern sogar negativ sind. Das Ergebnis: Ein Jahr später "trudelt" die gleiche Bewerbung wie früher auf den Tisch des Personalentscheiders - nach einem Jahr Arbeitslosigkeit. In vielen Fällen ist er Verlust eines ganzen Jahreseinkommens immer noch nicht ausreichend, den Fehler bei sich zu suchen und etwas zu optimieren.

 

Auf diesem Prinzip basiert auch der Overconfidence-effect, auch Overconfidence barrier-effect genannt: Schließlich besteht eine grundsätzliche Tendenz des Menschen, von seinen eigenen Urteilen und seiner Urteilskraft überzeugt zu sein. Basis eines jeden Urteils bzw. einer jeden Entscheidung ist demnach die Selbstüberschätzung. Das Vertrauen in das eigene Urteilsvermögen ist bei Menschen größer als die objektive Richtigkeit dieser Urteile, vor allem dann, wenn das Selbstvertrauen und das generelle Vertrauen relativ hoch ist. 

 

Die Tendenz zur Selbstüberschätzung beeinflusst unser Urteilsvermögen also bewusst, weil das Handeln an sich evolutionstechnisch wichtiger ist als die Richtigkeit des Handelns. Bei Untersuchungen wurde im Schnitt eine Selbstüberschätzungs- und Übermütigkeits-Quote von 20 % gemessen. 

 

Beobachtungsfehler

Unabhängig von der klassischen psychologischen Verhaltensbeurteilung basiert die Einschätzung und Beurteilung von Menschen generell auf deren Beobachtung. Ob diese nun bewusst oder unbewusst erfolgt, ist dabei unerheblich. Sehr häufig wird beobachtbares Verhalten falsch beobachtet und falsch interpretiert.

 

Daher zählt in der wissenschaftlichen Psychologie vor einer entsprechenden Beurteilung und Prognose nur die systematische Verhaltensbeobachtung nach wissenschaftlichen Kriterien, ebenso die Regel der Trennung von Verhaltensbeobachtung, Verhaltensbeschreibung und Verhaltenserklärung. Trickbetrüger und sonstige „Trickser“ nutzen den Beobachtungs-Interpretations-Fehler - mehr oder weniger bewusst - für sich aus.

 

Beispiel aus dem Personalwesen: Mitarbeiter, die lediglich vorgeben, im Stress zu sein, viel herumlaufen und kommunizieren, werden von ihren Vorgesetzten auch dann als eifrig, engagiert, motiviert, strebsam und erfolgreich eingeschätzt, wenn sie lediglich vorgeben, viel Arbeit zu haben oder durch bestimmtes Verhalten diese Wirkung erzeugen

 

Einschätzungen, Urteile, Beurteilungen und Entscheidungen basieren auf Beobachtungen. Sowohl die Art und Weise der Beobachtung als auch die Güte beeinflussen sämtliche weiteren Denkprozesse und Urteile. Selbst die wissenschaftliche Psychologie, bei der u.a. strikt zwischen Verhaltensbeobachtung, Verhaltensbeschreibung und Verhaltenserklärung unterschieden wird, unterliegt diesen Beeinflussungen und Fehlern, die bereits bei der bewussten, gezielten Beobachtung beginnen. 

 

Einer von vielen Beobachtungsfehlern, der über allem schwebt, ist der Fundamentale Beobachtungsfehler. Der fundamentale Beobachtungsfehler besagt, dass bereits die Beobachtung an sich bereits einen Fehler impliziert (z.B. aufgrund der Intention und Erwartungshaltung). Hier kann bereits die Beobachtung an sich schon (z.B. aufgrund der Intention und Erwartungshaltung) einen Fehler implizieren.

 

Hinzu kommen unzählige weitere Beobachtungsfehler, z.B. die Möglichkeit, dass die Beobachtung durch bestimmte Denk-Schemata einen ganz bestimmten Aufmerksamkeitsfokus, die Aufmerksamkeit an sich oder durch andere Anwesende oder zu hohe Vertrautheit stark beeinträchtigt bzw. beeinflusst wird.

