Einführung
Implizite Persönlichkeitstheorien nutzt im Prinzip jeder Mensch, um andere Menschen einzuschätzen und zu beurteilen und darauf basierende Entscheidungen (Personalentscheidung, Vertrauens-Entscheidung, Kaufentscheidung etc.) zu treffen.
Die Nutzung von impliziten Persönlichkeitstheorien erfolgt manchmal bewusst, zumeist jedoch unbewusst - also völlig automatisch.
Was für die schnelle Freund-Feind-Erkennung in der Steinzeit vielleicht noch recht praktisch und hilfreich war, stellt im Hinblick auf komplexe Entscheidungen in der Neuzeit allerdings ein gravierendes Problem dar. Erfahren sie nachfolgend mehr über dieses Problem!
Hintergrund
Die Einschätzung und Beurteilung anderer Menschen erfolgt - wie gesagt entweder bewusst (z.B. über konkrete Beobachtung das Achten auf bestimmte Merkmale, ein bestimmtes Aussehen, ein konkretes Verhaslten) oder unbewusst (bei der reinen Begegnung und beim Umgang mit anderen Menschen). Wie auch immer: Die Einschätzung und Beurteilung anderer Menschen erfolgt in der Regel nicht auf Basis objektiv messbarer Tatsachen, sondern auf völlig subjektiven Eindrücken und unbewussten Denk- und Entscheidungsprozessen.
Wie man mittlerweile weiß, basieren Entscheidungen auf Vorgängen in unserem Motiv- und Emotionssystem im Gehirn (Limbisches System). Bereits bei der Wahrnehmung, der Aufnahme und Verarbeitung von Sinneseindrücken (Reizen) unterliegen wir Täuschungen in Form sogenannter Wahrnehmungs- und Beurteilungsfehler. Deren Masse ist derart enorm, dass man davon ausgehen muss, niemals eine wirklich objektive Einschätzung und Beurteilung von Menschen vornehmen zu können.
Auch gilt es zu bedenken, dass zu den Fehlern in Bezug auf die eigene Wahrnehmung und deren Subjektivität noch die Maskerade bzw. das Verstellen von Menschen hinzukommt. Dies kann ebenfalls sowohl bewusst als auch unbewusst erfolgen. Schließlich möchte sich jeder psychisch gesunde und sozial kompetente Menschen (alleine schon auf Basis seiner sozialen Kompetenzen) anderen Menschen gegenüber möglichst optimal präsentieren - insbesondere dann, wenn es darum geht, einen besonders guten Eindruck zu erwecken z.B. um Sympathien zu wecken, Vertrauen herzustellen, kompetent zu wirken, um damit eine bestimmte Entscheidung des Gegenübers zu bewirken. Zusätzlich erfolgen unzählige Fehler in der Verhaltensbeobachtung und bei der Entschlüsselung gewonnener Informationen (Encodierungsfehler).
Bei der Einschätzung und Beurteilung anderer Menschen, greifen Menschen auf implizite Persönlichkeitstheorien zurück, die sie selbst im Laufe ihres Lebens für sich entwickelt haben.
Begrifflichkeiten
Der Begriff selbst setzt sich aus den Begriffen "Persönlichkeit" und dem Begriff "Theorie" zusammen. Eine "Theorie" entwirft ein etwaiges Bild (Modell, Annahme) der Realität bzw. einen möglich erscheinenden Ausschnitt der Realität
und trifft auf dieser Annahme entsprechende Vorhersagen. Der Begriff "Persönlichkeit" bezieht sich auf die charakterliche Individualität des Menschen und seiner zahlreichen Persönlichkeitseigenschaften sowie deren Unterscheidung von anderen. Der Begriff "implizit" steht für "eigen", "anhängend", "festklebend", "anhaftend" und "innewohnend".
Eine implizite Persönlichkeitstheorie ist somit eine individuelle, persönlichkeitseigene (und damit subjektive) Menschenbild-Annahme von Menschen, die jedem Menschen innewohnt bzw. anhaftet. Es handelt sich bei impliziten Persönlichkeitstheorien folglich nicht um Theorien, die wissenschaftlichen Charakter haben. Ebenso wenig basieren sie auf messbaren Fakten. Fakten werden lediglich angenommen bzw. unterstellt.
