Wahrnehmung basiert auf der Erfassung und Aufnahme von Informationen und Umwelt-Reizen (mit Hilfe unserer Sinne) und deren Verarbeitung im Gehirn.
Die Vielzahl der unterschiedlichsten Sinneseindrücke, denen wir ausgesetzt sind, ist enorm. Ständig und überall prasseln unzählige Informationen und Reize auf uns ein, die von unseren Sinnen bzw. von unserem Gehirn irgendwie verarbeitet werden müssen.
Unser Gehirn ist dabei völlig überfordert. Wenn es nicht selektiv gegensteuern würde, käme es zur völligen Reizüberflutung.
Um "handlungsfähig" zu bleiben, greift unser Gehirn automatisch zur "Strategie" der Selektiven Wahrnehmung. Das bedeutet, dass unser Gehirn eine Vorentscheidung trifft, was wichtig ist bzw. wert ist, überhaupt wahrgenommen zu werden und was nicht.
Wir fokussieren / konzentrieren uns dann automatisch auf bestimmte Dinge bzw. bestimmte Merkmale aus der Menge der Umweltreize (z.B. bestimmte Ausschnitte einer zu beurteilenden Person), während gleichzeitig alles andere (andere Reize) mehr oder weniger ignoriert bzw. blindlings übersehen wird, obwohl es ggf. sogar unmittelbar sichtbar, hörbar, riechbar und fühlbar ist.
Selektive Wahrnehmung zählt zu den sogenannten Wahrnehmungsfehlern. Denn leider geht die Strategie der Gehirn-Strategie der Selektiven Wahrnehmung, die bei unseren Steinzeit-Vorfahren eigentlich einen praktischen Nutzen (Konzentration auf das, was gerade zum Überleben zählt z.B. schnelles Erkennen von "Freund oder Feind", "stärker und Gefahr" oder "schwächer und keine Gefahr", "Weibchen oder Männchen", "paarungsbereit und -lohnend oder nicht") hatte, heute angesichts der unzähligen und vielfältigen unterschiedlich gearteten Informationen und Umweltreize nicht mehr auf, so dass viele Dinge blindlings übersehen werden, die heutzutage aber wichtig bzw. relevanter sind als der "Säbelzahntiger" von einst.
Unser Fokus fixiert sich auf ganz bestimmte Reize, während Anderes vom Gehirn komplett ausgeblendet wird. Wir sehen es zwar, doch unser Gehirn blendet es aus. Wir konzentrieren unsere Wahrnehmung auf das, was unser Unterbewusstsein und unsere gelernten Raster uns vorgeben. Alles andere wird ignoriert bzw. ausgeblendet.
Ein minimierter Wahrnehmungs-Ausschnitt ist hinterher ausschlaggebend für die Gesamtbewertung. Das führt dazu, dass wir nur das wahrnehmen, was uns gerade wichtig erscheint, während wir alles andere übersehen bzw. ausblenden.
Hintergrund ist, dass die Vielzahl der einströmenden Reizen nicht alle von uns verarbeitet werden können, weshalb unser Gehirn allein aus ökonomischen Gründen eine Auswahl zwischen relevanten und weniger relevanten Informationen trifft.
Das führt nicht nur dazu, dass wir wichtige Dinge übersehen, weil wir einfach nicht aufmerksam genug sind oder unsere Aufmerksamkeit auf etwas völlig anders richten (Aufmerksamkeitsfehler), sondern auch dazu, dass wir manche Wahrnehmungs-Ausschnitte geradewegs fixieren (Fixstern-Theorie/Köhler) und als allein vorhanden oder als allgemeingültige Tatsache ansehen, worauf dann auch nachfolgende Denkprozesse basieren.
Zauberkünstler wie auch Trickbetrüger machen sich diesen Effekt ebenso zu nutze wie unsere Triebe bei der Selektion des anderen Geschlechts auf Basis von Schlüsselreizen, die mit Hilfe von Marketing / Selbstmarketing gezielt hervorgehoben werden können, um Aufmerksamkeit zu erzielen.
Auf der anderen Seite kann die Strategie der Selektiven Wahrnehmung aber auch ganz bewusst zum Vorteil genutzt werden z.B. in der Meditation, beim Autogenen Training und in Bezug auf Achtsamkeit.
Selektive Wahrnehmung führt schließlich auch zu einem ganz bestimmten Weltbild, das als real und allgemeingültig angesehen wird, jedoch in Wirklichkeit lediglich auf wenigen selektierten Ausschnitten der eigentlichen Wirklichkeit besteht und in Relation zum Ganzen oder zu anderen einzelnen Details sogar falsch ist.
Ein Beispiel dafür bietet u.a. der Heile Welt Naivitätsfehler, der auf bestimmten Menschenbildannahmen und dem Phänomen der Selektiven Wahrnehmung basiert sowie der Wahrnehmungsfehler aufgrund falscher Grundannahmen. Als weiteres Beispiel sei hier der Fehler aufgrund der selektiven Schockrisiko-Wahrnehmung, der auf selektiv wahrgenommenen Ängsten basiert, genannt.