 

Wir fokussieren unsere Aufmerksamkeit auf das, was wir bereits kennen bzw. wissen und übersehen dabei - bereits bei der Informationseinholung - viele relevante Informationen, weil wir sie dann a) (aufgrund selektiver Wahrnehmung) übersehen, b) nicht wahrnehmen wollen, c) nicht wahrnehmen können oder weil d) unser Fokus auf andere Informationen gerichtet ist (ebenfalls selektive Wahrnehmung). Ebenso kennen wir den Effekt der  "Selektiven Wahrnehmung": Manche Informationen sehen wir eher, während wir andere blindlings übersehen.

 

Hinzu kommen die vielen Fehler, die bei der Speicherung, Verarbeitung und Abrufung der in der Beobachtung gewonnen Daten erfolgen: So bauen wir z.B. bei der Speicherung beobachteter Daten unbewusst Informationen in die Erinnerung ein, die wir nachträglich bzw. zu einem späteren Zeitpunkt erfahren haben. Alternativ bauen wir Informationen in die Erinnerung ein, die wir allein mit Hilfe unserer Vorstellungskraft erzeugen. Einige Informationen merken wir uns besser als andere. Oft wissen wir nicht, woher wir eine bestimmte Erinnerung haben.

 

Hinzu kommen jene Fehler, die aus der perpetuierenden Wahrnehmung heraus entstehen (Siehe primacy-ressency-effect). Dahinter verbirgt sich der unreflektierte Wunsch, bei einem einmal gefassten Urteil zu bleiben und nur noch das wahrzunehmen, was diesem „Grundsatzurteil“ entspricht. Alles andere wird sofort abgewiesen und nicht geglaubt.

 

Dieses Wahrnehmungsproblem überträgt sich auch auf alle zeitlich nachfolgenden oder Beobachtungen. Es beeinflusst selbst die vorausgegangenen Beobachtungen, die dann vergessen, relativiert, umgedeutet, oder uminterpretiert werden (Primacy-Recency Effect). Neben diesen zeitlichen Effekten existieren bestimmte Positionseffekte, wobei der individuelle Blickwinkel des Beobachters (z.B. örtlich oder hierarchisch) eine ganz wesentliche Rolle bei der Wahrnehmung und Einschätzung spielt. Bereits eine Änderung des Blickwinkels führt teilweise zu völlig anderen Einschätzungen und Ergebnissen.

 

Beobachtungen werden auch durch Wissen bzw. Vorinformationen beeinflusst. Jede Vorinformation beeinflusst nicht nur die Meinungs- und Urteilsbildung, sondern bereits die Beobachtung an sich. Wir sind dann voreingenommen, nehmen eine ganz bestimmte Haltung und einen ganz bestimmten Blickwinkel ein. Wir entscheiden uns für eine bestimmte Beobachtungstechnik oder halten eine bestimmte Technik nicht für erforderlich, weil wir meinen, sowie in etwa zu wissen, wie jemand bzw. etwas zu beobachten ist und worauf unsere Beobachtung hinausläuft bzw. zu welchem Ergebnis diese Beobachtung in etwa führen wird.

 

Emotional behaftete Vorinformationen wirken dabei noch stärker als sachliche. So lassen sich z.B. Richter und Geschworene allein durch emotional aufgeladene Medienberichte unbewusst sehr stark in ihrer Urteilsbildung beeinflussen.

 

Kenntnisse über die vielen möglichen Beobachtungsfehler sind ebenso wichtig wie die Bemühung, diese zu vermeiden. Technische Fehler in der Beobachtung (fehlerhafte Beobachtungstechniken) führen bereits im Vorfeld ebenso zu Fehlbeobachtungen und Fehleinschätzungen wie Emotionen und Intuition bei der Beobachtung. Auch ist es wichtig, wirklich beobachtbares Verhalten von nicht beobachtbarem Verhalten und von dem, was zum Erleben gehört, zu unterscheiden. 

 

Hinzu kommt das Problem von falschem Vertrauen in die eigene Beobachtungsgabe, das automatische Vertrauen (Selbstvertrauen) in die eigene Menschenkenntnis und das stetige Mitschwingen impliziter Persönlichkeitstheorien, welche die Beobachtung und die Beobachtungstechnik von vorne herein (z.B. über eine bestimmte Erwartungshaltung und Vorurteile) beeinflussen - damit auch die Güte der Beobachtung.