Derartige Unterstellungen basieren auf der Annahme vorhandener Menschenkenntnis. Dass die Annahme und Nutzung derartiger "Menschenkenntnis" viele Wahrnehmungsfehler impliziert - und das Vertrauen auf eine vermeintlich gute "Menschenkenntnis" aus wissenschaftlich psychologischer Sicht bereits an sich schon ein Wahrnehmungsfehler ist, ist den meisten Menschen unbekannt.
Entstehung und Nutzen
Im Laufe seines Lebens entwickelt jeder Mensch für sich selbst eine eigene, individuell spezifische Persönlichkeitstheorie, die stereotype Urteile bildet. Stereotype haben eine entlastende Funktion im täglichen Miteinander (Sozialverhalten). Sie dienen als Orientierungshilfe und schaffen einen Bezugsrahmen für das Verhalten gegenüber anderen Menschen, insbesondere gegenüber fremden Personen. Implizite Persönlichkeitstheorien dienen der schnellen und unkomplizierten individuellen Orientierung.
Aufgrund unserer impliziten Persönlichkeitstheorien hat der "Erste Eindruck" von einem anderen Menschen eine starke Entlastungsfunktion. Er reduziert die soziale Spannung, die bei der Begegnung mit fremden Menschen entsteht und schafft eine schnelle unkomplizierte Einschätzung allein dadurch, dass wir uns an beobachtbaren Merkmalen wie z.B. Geschlecht, Alter, Hautfarbe, Herkunft, regionale Herkunft, Wohnort, Anschrift, Erscheinungsbild, Kleidung, Stil, Accessoires, Sauberkeit, Sprache, Sprechweise, Körpersprache, Umgangsformen, Ausbildung, Arbeitgeber, Sternzeichen usw. orientieren können, um daraus Rückschlüsse auf Eigenschaften zu ziehen, die uns verborgen bleiben, weil sie selbst nicht beobachtbar sind (z.B. Intelligenz, Kompetenz, Ehrlichkeit, Intelligenz, Gemüt, Stimmung, Vertrauen, Glaubwürdigkeit, Zuverlässigkeit usw.).
Nachteil und Gefahr
Beobachtbare Merkmale gelten als Signale der Persönlichkeit. Implizite Persönlichkeitstheorien selbst basieren auf Erfahrungen sowie den daraus resultierenden Erwartungen. Die Erfahrung im Umgang mit eigenen impliziten Persönlichkeitstheorien bezeichnen Menschen als sogenannte Menschenkenntnis und setzen dies mit einer (echten) "Kompetenz" gleich. In Wirklichkeit handelt es sich bei der naiven Annahme sogenannter Menschenkenntnis jedoch lediglich um das Wissen um die etwaige Bestätigung individueller subjektiver Theorien und es werden bereits von vorne herein Wahrnehmungsfehler, Erwartungsfehler und Beurteilungsfehler impliziert.
Über die Reflexion gelernter und abgeglichener beobachteter Kriterien wird die Fremdwahrnehmung - aber auch die Selbstwahrnehmung - stark beeinflusst. So gibt es z.B. viele Menschen, die von der Richtigkeit ihrer Einschätzung bzw.
ihrer guten Menschenkenntnis so überzeugt sind, dass sie irgendwann sogar genau das Gegenteil von dem einschätzen, als in Wahrheit bzw. messbar vorhanden ist.
Insbesondere Menschen, die beruflich stark und regelmäßig in Prozesse der Urteilsbildung involviert sind (z.B. Personalentscheider, Führungskräfte) unterliegen diesem Phänomen, das letztendlich auf nichts anderem basiert als auf falsch gelernter Wahrnehmung, die aufgrund (hohem/r bzw. überhöhtem/r) Status, Rolle, Hierarchie, Selbstwertgefühl, Selbstüberzeugung, Selbstsicherheit falsch gelernt wird und sich dann im Laufe des Lebens unumkehrbar festigt.
Zusätzlich besteht die Gefahr von Vorurteilen, falschen Entscheidungen
(z.B. Personalentscheidung) sowie von Diskriminierung anderer Menschen und Schäden aufgrund Fehleinschätzung oder Selbsterfüllender Prophezeiung.