 

Vermeintliche "Beobachtungsgabe" und Intuition

Viele Menschen streben eine gute Beobachtungsgabe an. Eine gute Beobachtung basiert jedoch nicht auf einer "Gabe", sondern auf entsprechenden Techniken, die Disziplin und Selbstdisziplin erfordern. Im Gegensatz zur sogenannten "Menschenkenntnis", die auf unmittelbaren, kurz und einseitig beobachteten Aussehens- und Verhaltens-Deutungen auf Basis bereits vorgefasster subjektiver Theorien und Menschenbild-Annahmen beruht, bezieht sich Beobachtungsgabe auf einen grundlegenden Bestandteil der Psychologie: Die Verhaltensbeobachtung - nur eben mit dem Unterschied, dass hier das Wort "Gabe" massiv stört.

 

Wenn Sie also irgendwo einen Aufreißer lesen, der in etwa lautet wie "Entwickeln Sie eine Intuition wie Sherlock Holmes!", dann sollte man das mit Vorsicht genießen und so etwas eher mit Argwohn oder Schmunzeln betrachten. Denn anders, als man es vielerorts nachlesen kann, basiert professionelle Verhaltensbeobachtung eben NICHT auf Intuition. Vielmehr ist es ganz entscheidend, diese weitestgehend auszuschließen.

 

Warum ist es bei der Verhaltensbeobachtung wichtig, Intuition außen vor zu lassen?

Intuition ist sinnvoll für schnelle und ökonomische Einschätzungen, nicht aber für Einschätzungen mit hoher Präzision. Bei der intuitiven Einschätzung holen wir uns - sehr energiesparend - nur jene Informationen ins Bewusstsein, die gerade wichtig sein könnten und passen. Dabei „trickst“ unser Gehirn ein wenig. Wir holen nur Bruchstückchen zurück ins Bewusstsein und "basteln" uns den Rest zusammen. Mit Verhaltensbeobachtung hat das wenig gemein.

 

Schneller Verstand und das eigene Vertrauen (Selbstvertrauen) auf die eigene "scharfe Beobachtungsgabe", die Sherlock Holmes angeblich nutzte, um die größten Geheimnisse zu lösen, sind in Wirklichkeit hinderlich und können in die Irre führen, ganz besonders dann, wenn die Indizien und "Spuren" denen wir "intelligent" folgen, "falsche Spuren", "täuschende Spuren" oder bewusst gelegte vorgetäuschte Spuren" sind. Derartiges gibt es nicht etwa nur in der Kriminalistik, sondern in vielen Alltagssituationen, ganz besonders aber in Werbe- und Bewerbungs-Situationen bzw. im Marketing und Selbstmarketing.

 

Dann landen Sie nämlich ganz schnell mit unserem vermeintlich "scharfen Verstand" auf einer falschen Fährte, nicht selten genau dort, wo andere einen hinlocken wollen. Nicht immer haben wir es mit naiven und "dummen" Menschen zu tun. Nicht immer sind wir die klugen und erst recht nicht die, die stets den vollen Durchblick haben. Wer so denkt, lässt sich nicht nur viel schneller manipulieren und täuschen - er täuscht sich sogar selbst - und das viel stärker und häufiger, als jene, die in der Lage sind bzw. lernen, "ihren Kopf auszuschalten".  Weitere Infos zu Beobachtungs- und Wahrnehmungsfehlern finden Sie hier

 

Ein Konzept, was derartige Fehler weitestgehend auszuschließen versucht, ist das ib reality view & proof concept. Siehe nachfolgende Informationen.

Verhaltensbeobachtung nach dem ib reality view & proof concept

Psychologische Diagnostik und Analyse mit Hilfe der Methodik des ib reality view & proof concepts

Das ib reality view & proof concept ist ein psychologisches Beobachtungskonzept, das in der Diagnostik z.B. bei Analysen (Persönlichkeitsanalysen, Paaranalysen etc.) eingesetzt wird, wenn es darum geht, Beobachtungs- und Wahrnehmungsprozesse zu objektivieren und herauszufinden, wie eine bestimmte Person (in ihrem Alltagsverhalten) wirklich ist - und dies unbeeinflusst vom Messinstrument oder vom Beobachter. 

 

Auch geht darum, das über Tests, Fragebögen und offizielle Gesprächstermine mit nur ausschnittsweise ermitteltem und ggf. geschönten BEWUSSTEM Verhalten durch umfassendere und lebensechtere spontane Verhaltensbeobachtungen in Bezug auf unbewusstes Verhalten zu ergänzen, was die Ergebnisse von Befragungen und Testungen bestätigen, ergänzen oder relativieren kann.

 

Dies ist insbesondere dann ganz besonders relevant, wenn die über Tests und Befragung sowie über - in "offiziellen" Gesprächsterminen erlangten - Beobachtungen zu einer einseitigen Einschätzung führen oder die Vermutung besteht, dass das beobachtbare Verhalten bewusst und geschönt erfolgt.

 

Ebenso findet das ib reality view & proof concept Anwendung in der professionellen beruflichen Eignungsdiagnostik, wenn es darum geht, subjektive Einschätzungen des - über den klassischen trimodalen Ansatz der Eignungsdiagnostik in der Regel nur eingeschränkt beobachtbaren - Verhaltens durch weitere (konkret unauffällige) Verhaltensbeobachtungen zu ergänzen, zu überprüfen und / oder zu hinterfragen - und den Eindruck eines Bewerbers / Kandidaten zu "objektivieren" bzw. in eine bestimmte, der objektiven Betrachtung zugängliche Form zu bringen und von subjektiven Einflüssen weitestgehend befreien.

 

Im Gegensatz zur klassischen Verhaltensbeobachtung ist die von Andreas Köhler entwickelte Verhaltensbeobachtung nach dem ib reality view & proof concept nicht zielgerichtet, um etwas für die "Persönlichkeit Charakteristisches" herauszufinden, sondern vorausurteils- wie vorurteilsfrei und völlig ergebnisoffen, OHNE die Absicht, etwas für die "Persönlichkeit Charakteristisches" herauszufinden.

 

Es geht um die (auch beiläufige) Beobachtung von Tun oder Unterlassen in Alltagssituationen und ebenfalls um die Messung des Verhaltens (z.B. durch Zählen von Anrufen oder Wörtern oder Pausen beim Sprechen). Die Messung der Veränderung der Stimmlage sowie der Verwendung von Haupt- und Nebensatzgebilden kann ebenfalls dazu gehören.

 

Es geht hier nicht nur um die Beobachtung des Verhaltens in offiziellen Einzelgesprächen, die Beobachtung des Verhaltens in Konfliktsituationen und / oder des Verhalten bei der Erledigung bestimmter Aufgaben, sondern auch darum, zu beobachten, wann bzw. in welchen Situationen innere / äußere Konflikte entstehen, ob der Beobachtete zu erledigende Aufgaben ohne konkrete wortwörtliche Anweisung selbst überhaupt wahrnimmt bzw. Anlässe für Verhalten erkennt und wie lange er z.B. braucht, um ein bestimmtes Verhalten überhaupt an den Tag zu legen.

 

Im Gegensatz zur klassischen Verhaltensbeobachtung gilt auch das Unterlassen von Verhalten als "beobachtbares Verhalten" zum späteren Vergleich mit Standards, gängigen sozialen Erwartungen etc.

 

Das besagte Verfahren ist nicht manipulierbar und verblüfft sowohl vom Ansatz, von der Art und Weise der Durchführung als auch durch seine extrem hohe Effektivität, Validität und Alltagstauglichkeit.

 

Zudem erfolgt erfolgt die Verhaltensbeobachtung nach dem ib reality view & proof concept völlig unauffällig: Durch Messen von ganz konkretem Verhalten und Unterlassen, durch Messen der Zeit für die Erledigung bestimmter gestellter oder nur indirekt gestellter Aufgaben, Messen der Anzahl von Kontaktaufnahmen, Messen des Zeitabstandes von Anrufen und Rückrufen, Messen der konkreten Reaktion auf Trigger, Zählen von Wörtern / Worten Wie z.B. "Nicht", "nein", "kein" und "aber" usw. 

 

In der Regel finden die Testungen und Messungen so statt, dass die direkt oder nur indirekt getestete Person sie nicht bewusst erlebt. Zudem werden (z.B. spontane) Situationen geschaffen, in denen sich z.B. ein Bewerber nicht wirklich (mehr) verstellen kann und Dokumentationen (elektronisch / digital) genutzt, die sowohl das Verhalten, die Verhaltensaussage als auch die Messung selbst nachweisbar und überprüfbar macht.

 

Sofern messbares Verhalten ausbleibt (Unterlassen), werden künstliche Situationen geschaffen z.B. durch spontane Anrufe und spontane Kontakte, Warten auf Rückruf (Dauer bis zum Rückruf), E-Mail mit Inhalten, die Menschen mit psychischen Störungen, Persönlichkeitsstörungen, Wahrnehmungsstörungen und / oder etwaigen kommunikativen Überinterpretation richtig oder falsch verstehen können oder wollen. Zum Beispiel durch Darbietung von Informationen oder bestimmten Wörtern / Aussagen, die bei Menschen mit einem bestimmten Charakterzug sowie Menschen mit schwerwiegenden Persönlichkeitsstörungen oder gar Psychosen trotz Sachlichkeit der Aussagen ggf. zu selbstwertdienlichen Verzerrungen, Aggressionen oder gar Wutausbrüchen führen könnten und von diesen ggf. negiert, abgestritten, geleugnet, verdreht oder sogar gegen den Beobachter (Umkehr) eingesetzt werden.

 

Das ib reality view & proof concept basiert auf der Bündelung und Nutzung der Erkenntnisse und Regelwerke aus der Psychologie (Persönlichkeitspsychologie, Wahrnehmungspsychologie, Kommunikationspsychologie, Lernpsychologie, Sozialpsychologie) der Psycholinguistik und den Neurowissenschaften. Hinzu kommen Ansätze aus der Psychoanalyse.

 

Eine Testung der sozialen und emotionalen Intelligenz sowie der sozialen Kompetenzen ist ein ebenso wesentlicher Bestandteil wie die Testung der Problemlösefähigkeit. Im Prinzip geht um all jene Fähigkeiten, auf denen die Entfaltung anderer Fähigkeiten überhaupt erst basiert.

 

Das ib reality view & proof concept geht auf Grundlage bestimmter Thesen und fester Grundsätze davon aus, dass die Wahrnehmung und Beurteilung von Menschen unzähligen – in der Psychologie und den modernen Neurowissenschaften mittlerweile längst nachgewiesenen - Beobachtungs-, Beurteilungs- und Wahrnehmungsfehlern unterliegt und versucht, diese (ebenso bewusste Manipulationen und Täuschungen) zu vermeiden, zu untergraben und möglichst zu unterbinden.

 

Auch geht das Konzept - entsprechend der psychologisch-wissenschaftlichen Erkenntnis davon aus, dass Menschen sich entsprechend ihrer Motive und angesichts ihres Status als Partner / Werber / Verkäufer / Bewerber usw. verstellen. Zudem man weiß, dass der psychisch gesunde Mensch alleine schon aufgrund gewisser Grundmotive (z.B. Streben nach Anerkennung und Korrektheit) bestrebt ist, sich von seiner besten Seite zu zeigen.

 

Hinzu kommt die Erkenntnis über Beobachtungsfehler sowie über Wahrnehmungs- und Beurteilungsfehler inklusive der Gefahr unterschiedlichster Effekte. Der Status-Rollen Effekt  ist hier lediglich ein einziges Beispiel von hunderten anderen Effekten, die dazu führen, dass selbst (oder gerade) der scheinbar beste "Menschenkenner" mit der angeblich besten Beobachtungsgabe sich - ohne es selbst bemerken zu können - täuschen lässt.

 

Das ib reality view & proof concept berücksichtigt ebenfalls die Erkenntnis, dass sich Menschen in bestimmten Situationen unnatürlich verhalten (= sich verstellen) und beabsichtigt daher - neben bewusst gestellten Situationen - überwiegend natürliche Alltags-Situationen und natürliche Reflexe (auf bestimmte Reize, die auch in der späteren Berufsausübung vorhanden sind) als Messgrundlage. Bei der Eignungsdiagnostik nach dem ib reality view & proof concept werden unbewusste Handlungen ebenso mit einbezogen wie Hinweise auf Persönlichkeit, Intelligenz, Emotionale Intelligenz, Sozialkompetenz und Psyche.

 

Die innovative Eignungsdiagnostik nach dem ib reality view & proof concept, das u. a. auf psycholinguistischen Grundsätzen und nüchternen Messungen von Faktoren basiert, die sonst übergangen oder übersehen werden, macht über bestimmte Techniken, die dem Laien erst einmal unlogisch und unüblich erscheinen, Gedanken sichtbar und überprüfbar.

 

Wiederholungen führen stets zum gleichen Ergebnis. Das Konzept misst selbst kleinen Nuancen und Verhaltenstendenzen in so fern eine Bedeutung bei, dass diese hinterfragt und näher (in Anlehnung an medizinische oder kriminalistische Ausschlussverfahren) detailliert untersucht werden.  Dazu zählen insbesondere Nuancen aus der Psycholinguistik z.B. der Gebrauch bestimmter Wörter in einem bestimmten Kontext. Insofern wirkt auch das NLP-Prinzip mit. Es macht einen bedeutenden Anteil aus.

 

Eine von vielen Grundsätzen besagt: „Man muss genau und dann noch genauer hinsehen!“ Eine weiterer Grundsatz lautet: "Man muss eine Person zu verschiedenen Zeiten und Anlässen in unterschiedlichsten spontanen Alltags-Situationen kennen lernen.“ Insofern gelten hier die Regeln der wissenschaftlichen Verhaltensbeobachtung, Verhaltensbeschreibung und Verhaltenserklärung. Wahrnehmungsfehler oder Annahmen wie Menschenkenntnis werden bei der Eignungsdiagnostik nach dem ib reality view & proof concept tunlichst vermieden, zumindest berücksichtigt.

 

Die Testung beginnt bereits beim Lesen und Verstehen einer NLP-Vorgabe z.B. einer Stellenanzeige und/oder einer Richtlinie/Vorgabe (z.B. konkretes Bewerbungsverfahren) und macht Aktion und Reaktion sichtbar und messbar.

 

Das Verfahren basiert auf a) intensiver Verhaltensbeobachtung in konkret wichtigen und / oder unwichtigen unterschiedlichen Alltags-Situationen (wie z.B.  das sich mit einem Ansprechpartner verbinden lassen, auf bestimmte Kommunikationssituationen und ggf. entstehende kognitive Dissonanzen zu reagieren, ein Problem zu lösen etc.) durch unterschiedliche Beobachter in unterschiedlichen Rollen unter Berücksichtigung unterschiedlicher Blickwinkel und unter Vermeidung möglicher Beobachtungsfehler, b) offiziellen Checks und Testungen, die der Bewerber bewusst absolviert, c) inoffiziellen Spontan-Checks und Testungen mit Beobachtung des jeweils ggf. unbewussten Verhaltens, d) Recherchen, e) Einbeziehung der Persönlichkeit des Bewerbers und seiner Umwelt und Peripherie. Ein elektronisches Messverfahren kann unterstützend eingesetzt werden, um die Messungen (auch nachweislich) zu dokumentieren und z.B. Unwahrheiten festzustellen (z.B. wenn jemand behauptet, er habe um X Uhr angerufen und niemanden erreicht, jedoch nachweislich kein Anruf elektronisch/digital nachgewiesen ist). Wichtig ist die präzise (wortgetreue) Dokumentation (z.B. wenn jemand behauptet, er habe dies oder jenes mit einem anderen Ansprechpartner besprochen, kann dies inklusive der Betonung der Aussage überprüft und widerlegt werden).

 

Durch Gesprächskontakte in und mit unterschiedlichen Rollen sowie Kontakte und Messungen unterschiedlichster Personen können u.a. authentische von unechten Verhaltensweisen ebenso unterschieden werden wie Wahrheit und Unwahrheit. Nachteil des Verfahrens ist zugleich der Vorteil, dass ein relativ authentischer Blick hinter die üblichen Kulissen/Fassaden möglich ist. Dies erfordert vom Tester eine hohe Persönlichkeitsstabilität und eine gute psychische Konstitution mit einer hohen Sachlichkeit. Warum? Weil die üblichen Menschenbildannahmen hier nachweislich verfallen und sich Abgründe öffnen, die für den Tester selbst unangenehm sein können.

 

Das Verfahren ist in der Lage, über das Zusammenspiel psycholinguistischer, neurowissenschaftlicher, persönlichkeitspsychologischer, sozialpsychologischer und wahrnehmungspsychologischer Erkenntnisse tatsächlich das darzustellen, was sonst im Verborgenen bleibt. Weitere Infos zum Thema finden Sie im Bereich Personalpsychologie.